
Etwa 6 000 und damit ein Drittel aller Handwerksbetriebe in Unterfranken stehen nach Schätzung der Handwerkskammer im nächsten Jahrzehnt zur Übergabe an, da deren Inhaber älter als 50 Jahre sind. Beim Bad Kissinger Fachbetrieb Hörgeräte Köllmer ist diese Frage jetzt beantwortet: Tochter Lea (24) bereitet sich zum Einstieg in den Familienbetrieb mit Filialen in Hammelburg und Bad Brückenau vor. In dieser Gewissheit hat Inhaber Stefan Köllmer (55) kürzlich das Hauptgeschäft in der Grabengasse generalsaniert, neu möbliert und mit dem Einbau neuartiger Akustikräume das Unternehmen für die dritte Generation aufbereitet. "Für die Zukunft sind wir gut gerüstet."
Lange Zeit war die Unternehmensnachfolge nicht gesichert. Denn nach dem Abitur (2014) am Münnerstädter Schönborn-Gymnasium verpflichtete sich Tochter Lea zunächst für ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Schule in Treviso (Italien). Danach folgte ab 2015 ihr Betriebswirtschaftsstudium an der Berliner Humboldt-Universität , das sie 2018 mit dem Bachelor abschloss. Während des Studiums hatte sie noch daran gedacht, vielleicht Steuerberaterin werden zu wollen. Als dann aber die verbindliche Berufswahl anstand, änderte Lea Köllmer ihre Meinung: "Mir gefällt der Umgang mit Menschen, und die Tätigkeit als Hörgeräteakustikerin ist vielfältig. Ein Hörverlust kann jeden Kunden unterschiedlich treffen, und ich kann ihm helfen."
Deshalb begann sie ab August 2018 eine duale Berufsausbildung an einer österreichischen Berufsschule sowie im väterlichen Betrieb , die sie Ende Februar mit dem Gesellenbrief abschloss. Der schon gebuchte Meisterkurs, der wegen Corona verschoben werden musste, wird schnellstmöglich nachgeholt. Mit dem Meisterbrief in der Tasche will die 24-Jährige noch in anderen Betrieben Erfahrung sammeln, in absehbarer Zeit aber in den Familienbetrieb einsteigen.
Neue Technik installiert
"Wäre die Nachfolge nicht geklärt gewesen, hätte ich nicht so hoch investiert", versichert Vater Stefan und meint damit die kürzlich erfolgte Generalsanierung und Modernisierung des Bad Kissinger Firmensitzes, der zusätzlich zum Ladengeschäft im Erdgeschoss jetzt um zwei Büroräume im Obergeschoss erweitert wurde. Kernstück der umfassenden Umbauten im Erdgeschoss war der Einbau von zwei neuartigen Floatrooms, eines speziell für Hörgeräteakustiker erfundenen Raum-in-Raum-Systems: Ohne Berührung mit den Gebäudewänden und unter Verwendung schalldämmender Materialien übersteigen sie mit ihrem weitaus höheren Schallschutz (maximal 52 Dezibel) gegen störende Außengeräusche die gesetzlichen Vorgaben (40 Dezibel) um ein Mehrfaches.
Mit diesen Floatrooms ermöglicht Hörgeräte Köllmer seinen Kunden absolut störungsfreie Messungen und Geräte-Anpassungen für bestmögliches Hören. "Hörtests sind doch die Grundlage unserer Arbeit", ist Stefan Köllmer vom neuen Angebot begeistert. "Die Floatrooms verschaffen uns eine weitere Qualitätssteigerung bei der individuellen Hörgeräteanpassung und sind unsere Investition in die Zukunft."
Damit setzt Stefan Köllmer eine stetige Weiterentwicklung des Familienunternehmens fort, die 1932 mit der Übernahme eines Optikerfachgeschäfts in der Unteren Marktstraße durch seinen Großvater Hermann Köllmer ihren Anfang hatte. Bereits 1963 führte dessen Sohn Manfred die Hörgeräteakustik als zusätzliche Sparte in den Betrieb ein, die überhaupt erst 1970 als Fachberuf anerkannt wurde. Die räumliche Trennung von Hörgeräteakustik und Optik durch Umzug von Hörgeräte Köllmer in die jetzigen Räume in der Grabengasse war 1988 ein erster Schritt in die betriebliche Selbstständigkeit, die im Jahr 2000 mit dem zweiten Schritt der formaljuristischen Firmengründung endgültig vollzogen wurde.
Ebenfalls 1988 war der heutige Inhaber Stefan Köllmer zum Mitinhaber geworden, hatte 1992 seinen Meisterbrief gemacht und im selben Jahr die Filiale in Hammelburg eröffnet. 2006 kam eine weitere Filiale in Bad Brückenau hinzu. Diese positive Geschäftsentwicklung wird sich mit Tochter Lea als Nachfolgerin fortsetzen, ist der Vater überzeugt und zufrieden.