
Es sind zwei Neuigkeiten auf einmal. Erstens: Im Landkreis Bad Kissingen gründet sich aktuell eine Bürger-Energiegenossenschaft, die die lokale Energiewende voranbringen will und die dazu beitragen soll, dass Bürger an Grünem Strom mitverdienen. Die „BürgerEnergieGenossenschaft Landkreis Bad Kissingen eG“. Nachricht zwei: Die Genossenschaft ist noch nicht einmal offiziell eingetragen, schon gibt es Ärger um sie. Ausgerechnet der Landkreis Bad Kissingen geht dagegen vor.
Projekt soll nicht Namen des Landkreises verwenden
Der Redaktion liegt ein Schreiben aus der Geschäftsleitung des Landratsamtes vor, unterzeichnet vom stellvertretenden Landrat Emil Müller (CSU), das an Vertreter der Genossenschaft sowie an alle Bürgermeister im Landkreis verschickt wurde. Das Landratsamt fordert dazu auf, nicht den Namen des Landkreises zu verwenden, „da der Landkreis nicht beteiligt ist“.
Zudem wird hingewiesen, dass der Kreis mit 23 Kommunen an der Gründung eines Regionalwerks arbeitet – also an einem regionalen Energieversorger in öffentlicher Hand – und man den Zeitpunkt, eine Energiegenossenschaft zu gründen, für nicht optimal halte. Ferner wird das Befremden geäußert, dass der Landkreis an dem genossenschaftlichen Projekt nicht beteiligt ist.
Jeder darf gründen
Das Landratsamt ist zugleich kommunale, als auch staatliche Behörde. Inwiefern darf sich die öffentliche Hand in eine private, genossenschaftliche Initiative einmischen? Die Gründung verhindern kann sie nicht, sagt Johannes Bohl, Anwalt für Verwaltungsrecht aus Würzburg und Lehrbeauftragter an der TH Würzburg-Schweinfurt. „Jeder kann eine Genossenschaft gründen, das ist eine rein freiwillige Sache“, erklärt er.
Vorfahrt für den Landkreis?
Die Aussage, dass die Gründung als nicht zielführend erachtet wird, sei keine rechtliche, sondern eine politische, die in Zusammenhang mit dem eigenen Regionalwerk stehe. „Ich kann nicht erkennen, dass der Landkreis eine Handhabe dagegen hätte, dass die Bürger eine ähnliche Initiative betreiben“, sagt er. Und er kritisiert: „Woher nimmt der Landkreis die Position, dass ihm der Vortritt gebührt?“
Namensrecht
Anders schaut es bei der Forderung aus, den Namen nicht zu verwenden. „Der Landkreis Bad Kissingen kann zu Recht verlangen, dass der Zusatz, Landkreis Bad Kissingen ’ aus der Firmierung der Genossenschaft zu löschen ist“, sagt Christoph Graeber, Anwalt für gewerblichen Rechtsschutz aus Würzburg. Dies beruhe auf dem Namensrecht nach dem BGB, das dem Landkreis zusteht.
Daraus ergeben sich auch Unterlassungsansprüche. „Der Landkreis ist nicht an der eG beteiligt, sodass hier auch eine namensrechtliche maßgebliche Irreführung vorliegt“, so die Einschätzung des Juristen.
Genossenschaft will kooperieren
Thomas Weißenfeld aus Bad Brückenau ist der Vorstandsvorsitzende der neuen Bürgerenergiegenossenschaft. Er bewertet das Schreiben von oberster Stelle des Landratsamtes sachlich. „Das ist ein Eingriff in die freie Wirtschaft“, sagt er. Grundsätzlich wolle er das Thema jedoch nicht zu hoch hängen. Er spricht von einem „Sturm im Wasserglas“, der sich inzwischen wieder gelegt habe.
Das Schreiben wurde Anfang Juni verschickt. Seitdem habe er mehrere Gespräche mit Bürgermeistern geführt und es werde ein Treffen mit Landrat Thomas Bold (CSU) nach den Sommerferien geben. Es gebe Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten. „Es wird eine Kooperation geben. Da muss man auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Es kann nur gemeinsam gehen“, betont er.
Geringe Namensänderung
Für die Forderung in Bezug auf den Namen zeigt er Verständnis. Der Name soll abgeändert werden, damit klar wird, dass es lediglich um die Verortung der Genossenschaft geht. „Wir werden den Namen etwas verändern in, Bürgerenergiegenossenschaft im Landkreis Bad Kissingen ’“, schlägt er vor. Die Bürgerenergiegenossenschaft sei auf eine gute Zusammenarbeit mit Landkreis und Kommunen angewiesen, weil diese die Flächen besitzen, die die Genossenschaft für Photovoltaik-Parks und Windkraftanlagen benötigt.
Weißenfeld sieht die Genossenschaft nicht in Konkurrenz zum geplanten Regionalwerk. Beide Vorhaben ergänzen sich. „Wir sind ein Baustein für die Energiewende im Landkreis“. Aus wirtschaftlicher Sicht geht es bei beiden Projekten darum, dass das Geld, das mit der Erzeugung von Grünem Strom verdient wird, im Landkreis bleibt und nicht an große Energieunternehmen außerhalb abfließt.
