
Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, meinte die vorsitzende Richterin nach der Verhandlung am Bad Kissinger Schöffengericht. Ein 23-jähriger Soldat war wegen sexueller Nötigung gegenüber einer Lehrgangskameradin angeklagt. Am Ende galt aber der juristische Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten “.
Freundschaftlich verbunden
Bereits im Juli 2021 hatten die jungen Soldaten nach einer nächtlichen Feier erstmals einvernehmlichen Sex . „Das war ein One-Night-Stand“, bestätigte das vermeintliche Vergewaltigungsopfer vor Gericht als Zeugin. Zwischen beiden bestand eine freundschaftliche Beziehung.
Punkt der Anklage war der zweite Vorfall, wenige Tage später. „Er kam abends in meine Stube und wollte Sex , ich aber nicht.“ Dies habe sie dem Angeklagten auch zu verstehen gegeben und Widerstand geleistet. „Letztendlich habe ich aufgegeben. Dann ist er über mich hergefallen.“ Erst später sei ihr bewusst geworden, „was eigentlich passiert ist“. Doch auf eine Meldung habe sie damals verzichtet, um „das gute Miteinander in der Gruppe nicht zu stören“.
Andere Schilderung
Ganz anders hatte zuvor der Angeklagte dieses zweite Mal geschildert. Er habe sie auf ihrer Stube aufgesucht. „Sie lag auf dem Bett, wir haben geplaudert, dann kam es zum Sex .“ Sie habe keinen Widerstand geleistet. Für ihn habe es keinen stimmungsmäßigen Unterschied zwischen dem ersten und diesem zweiten Mal gegeben. Danach hätten sie Musik gehört und er habe sogar bis zum Wecken in ihrem Bett geschlafen.
Einen Monat später wurden beide vom verantwortlichen Offizier in der Stube des Angeklagten auf dem Bett entdeckt, friedlich einander zugewandt, vollständig bekleidet. Zuvor hatte der Vorgesetzte von der Zeugin eine missverständliche Whatsapp-Nachricht erhalten, in der von einem Angriff die Rede war. Er wollte dies überprüfen und suchte sie deshalb in ihrer Stube auf, die er verschlossen fand.
Zweifel an der Aussage
Da das Verhältnis zwischen beiden in der Lehrgangsgruppe bekannt war, ging er zur Stube des Angeklagten , wo sich ihm die friedliche Szene bot. Die junge Frau erhob sich, zog sich ihre Schuhe an und bedankte sich flüsternd bei ihm im Hinausgehen. Wofür, sei ihm nicht klar geworden. Anzeichen für einen sexuellen Übergriff waren nicht erkennbar. Später beobachtete er beide vor der Unterkunft beim Rauchen.
Schon jetzt äußerte der Verteidiger Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers. „Sie will eine Stunde mit meinem Mandanten gekämpft, aber nie um Hilfe geschrien haben?“ Es habe überhaupt keine belastbare Aussage gegeben, die eine Verurteilung rechtfertige.
James Bond würde heute als Straftäter verurteilt werden“
Der Staatsanwalt verwies auf die Verschärfung des Sexualstrafrechts. „ James Bond würde heute als Sexualstraftäter verurteilt werden.“ Die Vorsitzende wollte sicher gehen, unterbrach die Verhandlung, um zehn Tage später noch den letzten Zeugen anzuhören.
Dieser hatte nach dem Hinweis des Offiziers mit beiden Soldaten gesprochen. Demnach hätten beide einvernehmlich Sex gehabt. Eine Meldung wollte die Soldatin damals nicht machen: „Nein, es ist alles gut“, habe sie zu ihm gesagt. Jetzt übergab der Verteidiger dem Gericht eine mehrseitige Stellungnahme, in der er ausführlich auf die vielfältigen Widersprüche in der Aussage des vermeintlichen Opfers hinwies. Erschwerend kam für ihn hinzu, dass sie noch Wochen später, nachdem sein Mandant sich von ihr längst abgewandt hatte, mehrmals versucht hatte, mit ihm wieder in Kontakt zu kommen.
Staatsanwalt für Verurteilung
„Es mag ein bizarres Verhältnis zwischen beiden bestanden haben“, begann der Staatsanwalt sein Plädoyer und ergänzte, dass die in der Stellungnahme des Verteidigers genannten Punkte „nicht von der Hand zu weisen sind“.
Doch schon ein leichtes „Kräftemessen“ zwischen beiden beim Sex bedeutet im Sinne des Paragrafen 177 des Strafgesetzbuches schon Gewalt. Deshalb sah er den Vorwurf eines sexuellen Übergriffs als bestätigt und beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.
Zeugenaussagen entscheidend„Es war niemand dabei, es gibt keine Beweise für irgendetwas“, widersprach der Verteidiger und wiederholte die in seiner schriftlichen Stellungnahme vorab gelisteten Widersprüche in Aussagen und Verhalten der Zeugin. „Warum behauptet sie, das zweite Mal sei gegen ihren Willen geschehen, und liegt beim dritten Mal wieder in seinem Bett?“
Plädoyer für Freispruch
Im Gegensatz dazu hätten die Aussagen des Angeklagten in vielen Punkten mit denen der anderen Zeugen übereingestimmt. „Mein Mandant ist glaubwürdiger als die Zeugin“, schloss der Verteidiger sein Plädoyer und beantragte Freispruch.
Nach kurzer Beratung sprach das Schöffengericht den Angeklagten frei. Das Gericht müsse sich an den Zeugenaussagen orientieren. Die junge Soldatin habe offensichtlich ihren Unwillen gegenüber dem Angeklagten nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht.
Auch einige Ungereimtheiten führte die Vorsitzende an: „Wieso geht sie nach der Vergewaltigung mit ihm eine rauchen?“ Wenn also das Gericht berechtigte Zweifel hat, muss die Unschuldsvermutung für den Angeklagten gelten.