
Das Amtsgericht Bad Kissingen hatte am Dienstag sichtlich Mühe, allen Wendungen und Ungereimtheiten dieses Falls zu folgen.
Was war passiert? Im September vergangenen Jahres liest ein Rentner aus Bad Kissingen auf einem Flugblatt, dass ein örtliches Geschäft Gold- und Silbermünzen ankauft. Der Numismatiker ist interessiert und wird in dem Laden vorstellig.
Alukoffer mit Goldmünzen
Der Inhaber besucht ihn am nächsten Tag zusammen mit einer älteren Frau. Der 79-Jährige präsentiert einen Alukoffer mit Goldmünzen und erklärt, dass in seinem Keller noch vier Lederkoffer mit Silbermünzen lagern.
Die Besucher sollen einen Teil der Goldmünzen mitgenommen und dafür eine Anzahlung von 3000 Euro gezahlt haben. Am nächsten Tag, einem Freitag, kommen sie zurück, um die Koffer im Keller zu inspizieren.
Silberbarren liegen gelassen
Von dort sollen sie eine größere Anzahl Silbermünzen mitgenommen haben. Die ebenfalls vorhandenen Silberbarren hätten sie aber verschmäht. An diesem Tag soll eine weitere Anzahlung über 1800 Euro geleistet worden sein.
Der Rentner versichert vor Gericht, dass man schon beim ersten Besuch einen Gesamtpreis von 43.000 Euro für die Münzen in Wohnung und Keller vereinbart habe. Die fehlende Summe sollte am Montag gegen 14 Uhr gebracht werden.
Handschriftliche Quittungen
Für beide Anzahlungen liegen Quittungen vor, die der Kläger selbst handschriftlich verfasst hatte. Auf dem ersten Beleg steht: „ Goldmünzen verkauft für 3000 Euro “. Der Zweite lautet: „1800 Euro für Münzen“.
Mitten in der Nacht, am Samstag gegen 2.45 Uhr, wacht der Bad Kissinger auf und wird von heftigen Zweifeln geplagt. Er zieht sich an und schildert das mysteriöse Münzengeschäft den Beamten einer Polizeidienststelle.
Polizei beschlagnahmt Münzen
Beide Parteien schalten in der Folge Rechtsanwälte ein, die auf zivilrechtlichem Weg die Angelegenheit bereinigen sollen. Allerdings ohne Ergebnis. Einen großen Teil der Münzen stellt die Polizei später bei dem Geschäftsinhaber sicher.
Die Zeugenaussage des Rentners liefert mehr Fragen als Antworten. „Sie kannten doch die Leute nicht. Wieso haben Sie diesen Fremden die Münzen ohne entsprechende Gegenleistung überlassen?“, will die Richterin wissen. „Ich war wie hypnotisiert, konnte nicht mal den Arm heben“, sagt der Mann.
„Den kenne ich nicht!"
Dann beginnt der nächste Akt der Posse: „War es dieser Mann, der die Münzen abgeholt hat?“, will die Staatsanwältin wissen und deutet auf den 21-Jährigen auf der Anklagebank. „Nein, den kenne ich nicht!“, antwortet der Rentner. Die Juristin hakt noch einmal nach. „Er kam mir viel größer vor“, erklärt der 79-Jährige.
Jetzt springt der Anwalt des jungen Mannes auf: „Stellen Sie keine Suggestivfragen! Der Zeuge hat diese Frage bereits zweimal beantwortet.“ Nach einem heftigen Wortgefecht gibt die Staatsanwältin nach. Fortan spricht sie von „Den beiden bei Ihnen anwesenden Personen.“
Anwalt des Rentners nicht erschienen
Warum der junge Mann statt des Ladenbesitzers auf der Anklagebank sitzt, bleibt auch im weiteren Verlauf des Prozesses unklar. Ebenso wie der Umstand, warum der Anwalt des Rentners nicht zu der Verhandlung erschienen ist.
Ob er seine Münzen wieder haben will, fragt die Richterin . „Nein, ich habe Fotos gesehen, wie meine Münzen in einem Speiseimer liegen. Sie sind sicher beschädigt“, antwortet der ältere Mann und beharrt darauf, dass er den Rest des vereinbarten Kaufpreises haben möchte. Nach Abzug der bereits übergebenen 4800 Euro Anzahlung also noch 38.200 Euro .
Richterin will Schadensausgleich
Die Anwälte der Beschuldigten können dem Rentner nun Fragen stellen, winken aber dankend ab. Sie würden gerne einige Punkte näher beleuchten, bezweifeln aber, ob dies zu einem sinnvollen Ergebnis führen wird.
Die Richterin sieht, dass der Fall eher eine zivilrechtliche Angelegenheit ist. Sie schlägt vor, dass die Frau 500 Euro als eine Art Schadensausgleich an den Rentner zahlen soll. Die restliche Summe müsse der Mann auf zivilrechtlichem Weg einfordern.
Kein Eigentumsrecht an Münzen
Ihr Anwalt lehnt dies rigoros ab. Der 21-Jährige und seine Mandantin könnten nicht mal das Eigentumsrecht an den beschlagnahmten Münzen geltend machen, weil das ein Verwandter von ihnen habe - der Inhaber des Goldgeschäfts.
Nach einer Sitzungsunterbrechung geht der Anwalt des jungen Mannes auf das Angebot der Richterin ein. Nach einem Telefongespräch mit dem Ladenbesitzer könne er 500 Euro anbieten. Allerdings ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Anwalt legt 500 Euro auf den Tisch
Die Antwort des Rentners kommt prompt: „Nein!“ Die Richterin rät: „Ich würde das Geld an Ihrer Stelle annehmen.“ Er stimmt schließlich zu und der Anwalt blättert 500 Euro auf den Zeugentisch.
Die Staatsanwältin erklärt in ihrem Schlussplädoyer, dass ein eindeutiger Tatnachweis und eine Betrugsabsicht nicht mit Sicherheit festgestellt werden können und empfiehlt dem Gericht, die beiden Beschuldigten freizusprechen.
Das Urteil
Dem stimmen die Anwälte zu und verzichten auf ihre Plädoyers. Die Richterin verkündet das Urteil: Der 21-Jährige und die Frau werden freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und der beiden Pflichtverteidiger trägt die Staatskasse.
Weitere Berichte zu diesem Thema: