Der große Saal im Rotkreuzhaus gleicht einer Baustelle. Überall laufen Menschen herum, tragen Boxen und Kartons herein, packen Dinge aus, sortieren und verteilen sie an die einzelnen Stationen.
Zwischen 15.30 und 19.30 ruft das Rote Kreuz an diesem Freitag in der Hartmannstraße 25 die Bad Kissinger dazu auf, einen halben Liter des kostbaren Körpersafts zu spenden. So wie alle vier Wochen, jeden zweiten Freitag im Monat.
100 bis 120 Menschen kommen pro Termin, berichtet Bettina Dax-Mützel. Sie ist beim örtlichen BRK eigentlich für den Hausnotruf zuständig. Aber bei Blutspenden müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ran.
Zentraler Blutspendedienst
Sie helfen ihren Kollegen vom Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BSD) aus Wiesentheid (Landkreis Kitzingen). Denn diese Abteilung ist für die Organisation und Abwicklung der Termine zuständig.
Der BSD ist mit einem Lastwagen und einem Kleintransporter gekommen, voll beladen mit allen wichtigen Utensilien, die für den Spendetermin in der Welterbestadt gebraucht werden.
Normalerweise rücken vier sogenannte Punktionskräfte und ein Fahrer an. Dieses Mal sind zusätzlich die Auszubildende Marie-Sophie Mai und eine neue Mitarbeiterin dabei, die eingearbeitet werden soll. Auch zwei bis drei örtliche Ärzte sind jedes Mal im Einsatz.
3134 Spender im Landkreis
Im Produktions- und Logistikzentrum Wiesentheid landen täglich alle Blutspenden des Roten Kreuzes aus ganz Bayern. Und das sind eine ganze Menge, berichtet BSD-Gebietsreferent Leon Lipecki. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst neben Bad Kissingen auch Hammelburg, Münnerstadt, Bad Brückenau, Schondra, Oberthulba, Maßbach, Oerlenbach, Burkardroth und Sulzthal.
Im vergangenen Jahr kamen in diesen Orten insgesamt 3134 Personen zu 58 Terminen. 5900 Blutspenden konnten so gewonnen werden, also fast 3000 Liter.
Das klingt viel, ist aber dringend nötig. Täglich werden in Bayern etwa 2000 Blutspenden für die Versorgung von Verletzten und Kranken benötigt. Ein Drittel der Bundesbürger ist mindestens einmal im Leben auf das Blut anderer Menschen angewiesen - zum Beispiel nach einem Unfall oder bei Operationen.
Video: So werden die Blutspenden in Wiesentheid verarbeitet
Reservierung dringend gewünscht
Im Rotkreuzhaus arbeiten deshalb Festangestellte und Ehrenamtliche eifrig daran, dass weiterer Nachschub abgezapft werden kann. 92 Spender haben für diesen Tag einen Termin gebucht. Erfahrungsgemäß kommen immer noch einige dazu, die sich spontan entschlossen haben.
„Die Reservierung ist dringend notwendig, damit lange Wartezeiten vermieden werden können“, sagt Lipecki. Dafür bietet der Blutspendedienst verschiedene Möglichkeiten an.
So kann eine App fürs Smartphone genutzt werden. Sie fungiert unter anderem als digitaler Blutspenderausweis und zeigt, wo die nächsten Termine im Umkreis sind. Die Anmeldung ist dann mit ein paar Klicks erledigt. Die Buchung ist auch über das Internet oder telefonisch unter der Rufnummer 0800/1194911 möglich.
Siegfried Benning deckt die Tische
Während draußen die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen, deckt Siegfried Benning die Tische ein. Der 69-Jährige ist seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlicher Helfer beim Roten Kreuz in Bad Kissingen.
Nach der Blutspende gibt es zur Stärkung Kaffee und Kuchen oder frisch belegte Brötchen. Die werden in der angrenzenden Küche von Helferinnen wie am Fließband geschmiert.
Armband mit QR-Code
Im großen Saal werden unterdessen die Tablet-Computer auf Stehtischen platziert. Die Blutspende ist von der Reservierung bis zum Empfänger-Patienten komplett digitalisiert.
Zunächst bekommen die Spendenwilligen ein Armband mit einem zehnstelligen Code zur Identifizierung an den verschiedenen Stationen angelegt. Dann geht es an die Tablets, wo ein Fragebogen zum gesundheitlichen Status ausgefüllt werden muss.
Vor dem Gespräch bei der Ärztin oder dem Arzt wird eine geringe Menge Blut in Teströhrchen abgenommen, um vor Ort den Hämoglobinwert zu bestimmen. Der sogenannte Hb-Wert zeigt den Sauerstoffgehalt im Blut an und kann auf verschiedene Erkrankungen hinweisen.
Im BSD-Zentrum Wiesentheid erweisen dann genauere Untersuchungen, ob die Person mit Hepatitis, Aids oder anderen Krankheiten infiziert ist.
Punktionskräfte in Aktion
Nach der medizinischen Beurteilung durch Arzt oder Ärztin sind die Punktionskräfte gefragt. Sie setzen die Nadel und nehmen 500 Milliliter Blut ab. Nach ungefähr zehn Minuten ist der Beutel voll. „Viel länger sollte es auch nicht dauern. Denn die Nadel darf höchstens 15 Minuten im Arm bleiben“, sagt Lipecki. Denn dann würde das Blut gerinnen und die Nadel verstopfen.
Nach der Abnahme folgt eine zehn- bis fünfzehnminütige Ruhephase. Im angrenzenden kleinen Gastraum haben Siegfried Benning und die ehrenamtlichen Küchenfrauen schon Kaffee, kühle Getränke und belegte Brötchen vorbereitet.
Marmelade oder Duschgel
Geld gibt es für die Spender nicht. Aber eine kleine Anerkennung. Sie dürfen sich an dem reich gedeckten Gabentisch etwas aussuchen: ein Glas Marmelade oder Honig, eine Packung Nudeln, ein Duschgel, einen Bocksbeutel.
Während sie in ihre Brötchen beißen, ist ihnen vielleicht nicht klar, dass sie mit ihrer Spende sogar drei Menschen das Leben retten könnten.
Das Blut wird in drei Bestandteile getrennt
- Erythrozytenpräperate werden bei plötzlichem Blutverlust wie nach einem Unfall, bei Operationen oder Blutarmut (Anämie) verabreicht.
- Thrombozytenpräparate sind lebenswichtig für die Blutgerinnung und die Wundheilung. Sie werden auch während einer Chemotherapie bei Krebserkrankungen eingesetzt.
- Blutplasma macht etwa 55 Prozent des Blutes aus. Es besteht zu etwa 90 Prozent aus Wasser, die restlichen zehn Prozent enthalten Nährstoffe sowie Stoffe für die Blutgerinnung und Infektionsabwehr . Diese Infusionen bekommen Patienten mit starken Verbrennungen oder Vergiftungen. Außerdem sind Menschen mit Blutgerinnungsstörungen wie der sogenannten Bluterkrankheit darauf angewiesen.
Auslieferung für ganz Bayern
Von Wiesentheid aus werden diese Präparate bayernweit verteilt. Zum Beispiel an Kliniken, das Plasmazentrum in Würzburg oder das Institut für Transfusionsmedizin in München.
Den freiwilligen Spenderinnen und Spendern können diese Details egal sein. Sie gehen mit dem guten Gefühl nach Hause, an diesem Tag etwas Wichtiges für ihre Mitmenschen getan zu haben.
„Möchten Sie noch eine Tasse Kaffee oder ein halbes Brötchen?“, fragt Siegfried Benning. Ja, sehr gerne!
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