Keine Konkurrenz zu Regionalwerk
Gleichzeitig betont Weißenfeld: „Wir sind freie Wirtschaft und können freier handeln.“ Einem kommunalen Energieversorger wie dem Regionalwerk seien beim Investitionsvolumen in neue Anlagen Grenzen gesetzt, weil das Budget von der Finanzkraft der beteiligten Kommunen und des Landkreises abhänge.
Der Region fehle es an Wirtschaftskraft, der Kreis und viele Kommunen sind oder waren auf Stabilisierungshilfen des Freistaates angewiesen. „Wir haben als Bürgerenergiegenossenschaft eine viel breitere Basis, um Gelder zu akquirieren“, argumentiert er.
Landkreis rudert zurück
In seiner Stellungnahme rudert das Landratsamt zurück. Zur Frage, warum der Landkreis nicht will, dass die Genossenschaft im Namen den Zusatz Landkreis Bad Kissingen verwendet, heißt es: „Es geht keinesfalls um eine Untersagung – wir geben in unserem Schreiben einen klaren Hinweis, dass die Namensführung unter dem Titel, Landkreis Bad Kissingen ’ irreführend ist, da der Landkreis als solcher nicht eingebunden ist“, schreibt Pressesprecherin Anja Vorndran. Der Name erwecke den Eindruck, der Kreis sei federführend eingebunden.
Des Weiteren betont sie: „Der Landkreis begrüßt generell alle Bürgerprojekte!“ Der Landkreis wiederholt sein Befremden, dass weder Kommunen noch Landkreis in die Überlegungen zur Gründung einbezogen wurden. Dass der Kreis ein Vortrittsrecht für das Regionalwerk in Anspruch nehmen möchte, wird zurückgewiesen. „Wir begrüßen jede Initiative und Bürgerbeteiligung “, so die Sprecherin.
29 Gründungsmitglieder
Gründungsabend der Genossenschaft war laut Vorstandvorsitzenden Thomas Weißenfeld der 25. Mai 2023. Insgesamt 29 Bürger waren als Gründungsmitglieder beteiligt, aktuell sind 50.000 Euro Kapital als Einlage zugesagt. Als Ideengeber angestoßen haben das Projekt die Klimaschutzmanager von Münnerstadt, Stefan Richter, und von Hammelburg, Philipp Spitzner. Die Genossenschaft wird von Weißenfeld als Vorstandsvorsitzenden und Max Schaub als Vorstand geführt. Dazu gibt es einen Aufsichtsrat aus sechs Personen, dessen Vorsitz Franz Zang übernimmt.
Gespräche mit Kommune
Die Genossenschaft hat bereits ein erstes Projekt, das sie realisieren möchte. „Wir haben Gespräche mit einer Kommune im Landkreis geführt, die zwei Flächen mit Photovoltaikanlagen bestücken will“, berichtet Weißenfeld. Es geht um ein Areal von insgesamt 6,5 Hektar und einen Investitionsbedarf von geschätzt 6,5 Millionen Euro. Aktuell wird kalkuliert, ob und wie der Bürger-Photovoltaikpark wirtschaftlich rentabel ist und wie er finanziert wird. Der Vorstandsvorsitzende ist aber optimistisch: „Es sieht gut aus. Ich denke, das rechnet sich auf jeden Fall“, sagt er.
Stromgewinne bleiben vor Ort
Ziel der Bürger-Energiegenossenschaft im Landkreis Bad Kissingen ist es, die lokale Energiewende voranzutreiben. „Sinn und Zweck ist es, den Strom da zu erzeugen, wo er gebraucht wird“, erklärt Weißenfeld. Die Bürger an den Projekten zu beteiligen, demokratisiere die Energiewende und sorge dafür, dass die Gewinne in der Region bleiben und nicht von Unternehmen von außerhalb abgeschöpft werden.
Die Genossenschaft werde dort, wo sie Anlagen betreibt, eigene Betriebsgesellschaften gründen. „Die Gewinne und die Gewerbesteuern fallen dann dort an. So werden auch die Kommunen an den Stromgewinnen beteiligt“, sagt er. Die Bürger, die sich an der Genossenschaft beteiligen, erhalten Dividenden ausgeschüttet. Dadurch, dass sie finanziell von Windrädern und Solarpark profitieren, anstatt sie einfach nur vor die Nase gebaut zu bekommen, steige auch die Akzeptanz der Anlagen und der Energiewende .
Erfolgsmodell Genossenschaft
Weißenfeld betont, dass solche Bürgerprojekte sich andernorts bereits gut etabliert haben – etwa in den Haßbergen. „Die Genossenschaften sind Erfolgsgeschichten. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir auch hier im Landkreis schreiben“, findet er. Beginnen soll diese Erfolgsgeschichte mit einem 6,5 Hektar großen Solarpark.
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