Den Fürstenhof haben viele in Bad Kissingen bereits komplett abgeschrieben. Zu lange ist dort nichts passiert – nichts von den großen Plänen in Richtung Luxusresort wurde bisher umgesetzt. Seit 19 Jahren ist das einstige Nobelhotel inzwischen geschlossen und verfällt. Zuletzt wurde es als Diabetes-Reha-Zentrum von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben.
Dr. Gerhard Schmeisl war damals der Chefarzt im Fürstenhof. „Ich war der letzte, der gegangen ist, ich habe zugeschlossen“, erinnert er sich. Im Keller, in dem die teuren Diagnostikgeräte standen, brachte er vor dem Abschied noch Schilder an, dass die Stecker nicht gezogen werden sollen, um die Geräte zu schützen.
Medizinische Vorreiterrolle
Die Arbeit in dem Diabetes-Zentrum hat er in guter Erinnerung. Ein gut ausgestattetes Team, das sich in kleinen Einheiten um die Patienten kümmerte – eine Vorreiter-Klinik für die Diabetes-Behandlung. Auch wenn sich das Modell wirtschaftlich am Ende nicht mehr getragen hatte, aus medizinischer Sicht, sei es ein Erfolg gewesen, sagt Schmeisl.
Und auch das Ambiente in dem Prachtbau trug seinen Teil dazu bei. „Die Patienten wollten nicht in eine moderne Klinik, sondern in den Fürstenhof“, sagt er. Wer kann schon von sich sagen, in Räumen zu genesen, in der früher der europäische Hochadel weilte. „Die Geschichte spielte sicher eine Rolle“, meint der Arzt.
Fürstenhof jetzt: Jahre des Stillstands
Auch Schmeisl hat seit dem Aus gehofft, dass der Fürstenhof wieder belebt wird. Ob das gelingt, ist ungewiss, wobei zuletzt nach langem Stillstand Bewegung in die Angelegenheit gekommen ist. Doch der Reihe nach: Nach der Schließung wurde das Areal 2008 an eine Eigentümergesellschaft mit Sitz in der Schweiz verkauft.
Die russische Investorengruppe hinter dieser „Fürstenhof SA“ will seitdem das einstige Nobelhotel sanieren und mit Accor-Hotels als Betreiber im gehobenen Sterne-Segment neu öffnen. Doch ein Baubeginn kam bisher nie zustande. Die unter Auflagen erteilte Baugenehmigung verfiel sogar im Jahr 2017.
Neue Pläne der Investorengruppe
Trotz aller Verzögerungen und Schwierigkeiten betonte die Fürstenhof SA immer wieder öffentlich, zuletzt war das gegenüber unserer Zeitung 2018, an dem Projekt festzuhalten – auch wenn zwischenzeitlich das Ensemble sogar anteilig zum Verkauf stand. Jetzt, fünf Jahre später, wurden die neuen Pläne der Investoren im Stadtrat öffentlich vorgestellt .
Der Fürstenhof thront am Westufer der Saale . Er liegt mitten im Zentrum des Welterbe-Schutzgebietes und gehörte einst zu den renommiertesten Hotels der Stadt. Dort nächtigten Gäste aus dem europäischen Großadel, wie etwa die Zarin von Russland (1864) und Prinzessin Hermine (1927), zweite Ehefrau von Kaiser Wilhelm II. Ein Blick in die mehr als 200-jährige Geschichte zeigt, dass der Fürstenhof schon immer ein wildes Auf und Ab erlebte. Doch er fiel weder Kriegswirren noch dem Lauf der Zeit zum Opfer: Seine Fassade präsentiert er heute noch so wie vor 140 Jahren.
Anfang als Gartenwirtschaft
Die Anfänge des Fürstenhofs reichen laut Aufzeichnungen des Stadtarchivs ins Jahr 1822 zurück. Bad Kissingen war damals nicht größer als die heutige Altstadt. Dort gab es keinen Platz für Gartenwirtschaften , die zu der Zeit aber in Mode kamen. Eines der frühesten Gebäude am jenseitigen Saaleufer war der Hirschheimer Garten, ein Lokal mit eben einer Gartenwirtschaft . In den folgenden Jahren wechselte das Restaurant öfter die Besitzer, wurde vergrößert und zum Hotel „Belle-Vue“ beziehungsweise „Hotel de Bariere“ ausgebaut.
Lazarett in Kriegszeiten
Den ersten großen Bruch markierte die Schlacht um Bad Kissingen im preußisch-bayerischen Krieg am 10. Juli 1866. Preußische Truppen hatten sich im Hotel verbarrikadiert und wurden von bayerischen Soldaten von der Ludwigsbrücke kommend unter Beschuss genommen. Das Gebäude bekam einiges ab, wurde außerdem geplündert. Das Mobiliar wurde dabei vernichtet. Es folgten der Wiederaufbau, mehrere Eigentümerwechsel und die Umbenennung in „Fürstenhof“.
1880 ging der Fürstenhof in den Besitz von Anna Gordon-Heilmann über, die es ihrem Neffen Franz Dürig übergab. Der Fürstenhof erhielt in dem Jahr im Wesentlichen sein heutiges Aussehen und etablierte sich endgültig als Nobelhotel. Ab 1906 übernahmen Dürigs Tochter Anna Sotier und ihr Mann Dr. Paul Sotier das Hotel und führten es erfolgreich während Bad Kissingens Weltbad-Zeit bis zum Ersten Weltkrieg. Während des Krieges wurde der Fürstenhof zum Lazarett umfunktioniert, danach führte Paul Sotier es als Sanatorium unter eigener ärztlichen Leitung. Sotier war ein anerkannter Mediziner und unter anderem Leibarzt von Kaiser Wilhelm II.
Heimatort für Flüchtlinge
Den nächsten großen Bruch markiert der Zweite Weltkrieg: Der Fürstenhof wurde über mehrere Jahre zweckentfremdet – zunächst wieder als Lazarett , ab Kriegsende war er von den amerikanischen Truppen besetzt und in den Jahren nach dem Krieg diente er als Unterkunft für Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Erst 1954 baute Anna Sotier den Fürstenhof wieder als Sanatorium auf.
Nach ihrem Tod 1958 übernahm Tochter Elisabeth Sotier die Geschicke, bis sie den Fürstenhof 1984 an die AWO verkaufte. Die AWO nutzte ihn ab 1988 zum Diabetes-Reha-Zentrum um. Aufgrund mehrerer Gesundheitsreformen und abnehmender Patientenzahlen war die Schließung 2004 nicht mehr abzuwenden. Seitdem harrt der geschichtsträchtige Prachtbau darauf, wieder zum Leben erweckt zu werden.
Immobiliendeal bringt Ex-OB ins Gefängnis
Auf unrühmliche Weise mit dem Fürstenhof verknüpft, ist der Name des früheren Bad Kissinger Oberbürgermeister Karl Heinz Laudenbach (2002 bis 2008). Das frühere Stadtoberhaupt hatte den Immobilienverkauf an die Fürstenhof SA eingefädelt und dabei eine Provision über 434.000 Euro erhalten. Das gilt als verbotene Vorteilsannahme. Zudem hatte er 317.000 Euro an Steuern hinterzogen. Laudenbach kam 2013 in Untersuchungshaft, wurde ein Jahr später zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Im Mai 2015 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.
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