Mit einer „Freakshow“ präsentierte sich der Kissinger Kabarettherbst etwas neben dem, was der Besucher üblicherweise erwartet. Statt unterhaltsamer Comedy, zynischer Satire oder polarisierendem Polit-Kabarett zeigten Christopher Köhler und Lars Ruth als „Die Magier “ eine skurrile, teils makabre Zaubershow mit einer Mischung aus Taschenspieler-Tricks, Mental-Magie, Entfesselungskunst und Tricks mit Selbstverstümmlungspotential – gekonnt präsentiert mit Slapstick, einer witzigen Moderation und kräftiger Unterstützung aus dem Publikum .
Freaks, das sind diejenigen, die aus dem Rahmen des Alltäglichen fallen - so sehen sich auch die beiden Magier , die bei ihrer Show das übliche Spektrum der Zauberei hinter sich lassen. Was sind schon Kartentricks oder verschwundene weiße Kaninchen gegenüber einem langen Faden, den „Bad Boy“ Christopher verschluckt und unter Aufsicht von Publikums-Assistentin Carolina aus dem Auge wieder hervorzieht.
Durchbohrte Körperteile
Oder wenn er fünf Rasierklingen nacheinander auf die Zunge legt, diese und ein Meter Zahnseide verschluckt und dann die Rasierklingen auf der Zahnseide aufgereiht wieder aus dem Mund herauszieht – alles unter den wachsamen Augen von Carolina und per Kamera auf einem riesigen Monitor übertragen. Es verblüfft schon, wenn dabei nicht literweise Blut fließt, und der Besucher fragt sich, mit welchem Trick der Künstler diese Illusion ermöglicht.
Seinen Hang zur Selbstverstümmlung frönt er auch mit dem nächsten Mental-Experiment, wobei er den abgebrochenen Kopf einer zertrümmerten Cola-Flasche in eine von vier Papiertüten steckt, die dann durch Carolina mehrfach vertauscht und auf dem Bühnenboden gestellt werden. Mit dem nackten Fuß trifft er die Entscheidung, in welcher Tüte der Flaschenkopf versteckt ist.
Publikum leidet mit
Harry Houdini, der große Entfesselungskünstler des letzten Jahrhunderts, stand Pate, als sich Köhler mithilfe von Assistent Thomas in eine Zwangsjacke einschnüren ließ und sich daraus mit irrwitzigen Bewegungen innerhalb von zwei Minuten befreite. Körperbetont ging es weiter, denn die linke Ellenbogenbeuge musste für eine Schmerztherapie herhalten, als der „Freak“ Köhler sich eine Nadel durch das Unterhautgewebe stieß und viele im Publikum stellten sich die Frage, wie viel Ibuprofen in welcher Dosis davor nötig war. Gleiches gilt auch, für den acht Zentimeter langen Nagel, den er sich in die Nase schlagen ließ, diesen wieder hervorholte und wie seine Nasennebenhöhle mittlerweile aussieht.
„Wollt ihr Standard oder lieber Makabres?“ – diese anfangs gestellte Frage wurde in der zweistündigen Show von Köhler mit seinen Tricks beantwortet, wobei die 350 Gästen im Kissinger Kurtheater die Gruselmomente einerseits mit Applaus quittierten, sich andererseits aber auch mal die Hände vor den Augen hielten. Während Köhler den eher körperbetonten Teil der Bühnenshow bestritt, übernahm sein Mitstreiter Lars Ruth, der „Ghosthunter“, den eher magisch-mystischen Part. Sichtbares Hilfsmittel dabei war ein altägyptischer Mumienkopf, dessen Historie auf schaurig-schöne Art erzählt wurde, und dessen mentale Kraft bei der Gedankenübertragung gute Dienste leisten sollte.
Gedankenlesen mit Publikumsgästen
Der Mentalist hackte sich in die Gedanken von Publikums-Assistentin Anna ein und konnte somit eine identische Zeichnung erstellen, andererseits konnte er mit verklebten Augen drei Gegenstände beschreiben und benennen, die sich Anna vom Publikum hat geben lassen: einen Labello, eine Art Filzstift und eine Lesebrille. Alles ein wenig tricky, ein wenig unerklärlich - auch wie die freiwillig auf die Bühne gekommene Assistentin es schafft, auf einer Fantasiereise ins alte Ägypten drei auf lateinisch , alt-griechisch und aramäisch geschriebene Worte ohne entsprechende Sprachkenntnisse problemlos auf Deutsch vorzulesen.
Bernd, die „schwarze Seele aus dem Publikum “, darf den „Kreuz Buben“ als seine „Schicksalskarte“ als letzte von 52 Spielkarten aufdecken und sich damit über ein „ewiges Leben“ freuen, wogegen drei Damen ihre Gedanken den mentalen Fähigkeiten von Lars preisgeben, die sich um geometrische Figuren, Dänemark und Kopenhagen oder IKEA-Bankkarte mit PIN drehten. Dann war da noch Michaela, die mit „weiblicher Intuition“ bei den Karten mit den Todesfällen bei Elvis Presley endet und dann ein Foto von Elvis aus einem Umschlag zieht.
Sie machen es schon gut, die beiden Magier – manchmal etwas makaber, manchmal eher mystisch, aber immer sympathisch und mit einem kräftigen Schuss schwarzen Humors. Wie die Kunststücke funktionieren, ahnt der unbedarfte Zuschauer nicht. Ob da ein Knopf im Ohr eine Hilfe ist, ob da im Vorfeld die Assistenz ausgesucht wird – eigentlich unwichtig, denn Christopher Köhler und Lars Ruth standen für kurzweilige Unterhaltung und erhielten dafür auch einen begeisterten Schlussapplaus.
Sie interessiert der Kabarettherbst? Lesen Sie hier: