Am 1. Juli 2023 jährt sich der Geburtstag des Künstlers Heinz Kistler, der fast sein gesamtes Leben in Bad Kissingen verbrachte, zum 111. Mal. Zeit für eine kurze Rückschau.
Heinz Kistler wurde am 1. Juli 1912, am Vorabend des 1. Weltkrieges, im damals noch durch und durch kaiserlich-preußisch geprägten Berlin geboren. Im Jahr 1917 zog er mit seiner Mutter nach Bad Kissingen , wo bereits der Großvater und heute weitgehend in Vergessenheit geratene Komponist und Musiker Cyrill Kistler gelebt und gearbeitet hatte.
Der junge Kistler schloss die Schule und eine Malerlehre in Bad Kissingen ab, bevor er die Meisterschule für das deutsche Malerhandwerk in München besuchte und dort jenes Handwerkszeug erlernte, welches er später noch für die Schaffung zahlloser großflächiger Wandbilder, Mosaiken oder Sgraffitos verwenden sollte.
Die Leidenschaft zur Malerei führten ihn zwischen 1932 und 1937 zuerst an die Staatsschule für angewandte Kunst in München (bei Professor Josef Hillerbrand) und schließlich von 1938 bis 1939 an die Akademie der Künste (bei Prof. Julius Diez), ebenfalls in München.
Zu Fuß und mit dem Fahrrad
Nach dem Studium zog es Heinz Kistler zu Fuß und mit dem Fahrrad durch Deutschland, wo er sich der Landschafts- und Portraitzeichnung widmete.
Diese Lehr- und Wanderjahre zwischen 1934 und 1937 mit der genauen Betrachtung von Natur und Menschen sollten sein gesamtes späteres Werk beeinflussen. Erste Ausstellungen in München und Bad Kissingen folgten dieser intensiven Selbstfindungsperiode.
Den 2. Weltkrieg verbrachte Kistler hauptsächlich als Soldat in Frankreich und Polen, zuletzt gar in russischer Kriegsgefangenschaft . In dieser Zeit entstanden aussagestarke Werke über den Krieg, viele Studien und Skizzen gingen allerdings bei der Heimkehr aus Russland verloren.
Rückkehr nach Bad Kissingen
Nach seiner Rückkehr nach Bad Kissingen war Kistler aufgrund der allgemeinen Armut im frühen Nachkriegsdeutschland gezwungen, Auftragsarbeiten zur Gestaltung von Kunst am Bau, großflächigen Sgraffitos oder Wandgemälden in ganz Westdeutschland anzunehmen.
Mit Verbesserung der Wirtschaftslage konnte sich der Künstler wieder der künstlerischen Auseinandersetzung mit Landschaften und Portraits zuwenden.
Kistler auf Studienreisen
In den nächsten Jahren folgten Studienreisen nach Schweden, Italien, Island und in die Schweiz und der Maler Heinz Kistler fand mehr und mehr zu seinem bestimmenden Element: raue, von den Elementen der Natur zerklüftete Landschaften. Kistlers Lebenswerk sollte es sein, diese Naturgewalten ins Malerische zu transformieren.
Sein Mittel hierzu war der ihm zu Eigen gewordene, harte, expressionistische Pinselstrich, mit dem er zu Stein gewordene Urgewalten, Sturm und Eis darstellte, oder die grellen Farben vieler seiner Werke, mit denen er präzise Lichtstimmungen nachempfand.
Menschen der Rhön
In seiner Heimat in und um Bad Kissingen ist er zuallererst als der Maler der Rhön in Erinnerung geblieben. Er hielt die Menschen und die Landschaft seiner Heimat mit einer bemerkenswert dynamischen Formensprache und mit außerordentlich expressiven Farbflächen fest.
Die jahrtausendealte, zu Stein gewordene Energie der Vulkanlandschaft steht den leidenschaftlich charakteristischen Portraitstudien Rhöner Menschen wie dem Bauernmädchen, dem Dorfphilosophen oder dem Schützen gegenüber. Immer gezeichnet vom Einfluss von Natur, Wind , Wetter und harter Arbeit: ein expressionistisches Spiel von Kontrasten.
Verschollene Werke
Heinz Kistler verstarb am 4. November 2004 in Bad Kissingen . Er hinterließ seiner Nachwelt ein unglaublich aussagekräftiges und energiegeladenes Archiv Rhöner Landschaften und Portraits. Doch nicht nur das, auch die Werke, die er von seinen Reisen mitbrachte, verdienen ihren würdigen Platz im Gesamtwerk des Künstlers.
Man geht heute sogar davon aus, dass eine Vielzahl seiner verschollenen Werke aus dem Krieg wieder aufgefunden worden sind. Jedoch wurde dieser wertvolle, seinerzeit durch die nationalsozialistische Zensur als unwürdig gebrandmarkte Bildschatz mit Antikriegsrhetorik bis heute nicht wissenschaftlich erfasst und eingeordnet.
Kistlers Kunst am Bau der frühen 1950er Jahre dürfte wohl ebenfalls hier und da noch unerkannt und weitgehend vergessen an so mancher Hauswand ein Schattendasein fristen.
Bilder im Landratsamt Bad Kissingen
Kistlers Werke sind in zahlreichen deutschen Museen und Kunstsammlungen zu finden, sie sind in Tokio und Buenos Aires ausgestellt. Auf Auktionen erreichen Kistlers farbige Gemälde nicht selten mittlere vierstellige Beträge. Die in weit größerer Anzahl in Umlauf gebrachten, schwarz-weißen Lithografien jedoch schmücken bis heute die Wohnstuben vieler Familien im Landkreis und der Rhön.
Rhön, Landschaft, Beständigkeit. Das waren zeitlebens die Schlagworte des Erschaffers der Elementaren Landschaften. Im Jahre 2002 machte Kistler seiner Heimat ein Geschenk: er überließ dem Landkreis Bad Kissingen eine von ihm selbst kuratierte Zusammenstellung seiner Bilder als Dauerleihgabe. Die Dauerausstellung „Elementare Landschaft“ ist seitdem im Landratsamt zu besichtigen.
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