zurück
Bad Kissingen
Bad Kissingen: Schwere Aufgaben für neue Caritas-Führung
Der ehrenamtliche Vorstand wechselt in den neuen Caritasrat, die Geschäfte leitet ein hauptamtlicher Vorstand. Aufgaben warten genug: Von der Impfpflicht und Furcht vor Personalengpässen bis zum Sparkurs des Bistums.
Pia Schneider packt für ihre tägliche Pflegerunde. Sie ist eine von 27 Pflegekräften bei der Sozialstation in Garitz. Dort werden 160 Senioren ambulant betreut.       -  Pia Schneider packt für ihre tägliche Pflegerunde. Sie ist eine von 27 Pflegekräften bei der Sozialstation in Garitz. Dort werden 160 Senioren ambulant betreut.
Foto: Benedikt Borst | Pia Schneider packt für ihre tägliche Pflegerunde. Sie ist eine von 27 Pflegekräften bei der Sozialstation in Garitz. Dort werden 160 Senioren ambulant betreut.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 16.08.2022 21:55 Uhr

Der Caritasverband für den Landkreis Bad Kissingen : Das sind 230 Mitarbeiter und weit mehr als 150 Ehrenamtliche, die sich in der Altenhilfe und in Beratungsstellen um Menschen kümmern, die Hilfe brauchen. "Wir sind in der Fläche unterwegs. In jedem Dorf werden Menschen versorgt", sagt Anne Hilpert-Böse. Die 41-Jährige leitet seit 2016 als hauptamtliche Geschäftsführerin die Geschicke des Kreisverbandes.

Die Geschäftsführung hatte sie sich bislang mit einem ehrenamtlichen Vorstand geteilt. Weil die Aufgabe für die Ehrenamtlichen zu umfangreich geworden ist, hat der Kreisverband seine Führungsebene neu organisiert: Ab sofort gibt es keine Geschäftsführung mehr, sondern einen hauptamtlichen Vorstand. Hilpert-Böse ist nun nicht mehr als Geschäftsführerin , sondern als Vorständin für das Operative verantwortlich. Ihr steht ein neuer Caritasrat als Beratungs- und Aufsichtsgremium zur Seite.

Vier Jahre wurde die Umstrukturierung vorbereitet, Ende letzten Jahres trat sie mit einer neuen Vereinssatzung in Kraft. Der Vorteil liegt für Hilpert-Böse auf der Hand. Der ehrenamtliche Vorstand erfüllte bislang eine Doppelfunktion: Obwohl er in die Geschäftsführung mit eingebunden war, sollte er gleichzeitig als Aufsichtsgremium der Geschäftsführung auf die Finger schauen. "Jetzt haben wir eine klare Trennung zwischen diesen Funktionen", sagt sie. Der Verband könne schneller handeln, weil keine Gremiumssitzungen für wichtige Entscheidungen abgewartet werden müssen. Zudem würden die Ehrenamtlichen entlastet und der Aufsichtsrat gestärkt. Mit der Änderung setze man aktuelle Vorgaben des Gesetzgebers sowie der Bischofskonferenz um.

Klaus Eckert, Caritasseelsorger in Hammelburg, wechselt aus dem bisherigen Vorstand in den Aufsichtsrat. "In dem Maß, in dem der Verband gewachsen ist, war es für das Ehrenamt nicht mehr möglich, im operativen Geschäft mitzuarbeiten", betont er. Die vergangenen drei bis vier Jahre haben dem Kreisverband einiges abverlangt - auch ohne Neuausrichtung und ohne Corona-Pandemie. Finanzielle Sorgen, schwierige Personalentscheidungen, das Aus für das Caritas-Kramlädchen in Bad Kissingen . "Die letzten waren die intensivsten Jahre, in denen wir mit dem Rücken zur Wand standen", sagt Emil Müller , der sich 27 Jahre als Vorsitzender engagiert hatte. Die Schwierigkeiten sieht er heute als gemeistert, der Caritasverband habe die Voraussetzungen, dass es in den nächsten Jahren gut weitergeht. "Die Caritas wird nach wie vor gebraucht in der Gesellschaft", betont Müller.

