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Bad Kissingen
Bad Kissingen: Die Familiengeschichte hinter der unbekannten Stadtvilla
Seit kurzem ist das Anwesen Kurhausstraße 43 ein Denkmal. Zu seiner Geschichte war bisher wenig bekannt. Die Enkelin des Erbauers erinnert sich - und gibt spannende Einblicke in die Stadtgeschichte.
Die Stadtvilla in der Kurhausstraße 43 steht unter Denkmalschutz. Das Archivfoto links zeigt sie im Winter 1940, rechts wie sie heute aussieht.       -  Die Stadtvilla in der Kurhausstraße 43 steht unter Denkmalschutz. Das Archivfoto links zeigt sie im Winter 1940, rechts wie sie heute aussieht.
Foto: Familienarchiv Dölger/ Benedikt Borst | Die Stadtvilla in der Kurhausstraße 43 steht unter Denkmalschutz. Das Archivfoto links zeigt sie im Winter 1940, rechts wie sie heute aussieht.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 22.11.2024 02:41 Uhr

Stadtgeschichte bewegt. Unlängst hat unsere Zeitung über die Stadtvilla in der Kurhausstraße 43 berichtet. Das Anwesen zählt zwar nicht zu den bekannten hiesigen Kurhäusern, dennoch hat das Landesamt für Denkmalpflege es unter Denkmalschutz gestellt - zum einen wegen des namhaften und für Bad Kissingen bedeutenden Architekten Franz Krampf. Und zum anderen, weil auch im Innern noch alles im Original erhalten ist: ein Spiegel der großbürgerlichen Wohnkultur zu Ende des Deutschen Kaiserreichs und ein Zeugnis des Kissinger Kunsthandwerks.

Josef Dölger, der unbekannte Baumeister

Zur Geschichte des 1913 errichteten Anwesens war in den Archiven nicht viel zu finden. Auf den Artikel hin haben sich aber Leser bei unserer Redaktion gemeldet und Hinweise gegeben. Eine davon ist Winifred Distler, geborene Dölger.

Winifred Distler geb. Dölger       -  Winifred Distler geb. Dölger
Foto: Benedikt Borst | Winifred Distler geb. Dölger

Die 85-Jährige ist die Enkelin von Josef Dölger (1868 - 1921), der die Villa für sich und seine Familie als Wohnhaus hat bauen lassen. "Mein Großvater war Baumeister mit eigener Baufirma und Architekten", erzählt sie. Dölger war als junger Mann unter anderem in München tätig, wo er auch den berühmten Architekten Max Littmann kennenlernte. Mit Littmann sollte er später in Bad Kissingen an wichtigen Projekten zusammenarbeiten.

Josef Dölger wirkte als Baumeister in Bad Kissingen       -  Josef Dölger wirkte als Baumeister in Bad Kissingen
Foto: Familienarchiv Dölger | Josef Dölger wirkte als Baumeister in Bad Kissingen

Nach der Tätigkeit in München zog es Josef Dölger beruflich wie auch privat mit seiner Frau Jakobine und den Kindern erst nach Kulmbach und dann weiter nach Bad Kissingen. Etwa um 1909 herum zog die Familie nach Bad Kissingen. "Vorher reiste er viel mit einer Pferdedroschke zwischen Bad Kissingen und Kulmbach hin und her", weiß Distler aus Familienerzählungen. 

Die Familie Dölger um 1913       -  Die Familie Dölger um 1913
Foto: Familienarchiv Dölger | Die Familie Dölger um 1913

Bau an Regentenbau und Wandelhalle

Josef Dölger lebte mit seiner Familie zunächst im heutigen Anwesen Kurhausstraße 39. "Das Haus mochte er nicht leiden, deshalb hat er die Villa in der Kurhausstraße 43 gebaut", berichtet die Enkelin. Hinter dem repräsentativen Wohnhaus ließ der Baumeister zudem noch ein kleineres Anwesen für Angestellte der Firma verwirklichen (heute: Kurhausstraße 41). Genaugenommen handelt es sich bei dem Bereich also um ein Ensemble aus drei Dölger-Gebäuden: 39, 41 und 43, die sich von der Kurhausstraße bis hoch zu den Bahngleisen ziehen.

