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Bad Kissingen
Stadtwald Bad Kissingen: "In zwei Jahren steht hier keine Fichte mehr"
Trockenjahre und Borkenkäfer verändern den Stadtwald drastisch: Der Nadelbaum hat keine Chance, die Buche kämpft. Hoffnung liegt auf der Selbstheilungskraft des Waldes.
David Scheuthle (links)  mit OB Dirk Vogel im Stadtwald an befallenen Fichtenbeständen. In der Hand ein Stück Rinde mit Bohrtunneln des Borkenkäfers.       -  David Scheuthle (links)  mit OB Dirk Vogel im Stadtwald an befallenen Fichtenbeständen. In der Hand ein Stück Rinde mit Bohrtunneln des Borkenkäfers.
Foto: Benedikt Borst | David Scheuthle (links) mit OB Dirk Vogel im Stadtwald an befallenen Fichtenbeständen. In der Hand ein Stück Rinde mit Bohrtunneln des Borkenkäfers.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 01.10.2024 15:35 Uhr

Stadtförster David Scheuthle steht im Mittelschlag, einem Waldgebiet bei Poppenroth. In der Nähe, nicht sicht- aber hörbar, arbeiten zwei Harvester. In regelmäßigen Abständen ist das Brechen von Ästen und das Aufschlagen von Bäumen auf dem Boden zu vernehmen. Die großen Holzerntemaschinen sind seit Mai im Dauereinsatz im Stadtwald, um vom Borkenkäfer befallene Bäume – vor allem Fichten – zu fällen und aus dem Wald zu holen. So soll verhindert werden, dass sich der Schädling noch stärker ausbreitet. Ein aussichtsloser Kampf. „Die Realität ist: In zwei Jahren steht hier keine Fichte mehr und wir können es nicht aufhalten, höchstens hinauszögern“, sagt er.

Stadtförster David Scheuthle entfernt ein Stück Rinde einer   noch grünen  Fichte.  Im Innern ist sie  bereits abgestorben.       -  Stadtförster David Scheuthle entfernt ein Stück Rinde einer   noch grünen  Fichte.  Im Innern ist sie  bereits abgestorben.
Foto: Borst | Stadtförster David Scheuthle entfernt ein Stück Rinde einer noch grünen Fichte. Im Innern ist sie bereits abgestorben.

15.000 Fichten bisher betroffen

150 bis 200 Festmeter Holz fällen die Harvester jeden Tag. Rund 15.000 Fichten (10.000 Festmeter Holz) sind seit Mai dem Schädling zum Opfer gefallen, abgestorben und mussten gefällt werden. „So macht einem die eigene Arbeit keinen Spaß“, meint Scheuthle. Rund 13 Prozent des Baumbestandes in den städtischen Wäldern sind Fichten . Eigentlich, so erklärt er, müssten sämtliche Fichtenbestände einmal in der Woche auf einen Befall hin kontrolliert werden. Die Förster suchen nach Bohrmehl am Fuß des Baumes. Dieses rieselt herunter, wenn sich der bis zu zwölf Millimeter lange Borkenkäfer in die Rinde frisst.

Bohrmehl am Stamm zeigt den Förstern an, ob ein Baum befallen ist.       -  Bohrmehl am Stamm zeigt den Förstern an, ob ein Baum befallen ist.
Foto: Benedikt Borst | Bohrmehl am Stamm zeigt den Förstern an, ob ein Baum befallen ist.

Auch Buchenbestände sterben ab

Gesunde Bäume können sich gegen den Schädling wehren, indem sie die Käfer in Harz einschließen. Aber: Durch die extreme Trockenheit der vergangenen Sommer sind die Bestände angeschlagen und die Bäume leichte Opfer. Dieser nistet sich unter der Rinde ein, vermehrt sich hunderttausendfach und frisst sich durch die Wasserleitbahnen des Baumes, was die Pflanze zum Absterben bringt. Sei ein Baum erst einmal befallen, sei keine Rettung mehr möglich, so der Stadtförster.

Schutz gibt es nur für die umliegenden Bäume. Wird ein Baum gefällt und aus dem Wald geholt, bevor die Larven ausgewachsen sind und ausfliegen, können sie den Bestand nicht angreifen. In der Realität sind das eher seltene Erfolge. „Wenn ich im Wald bin und einen grünen, offenbar gesunden Bestand kontrolliere, kann es sein, dass derselbe in drei Wochen braun und abgestorben ist“, schildert er den Alltag im Forst.