Die Aufgaben gehen der Vorständin und dem neuen Aufsichtsrat so schnell nicht aus, etwa in der Altenpflege: Der Kreisverband hat unlängst zwei Tagespflegestationen eröffnet, in Garitz und Elfershausen. Beide Einrichtungen starteten in der Pandemie - mit entsprechenden Schwierigkeiten und einem wirtschaftlichen Defizit. Während die Tagespflege in Garitz weiterhin schleppend läuft, werde die in Elfershausen laut Hilpert-Böse inzwischen gut angenommen.

Sorgen bereiten im Moment die Personalsituation in der Altenpflege sowie die Impfpflicht für die dort Beschäftigten. Die Vorständin betont, dass die Mehrzahl der Beschäftigten des Kreisverbandes geimpft sind, es aber auch Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht oder noch nicht haben impfen lassen. "Schon einzelne Kündigungen wegen der Impfpflicht können zu Versorgungsengpässen in der Altenpflege führen", befürchtet sie. Alle Kolleginnen und Kollegen würden geschätzt und benötigt. Ungeimpfte seien nicht per se unsolidarisch und Querdenker, sondern hätten Ängste, die für Dritte manchmal weniger verständlich, aber nachfühlbar sind.

Dass ehrenamtliche Vorstände zunehmend überlastet sind, sieht die Kissinger Caritas nicht nur bei der eigenen Verbandsführung, sondern auch an anderer Stelle als Aufgabe. "Im Landkreis befinden sich mehr als 50 Kindergärten, die von Kirchenstiftungen oder Caritasvereinen betrieben werden", berichtet Vorständin Anne Hilpert-Böse. Die Anforderungen an die Ehrenamtlichen seien zuletzt stetig gestiegen und würden weiter steigen. Die Folge: Die Kindergartenvereine haben zunehmend Probleme, Freiwillige zu finden, die sich im Vorstand engagieren. Der Caritasverband würde die Zusammenarbeit mit den Vereinen und Stiftungen künftig gern intensivieren. Noch ist es Zukunftsmusik, Hilpert-Böse hält es aber für eine Option, die Kindergartenträger "künftig unter einem Dach zu firmieren".

Wirtschaftlicher Druck wächst

Auch ein großer Wohlfahrtsverband wie die Caritas steht unter wirtschaftlichem Druck. "Im sozialen Bereich kann man keine großen Gewinne machen, wenn man eine ordentliche Versorgung anbieten und seine Leute gut bezahlen möchte", sagt sie. Der Kreisverband steht in dem Spannungsfeld, in der Fläche auch in kleinsten, abgelegenen Ortschaften eine ambulante Altenhilfe vorzuhalten und gleichzeitig profitabel zu arbeiten. Nachdem der Verband in den vergangenen Jahren finanziell doch erhebliche Probleme hatte, wurde das Berichtswesen umgestellt und ein neues Controlling-System eingeführt. "Damit ist es geglückt, die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren", berichtet Hilpert-Böse.

Das Ringen um die Finanzen wird den Caritasverband auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Der vom Bistum Würzburg verordnete Sparkurs erschwert die Situation jedoch. "Wir wissen nicht, wie sich die Finanzen entwickeln. Wir werden uns jedes Jahr damit auseinandersetzen müssen", meint sie. Es müsse immer neu geprüft werden, welche Aufgaben der Verband stemmen und welche Dienste aufrecht erhalten kann.

Mario Götz, Mitglied im Caritasrat und Bürgermeister von Oberthulba, ist zuversichtlich, dass sich finanzielle Nöte lösen lassen. "Betriebswirtschaftliche Interessen müssen mit christlichen Werten verbunden werden. Wir müssen immer wieder um die beste Lösung ringen."

Sprachrohr für Benachteiligte

Der Vorsitzende des neuen Caritasrates, Bernd Keller , sieht eine wichtige Aufgabe der Caritas darin, in der Fläche für Menschen da zu sein. "Die Caritas war schon immer dezentral organisiert. Im Landkreis sind 1300 Menschen unter dem Dach der Caritas für andere Menschen von der Wiege bis zur Bahre verantwortlich", sagt der Bad Kissinger Ehe- und Familienseelsorger. Diese notwendige Arbeit wolle er unterstützen.