Dölger arbeitete mit Littmann unter anderem am Regentenbau (1911 - 1913) sowie der Wandelhalle (1910 - 1911). Beide Gebäude sind heute Wahrzeichen der Kurstadt und gehören zum Herzen des Kissinger Welterbes. "Mein Großvater war spezialisiert auf Schornsteine und Fundamente", erzählt Distler. Wegen des Fachwissens um Fundamente und dem schwierigen Baugrund über den Heilquellen habe Littmann den Baumeister für den Regentenbau beauftragt. In einer Architektur-Zeitschrift aus Berlin aus dem Jahr 1913 wird erwähnt, dass Dölger den Rohbau des Regentenbaus realisiert hat. Im Familienarchiv findet sich zudem eine alte Ansichtskarte, die Dölger ebenfalls als Baumeister des Regentenbaus benennt. Laut Distler verwirklichte ihr Großvater zudem weitere Kurvillen, aber auch Wohnhäuser in der Stadt, etwa in der Kurhaus- und der Bismarckstraße.

Ansicht vom Regentenbau. 'Erbaut von Jos. Dölger, Baumeister'       -  Ansicht vom Regentenbau. 'Erbaut von Jos. Dölger, Baumeister', erinnert an die Tätigkeit Dölgers am Kissinger Wahrzeichen, dem Regentenbau
Foto: Familienarchiv Dölger | Ansicht vom Regentenbau. "Erbaut von Jos. Dölger, Baumeister", erinnert an die Tätigkeit Dölgers am Kissinger Wahrzeichen, dem Regentenbau

 Quartier für amerikanische Offiziere

Josef Dölger starb jung, im Alter von 53 Jahren. Der Großteil der Familie blieb bis zum Zweiten Weltkrieg in der Kurhausstraße 43 wohnen. Auch ein Mitglied der in Kissingen berühmten Apothekerfamilie Boxberger habe vor dem Krieg in einer Wohnung in dem Objekt gelebt. "Nach dem Krieg war das Haus von amerikanischen Offizieren besetzt", erinnert sich Distler. Nur in der Kellerwohnung durfte ein Familienmitglied der Dölgers leben - eine Cousine - weil der Vater für die Amerikaner arbeitete. 

Großmutter Jakobine und die Kinder bewohnten nach dem Krieg das Anwesen Kurhausstraße 41. Winifred Distler selbst ist 1938 in Stettin im heutigen Polen geboren und erst nach einige Zeit dem Krieg als Heimatvertriebene mit Mutter und Bruder zum Rest der Familie nach Bad Kissingen zurück und in der 41 untergekommen.  Der Vater Friedrich Wilhelm Dölger (1906 - 1990),  war bereits 1946 nach Bad Kissingen vorausgegangen. "Mein Vater hatte dort auch seine Firma eingerichtet", sagt sie. Als Jakobine Dölger 1952 starb, fielen das Anwesen 43 an eine Erbengemeinschaft und wurde schließlich veräußert. 

Weiter Wohn- und Geschäftshaus

Bis heute wurde die schöne Villa als Wohn- beziehungsweise Bürogebäude genutzt. Stephan Streller hatte ebenfalls den oben genannten Artikel gelesen und sich daraufhin bei unserer Zeitung gemeldet. "Ich habe dort mit meinen Eltern von 1969 bis 1994 gewohnt. Mein Vater war dort der Hausmeister", berichtet er. Eigentümer zu dieser Zeit sei ein Verleger mit Familiennamen Gerbert gewesen. Dessen Frankonia Verlag sei im ersten Obergeschoss untergebracht gewesen.

Bis vergangenen Herbst hatte die Bad Kissinger Firma Pro Care Management in dem Gebäude ihren Firmensitz, inzwischen ist dort unter anderem ein Versicherungsbüro beheimatet. 

 
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