In Poppenroth: Die Fichten links waren vor kurzem noch grün, aber bereits befallen. Jetzt sind sie braun und tot. Den Bäumen rechts wird es  bald ebenfalls so ergehen.       -  In Poppenroth: Die Fichten links waren vor kurzem noch grün, aber bereits befallen. Jetzt sind sie braun und tot. Den Bäumen rechts wird es  bald ebenfalls so ergehen.
Foto: Benedikt Borst | In Poppenroth: Die Fichten links waren vor kurzem noch grün, aber bereits befallen. Jetzt sind sie braun und tot. Den Bäumen rechts wird es bald ebenfalls so ergehen.

Überleben junge Bäume?

Sorgen bereiten Scheuthle aber nicht nur die Fichten und andere Nadelbäume wie Douglasien, Lärchen und Kiefern , sondern auch die Buchenbestände. Die Buchen leiden ebenfalls unter der extremen Trockenheit der letzten Jahre, was sie wiederum anfällig für Schädlinge macht. „Wir haben aktuell 500 Hektar schwer beschädigte Bestände“, bilanziert er. Manche könnten sogar nicht mehr betreten werden, weil es dort wegen potenziell herunterfallender Äste zu gefährlich ist.

„Eine große Stärke des Stadtwaldes ist seine Artenvielfalt“, lobt Scheuthle die Weitsicht früherer Förstergenerationen. „Wenn wir die Fichten verlieren, ist das nicht zu schlimm“, meint er mit Blick auf das große Ganze. Dort, wo die Fichten und Buchen sterben, sind oft junge Bäume als Vorwald vorhanden. Eine Kahlfläche werde es also nicht geben. „Aber wir wissen nicht, ob diese Baumarten die klimatischen Bedingungen überleben“, so der Förster. Klare Antworten, welche Arten sich in Zukunft bei uns durchsetzen werden, gibt es nicht.

Baumsterben: Ein enormer Schaden

Der betriebswirtschaftliche Schaden ist für die Stadt enorm. Die Menge, die bisher seit Mai an Fichten gefällt werden musste, übersteigt bereits das, was normal pro Jahr an Wertholz eingeschlagen wird. Für Wertholz sind Preise von 90 bis 110 Euro pro Festmeter möglich, rechnet der Stadtförster vor. Für die abgestorbenen Fichten sind es derzeit nur rund 15 Euro. „Noch legen wir nicht drauf, aber wenn es so weitergeht, wird es so sein“, sagt er.

Weil die Masse an Kalamitätsholz aktuell schlecht zu verkaufen ist, lagert die Stadt es in der ehemaligen Kaserne in Holzquarantäne. Holzquarantäne heißt: Sollten sich noch lebende Borkenkäfer in den Stämmen befinden, ist der nächste Wald zu weit weg, als dass sie ihn erreichen und dort ausbreiten können.

In der ehemaligen Kaserne sind die Fichtenstämme in Holzquarantäne.       -  In der ehemaligen Kaserne sind die Fichtenstämme in Holzquarantäne.
Foto: Harald Beyer | In der ehemaligen Kaserne sind die Fichtenstämme in Holzquarantäne.

Wald kühlt Bad Kissingen im Sommer

Der Stadtförster betont die wichtigen Funktionen, die der Wald übernimmt, gerade für Bad Kissingen als Kurort. Er kühlt die Stadt im Sommer um zwei Grad ab, ist ein wichtiger CO2- und Wasserspeicher, bietet Lebensräume für Pflanzen und Tiere und dient den Menschen zur Erholung und als Therapieort: Rund 80 Kilometer Wanderwege laufen durch städtische Wälder. Um den Wald zu erhalten, muss die Stadt handeln. Dabei hilft jetzt ein neues Förderprogramm des Bundes, „klimaangepasstes Waldmanagement“. 1,34 Millionen Euro erhält die Stadt dafür in den nächsten 20 Jahren.

1,34 Millionen Euro Förderung für den Wald

„Wir erleben eine stille Revolution in den Wäldern“, sagt Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ). Bad Kissingen gehöre zu den 20 größten kommunalen Waldbesitzern in Bayern. Es stelle sich die Frage, wie mit dem Wandel umzugehen ist. Ein Patentrezept gebe es nicht. Deshalb sei es wichtig, verschiedene Wege auszuprobieren. Dabei hilft das Förderprogramm.

Scheuthle erläutert, wieso: Fünf Prozent des Stadtwaldes – kleinere Areale, auf denen jetzt die Bäume sterben – werden aus der Nutzung genommen und in den nächsten 20 Jahren sich selbst überlassen. „Wir überlassen es der Natur, dass dort wieder ein Wald entsteht“, sagt der Förster. Die Hoffnung: Der Naturwald ist besser an die sich wandelnden Klimabedingungen angepasst. Weiterhin werden mit der Förderung dort junge Bäume gepflanzt, wo zu erwarten ist, dass die Bestände die nächsten Jahre nicht überleben werden. Zudem sollen Kahlflächen aufgeforstet und Projekte zum Erhalt von Wasser umgesetzt werden.

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