Für Benedikt Keßler ist eine Hauptaufgabe der Caritas , als Sprachrohr für Menschen am Rand der Gesellschaft zu fungieren. "Es braucht jemanden, der für die eintritt, die sonst unter die Räder kommen", findet der 2. Bürgermeister von Oerlenbach.

Christoph Glaser sieht die Altersstruktur im Landkreis und damit einhergehend Vereinsamung im Alter als zentrale Herausforderung der nächsten Jahre. Hier werde die Hilfe der Caritas sehr stark benötigt. "Da existiert eine große Not bei den Menschen", hat der Bad Kissinger Diakon beobachtet.

Der bisherige Vorsitzende des Vorstandes, Emil Müller , und sein Stellvertreter, Erhard Ledermann, wechseln nicht in den Caritasrat, sondern beenden ihre ehrenamtliche Tätigkeit .

Der Caritasverband für den Landkreis Bad Kissingen

Geschäftsführung Der Vorstand leitet die Geschäfte. Das Gremium kann aus bis zu drei Personen bestehen. Die Satzung sieht vor, dass bei einem Haushaltsvolumen von rund acht Millionen Euro ein hauptamtlicher Vorstand/Vorständin tätig ist, aktuell in Person von Anne Hilpert-Böse. Die jeweiligen Fachbereichsleiter unterstützen und vertreten den Vorstand.

Aufsichtsrat Der Caritasrat kontrolliert und berät den Vorstand. Dem neuen Caritasrat gehören an: Bernd Keller (Vorsitzender), Benedikt Keßler (stellvertretender Vorsitzender), Klaus Eckert, Franz-Peter Jörg, Mario Götz, Christoph Glaser, Stephan Freidhof, Peter Kaidel , Brigitte Schlee-Söder sowie Alois Knüttel.

Fachbereiche Der Kreisverband gliedert sich in drei Fachbereiche: Zentrale Dienste (Verwaltung mit Rechnungswesen, Buchhaltung, Betriebsmedizin , Qualitätsmanagement, EDV und Arbeitssicherheit), Beratungsdienste (Allgemeiner sozialer Beratungsdienst, Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Flüchtlings- und Migrationsberatung, Integrationslotsin, Suchtberatung, Gemeindecaritas) und ambulante sowie teilstationäre Altenhilfe (Sozialstationen und Tagespflege). Die Schaffung eines vierten Fachbereichs für Kindertagesstätten ist langfristig möglich.

Mitarbeiter 230 Mitarbeiter gehören direkt zum Caritas Kreisverband. Dazu kommt Personal, das bei zur Caritas zugehörigen Vereinen, Stiftungen oder Gesellschaften angestellt ist - etwa in mehr als 50 Kindergärten im Landkreis, bei drei Seniorenzentren in Bad Kissingen , beim Kurhaus in Bad Bocklet, beim Dominikus Ringeisen Werk in Maria Bildhausen, im Kinder- und Jugendhaus Riedenberg, im Berufsbildungszentrum Münnerstadt und der Saaletalschule in Bad Kissingen . Unter dem Dach von Caritas Deutschland sind rund 1300 Menschen im Landkreis berufstätig.

Jubiläum Der Caritasverband für den Landkreis Bad Kissingen hat am 2. Dezember 2022 sein 50-jähriges Bestehen. Aber auch für den deutschen Caritasverband ist es ein Jubiläumsjahr: Er wird 125 Jahre alt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Arbeitsmedizin
Bernd Keller
Bistum Würzburg
Caritas
Ehrenamtliche Tätigkeiten
Emil Müller
Impfpflicht
Peter Kaidel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • lbs
    Tja, so ist das halt mit der Kirche. Die macht riesige Werbekampagnen für Spenden für die Caritas und gehen dann auf Sparkurs , damit sie Geld für die Anwälte ihre Kardinäle und Bischofe haben, die genauso gelogen haben wie Papst Benedikt XVI. Die Dummen sind dann diese Helfer und Mitarbeiter der Kirchenherrschaft. Peinlich!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten