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Bad Kissingen
Preisträgerin: „Wir müssen das bewahren“
Für ihr unermüdliches Engagement zur Erinnerung an das jüdische Leben in Bad Kissingen hat das Ehepaar Walter den „Obermayer Award“ erhalten.
Marlies und Rudolf Walter erzählen im Film von ihrer Arbeit.       -  Marlies und Rudolf Walter erzählen im Film von ihrer Arbeit.
Foto: Screenshot S. v. Dobschütz | Marlies und Rudolf Walter erzählen im Film von ihrer Arbeit.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 07.11.2023 16:18 Uhr

Seit 35 Jahren erforschen Marlies und Rudolf Walter das jüdische Leben in Bad Kissingen und betreuen Nachkommen früherer jüdischer Einwohner bei Besuchen in der Kurstadt. Am vergangenen Montag wurde das Ehepaar im Berliner Abgeordnetenhaus im Rahmen eines Festaktes dafür mit dem Obermayer Award ausgezeichnet.

Mit diesem vom amerikanischen Unternehmer und Wissenschaftler Arthur S. Obermayer (1931-2016) im Jahr 1999 gestifteten Preis werden Personen und Organisationen in Deutschland ausgezeichnet, die „aus dem Bekenntnis zur dunklen Vergangenheit ihres Landes sich für eine bessere Gegenwart und Zukunft einsetzen“. Marlies und Rudolf Walter sind nach Hans-Jürgen Beck (2013) schon die zweiten Preisträger des Obermayer Awards in Bad Kissingen .

"Außergewöhnliche Menschen"

„Es sind außergewöhnliche Menschen, die Außergewöhnliches leisten“, würdigte Judith Obermayer, Präsidentin der in Dedham (Massachusetts) ansässigen Obermayer-Stiftung, die ehrenamtliche Arbeit der Walters und weiterer fünf Preisträger zu Beginn des auch online ausgestrahlten Festaktes im Gespräch mit der Journalistin und Schriftstellerin Shelly Kupferberg, die als Moderatorin durch den Abend führte.

Es begann mit einer Ausstellung

Die außergewöhnliche Leistung von Marlies und Rudolf Walter begann vor 35 Jahren mit der Ausstellung „Jüdisches Leben in Bad Kissingen “, die der damalige Geschichtslehrer am Gymnasium im Sommer 1988 auf Anregung seines früheren Schülers Hans-Jürgen Beck anlässlich des 50. Jahrestages der Zerstörung der Kissinger Synagoge binnen weniger Wochen gemeinsam mit seinen Schülern organisierte. Eigentlich nur für kurze Dauer geplant, ist das Ergebnis noch heute als Dauerausstellung im Jüdischen Gemeindehaus (Promenadestraße) zu besichtigen.

Der anhaltende Erfolg dieser Ausstellung, die zu ersten Kontakten und Begegnungen mit Hinterbliebenen von Nazi-Opfern und Überlebenden geführt hatte, war für Rudolf Walter und Ehefrau Marlies, die ihn fortan engagiert unterstützte, der Anstoß zur weiteren Forschung über jüdisches Leben in Bad Kissingen , das mit ersten Erwähnungen bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, und zu ergänzenden Projekten wie die 1990 erfolgte Veröffentlichung des mit Hans-Jürgen Beck erarbeiteten Begleitbands zur Ausstellung, interaktive Bildungsangebote und Vorträge in Schulen oder Führungen in der Kurstadt zur jüdischen Geschichte.

Bad Kissinger Stolpersteine unterstützt

Dazu gehören auch Gedenkveranstaltungen, der Einsatz des inzwischen pensionierten Deutsch- und Geschichtslehrers zur 2001 erfolgten Umbenennung seiner Schule in Jack-Steinberger-Gymnasium sowie die maßgebliche Unterstützung beim Projekt „Bad Kissinger Stolpersteine“ durch Bereitstellung erforderlicher Kurzbiografien aus ihrem umfangreichen Archiv.

Digitales Gedenkbuch

Marlies Walter: „Nachkommen erzählten mir ihre Geschichten, und ich dachte, wir müssen das bewahren.“ Diese in 35 Jahren erarbeitete Sammlung aus fast 700 Biografien, unzähligen Fotos und Dokumenten stellten Marlies und Rudolf Walter schließlich als digitales „Biografisches Gedenkbuch der Bad Kissinger Juden während der NS-Zeit“ zusammen und schalteten diese Datenbank in einer Feierstunde am 23. Januar 2020 im Internet online.

Zur Vorstellung der Preisträger zeigte der Veranstalter „Widen the Circle“, eine 2019 von der Obermayer-Stiftung gegründete und von Joel Obermayer geführte gemeinnützige Organisation, einen kurzen Einspielfilm, in dem nicht nur die Walters über ihre Arbeit berichteten, sondern auch Nachkommen einst jüdischer Einwohner von ihren Besuchen in Bad Kissingen und ihren Begegnungen mit Marlies und Rudolf Walter erzählten.

Neue Kontakte

So hörte man die in North Carolina lebende Elizabeth Steinberger, Nichte des 1934 als 13-Jähriger emigrierten Physik-Nobelpreisträgers Jack Steinberger, über ihren Besuch in Bad Kissingen sagen: „Sie [Marlies Walter] wusste mehr über die Familie als ich, und das will schon etwas heißen, denn ich bin die Chronistin unserer Familie.“ In dem anschließenden Interview mit Moderatorin Kupferberg ergänzte Rudolf Walter einige Akzente aus seiner Forschungsarbeit und berichtete über neueste Kontakte im Ausland, die über die von Gerhild Ahnert ins Englische übersetzte Online-Datenbank des Biografischen Gedenkbuches zustande kamen: „Man schreibt meistens Archive an, aber es ist immer besonders schön, wenn man auf Menschen stößt.“

Text und Kurzfilm zum Ehepaar Walter: https://widenthecircle.org/de/profiles/marlies-and-rudolf-walter

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Nach der Preisverleihung: Marlies Walter mit (von rechts) Ehemann Rudolf Walter, Dennis Buchner, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, und Veranstalter Joel Obermayer, Geschäftsführer Widen the Circle“       -  Nach der Preisverleihung: Marlies Walter mit (von rechts) Ehemann Rudolf Walter, Dennis Buchner, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, und Veranstalter Joel Obermayer, Geschäftsführer Widen the Circle“
Foto: René Arnold | Nach der Preisverleihung: Marlies Walter mit (von rechts) Ehemann Rudolf Walter, Dennis Buchner, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, und Veranstalter Joel Obermayer, Geschäftsführer Widen the Circle“
 
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