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LKR Bad Kissingen
Pflege: Wann es zu Klagen kommt
Sei es die Einstufung des Pflegegrades oder wenn die Schenkung des Hauses zum Problem wird: Ein Kissinger Anwalt spricht über Klagen in diesem Themengebiet.
Alle wichtigen Regelungen zur Pflegeversicherung finden sich im im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI).       -  Alle wichtigen Regelungen zur Pflegeversicherung finden sich im im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI).
Foto: Zerbor - stock.adobe | Alle wichtigen Regelungen zur Pflegeversicherung finden sich im im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI).
Ellen Mützel
 |  aktualisiert: 30.09.2024 15:25 Uhr

Wenn es Probleme rund um das Thema Pflege gibt, kommen die Leute zu Heiko Weidenthaler. Er ist der einzige Fachanwalt für Sozialrecht im Landkreis Bad Kissingen.

Alle wichtigen Regelungen zur Pflegeversicherung finden sich im Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI). Laut dem Bundesministerium für Gesundheit wurde die Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eingeführt.

Pflegeversicherung ist eine „Teilleistungsversicherung“

„Wichtig zu wissen ist, dass diese Pflegeversicherung keine Vollkasko-, sondern nur eine Teilleistungsversicherung ist“, erklärt Weidenthaler. Das heißt, sie erstattet nur Festbeträge. Je nachdem, ob die zu pflegende Person zu Hause von Angehörigen gepflegt wird, ob das ein ambulanter Pflegedienst übernimmt, oder die Person bereits stationär in einem Heim ist, zahlt die Pflegeversicherung unterschiedliche Festbeträge.

Diese steigen je nach Pflegestufe. Zusätzlich gibt es Beträge für Hilfsmittel wie etwa ein Pflegebett oder Windeln, die die Kosten zum Teil decken. „Den Rest der Kosten muss man selbst aufbringen. Wenn man das nicht kann, tritt die Sozialverwaltung ein“, weiß Weidenthaler.

Anwalt Heiko Weidentahler       -  Anwalt Heiko Weidentahler
Foto: Ellen Mützel | Anwalt Heiko Weidentahler

Hilfe durch Sozialverwaltung

Die Sozialverwaltung liegt beim Bezirk Würzburg. „Grundsätzlich kommt dabei nur das Vermögen der zu pflegenden Person – und gegebenenfalls des nicht getrenntlebenden Ehepartners in Betracht. Unterhaltspflichtige werden nur belangt, wenn sie über ein Einkommen von über 100.000 Euro verfügen.“

Insgesamt erhalten aktuell 347 Leistungsberechtigte im Landkreis Unterstützung, davon 339 Personen im Heim und nur acht Personen, die ambulant versorgt werden.

Viele Fälle zur Einstufung des Pflegegrads

Von all den Fällen, die der Anwalt behandelt, sind es im Jahr etwa 20 Fälle rund um das Thema Pflege. Ein Punkt ist dabei die Einstufung des Pflegegrades (früher: Pflegestufe). Denn: Je Höher der Pflegegrad, desto mehr Geld bekommt die zu pflegende Person.

Interessant sei die Schwelle von Stufe 1 auf 2, weil erst mit Stufe 2 die finanziellen Leistungen beginnen. Als sehr positiv erwähnt Weidenthaler das Pflegestärkungsgesetz, durch das die Demenzerkrankung in der Bewertung des Pflegegrades viel mehr berücksichtigt wird.

Pflegehilfsmittel oder Wohnungsumbau: Muss notwendig sein

In den Themenbereich fällt auch die Frage, ob eine Person bestimmte Pflegehilfsmittel, beispielsweise ein Pflegebett oder einen Rollator, bekommt. „Hier geht es nicht darum, ob es nützlich ist, sondern ob es notwendig ist."

Ähnlich verläuft es mit Zuschüssen für den barrierefreien Wohnungsumbau. „Ich habe derzeit einen Fall, da geht es um den ebenerdigen Einstieg in ein Bad. Da heißt es, das sei medizinisch nicht notwendig. Dagegen haben wir jetzt geklagt.“ 

MDK übernimmt Einstufung

Die Einstufung bei gesetzlich Versicherten übernimmt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). „Bei der Bewertung wird nicht geschaut, ob ich noch sozial vernetzt bin oder ins Kino kann, sondern nur, ob ich mich zu Hause selber versorgen kann.“

Klagen Mandanten, weil sie ein Hilfsmittel oder eine höhere Pflegestufe verweigert bekamen, zieht der Richter sich einen ärztlichen Gutachter hinzu, der die Sachlage erneut prüft. Zudem holt der Richter sich die ärztlichen Unterlagen ein. Spricht auch diese Prüfung gegen den Kläger, lasse sich nicht mehr viel erreichen.

„Aber“, betont Weidenthaler, „Die Gutachten, die das Gericht einholt, sind meines Erachtens sehr gut und auch fair.“ Wer dennoch mit dem Ergebnis unzufrieden ist, hat die Möglichkeit, auf eigene Kosten ein drittes Gutachten einzuholen.

Wenn die Heimkosten nicht bezahlbar sind

Wie bereits beschrieben, erhalten zu Pflegende je nach Pflegegrad einen Festbetrag – für eine Person mit Pflegegrad 4 wären das derzeit 1.775 Euro in vollstationärer Pflege. Für den Rest muss die zu pflegende Person selbst aufkommen.

„Bei den meisten ist es so, auch wenn die Rente miteinbezogen wird, reicht es nicht. Da muss dann der Sozialhilfeträger aushelfen, also der Bezirk Unterfranken“, sagt Weidenthaler. Seit dem Angehörigenentlastungsgesetz kommen Kinder als Unterhaltsschuldner erst in Betracht, wenn Sie über 100.000 Euro brutto verdienen. Ihr Vermögen bleibt dabei außen vor.

Schenkung des Hauses problematisch

Was bei dem Anwalt immer wieder aufschlägt: Kann die zu pflegende Person die Heimkosten nicht allein tragen, betrachtet der Sozialhilfeträger die vergangenen zehn Jahre vor dem Antrag auf Unterstützung. Hat die Person in dieser Zeit etwa ihr Haus an ihre Kinder verschenkt, kann der Bezirk dieses Geld zurückfordern.

Beim Verkauf müsse man darauf achten, dass der Preis angemessen ist. „Verkaufe ich mein Haus, das 400.000 Euro wert ist, für 200.000 Euro an die Kinder, dann ist es ein Kauf auf dem Papier, aber eigentlich eine gemischte Schenkung.“ Diese könnte sich der Bezirk zurückholen.

Was nicht als Schenkung zählt, erklärt Weidenthaler an einem Fall, den er jüngst behandelte: Hier hatte ein Kind das Haus mit Restschulden übernommen und zusätzlich ein Wohnrecht für die Eltern im Haus. „Wenn das Haus 400.00 Euro wert ist, durch das Wohnrecht nur noch 200.000 Euro und 200.000 Euro Schulden übernommen wurden, dann ist es faktisch keine Schenkung.“

Wie verläuft es bei einer Auszahlung?

Zu diesem Komplex stellt sich Weidenthaler auch die Frage, wie es gehandhabt wird, wenn Kind A das Haus geschenkt bekommt und Kind B auszahlt. Wenn dann die Schenkung rückgängig gemacht wird, was passiert mit dem ausbezahlten Geld?

„Dazu habe ich noch von keinem Richter eine Antwort erhalten. Das ist wohl nicht praxisrelevant. Wobei es das ja schon ist, das passiert ja ständig.“ Selbst habe er einen solchen Fall auch noch nicht durchgefochten.

Buchungen der vergangenen zehn Jahre überprüft

Womit er auch oft zu tun hat: „Wenn die Mutter oder der Vater ins Heim muss, und der Sozialhilfeträger für die Kosten einspringen soll, überprüft die Behörde alle Buchungen der vergangenen zehn Jahre über 1200 Euro .“ Haben die Angehörigen beispielsweise das Geld auf dem Konto unter sich aufgeteilt, wird das spätestens bei der Prüfung zum Problem. Alle Buchungen, die nicht erklärbar sind, kann das Amt anrechnen.

Hierzu erklärt Weidenthaler noch eine Problematik: „Angenommen, es gibt eine Buchung über 5000 Euro , die Angehörige nicht erklären können. Also warten sie ein Jahr mit dem Antrag auf Unterstützung, weil nach einem Jahr das Geld sowieso aufgebraucht wäre.“

Doch die Krux ist: Das Bundessozialgericht sagt, es gibt im Sozialhilferecht keinen fiktiven Verbrauch. Heißt: Diese 5000 Euro ständen auch im kommenden Jahr wieder zur Diskussion.

Utnerschiede zu zivilen Verfahren beim Sozialrecht

Zuletzt geht der Fachanwalt noch auf Gerichtsverfahren im Sozialgericht ein: Ein Unterschied zu zivilen Klagen: Das nächste Sozialgericht ist in Würzburg. Es ist für den Bereich Unterfranken zuständig. Als nächste Instanz gibt es das Landessozialgericht in München mit Außenstelle in Schweinfurt.

Im Zivilrecht laufe ein Verfahren so ab, dass Klagende ihre Argumente vortragen müssen und aufgrund dieser entschieden wird. Zudem gibt es gewisse Fristen, werden nach dieser noch Argumente vorgetragen, werden sie nicht mehr berücksichtigt. Das ist im Sozialrecht anders.

Und: „Im Sozialgericht gibt es die Amtsermittlung. Heißt: Klagende tragen ihre Argumente vor und anschließend ermittelt der Richter von Amtswegen den Sachverhalt.“

Keine Gerichtskosten für Klagende

Wenn er also merkt, dass da noch ein Argument für die klagende Person spricht, dann muss er das berücksichtigen. Genauso könne es aber auch sein, dass es auf der Gegenseite noch ein Argument gibt, das gegen die klagende Person spricht.

Das führe aber auch dazu, dass die Gerichtsverfahren etwas länger brauchen – rund ein dreiviertel Jahr. Ein weiterer Unterschied zu Zivilklagen: Es fallen keine Gerichtskosten an. Auch das eingeholte Gutachten ist kostenlos.

„Das Einzige, was Kläger zahlen, sind die Anwaltskosten , wenn sie verlieren.“ Dennoch würde der Anwalt nie raten, eine aussichtslose Klage zu machen. Grundlegend aber – und das macht sich an den wenigen Klagen im Bereich der Pflege bemerkbar – gebe es eher wenige Probleme mit der Arbeit von Pflege- und Krankenkassen sowie der Arbeit des MDK.

 

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