In eine märchenhafte Zauberwelt entführt das „Italian National Ballett“ am zweiten Weihnachtsfeiertag die Gäste im ausverkauften Kurtheater Bad Kissingen . Auf dem Programm des Kissinger Winterzaubers steht „Der Nussknacker“ von Pjotr Ilyitsch Tschaikowski und nichts passt besser zu Weihnachten wie dessen dritte Ballettbearbeitung von 1892, die dank eines jungen, spielfreudigen Ensembles als ein „Märchen ohne Worte“ erzählt wuird und damit auch viele jüngere Zuschauer erreicht.
Das Bad Kissinger Kurtheater bietet nicht unbedingt die besten Rahmenbedingungen für eine rauschende Ballettveranstaltung . Die relativ kleine Bühne und ein gemalter Hintergrund als Ersatz für stimmungsvolle Bühnenkulissen reduzieren einerseits die Möglichkeiten eines Ensembles, seine tänzerischen Qualitäten zu präsentieren.
Sie benötigen andererseits die Phantasie der Zuschauer, die sich die Atmosphäre an einem Heiligabend im Familienkreis, im schneebedeckten Tannenwald und im märchenhaften Zuckerschloss mehr oder weniger vorstellen müssen.
Kein Platz für das Orchester
Der platzbedingte Verzicht auf ein Orchester zeigt seine Nachteile leider in den Situationen, in denen der verdiente Applaus für das Ensemble und die Solisten des „Italian National Ballett“ durch die nächste Komposition „aus der Konserve“ abgewürgt wird.
Trotz dieser Einschränkungen beeindrucken auf der einen Seite die wohlbekannten Arrangements des Komponisten P. J. Tschaikowski, die auf dem Märchen „Nußknacker und Mäusekönig“ von E. T. A. Hoffmann basieren, und die Choreographie, die in klassischer Auslegung mit einem technisch versierten und vor allem spielfreudigen Ensemble umgesetzt wird.
Farbenprächtige Schar
Mit einem unbeschwerten, fröhlichen Weihnachtsabend im großen Kreis einer Familie beginnt das Ballett „Der Nussknacker“. Eine kunterbunte und farbenprächtige Schar feiert tanzend den Heiligabend. Die Kinder freuen sich über die Geschenke und besonders über Onkel Drosselmayers Puppenspiel – und das Erwachen dieser Puppen im Tanz.
Harlekin, Puppe, Teufel, Mäusekönig und natürlich der Nussknacker zeigen als Solisten durch kraftvolle Sprünge, schnelle Drehungen und Körperspannung bis in die Fingerspitzen ihre klassische Ausbildung und damit ihr tänzerisches Können.
Darüber hinaus zeigt das Ensemble des „Italian National Ballett“ durch exakte Formationen und überzeugende Synchronisation, dass man auch auf wenig Raum mit graziösen Bewegungen und filigranen Schrittfolgen die märchenhafte Geschichte von Clara und ihrem Nussknacker-Prinzen gefühlvoll zum Ausdruck bringen kann.
Dazu gehört nicht nur der konzentrierte Gesichtsausdruck, sondern auch ein Lächeln als Symbol für die Leichtigkeit, die sich aus zahllosen Übungsstunden ergibt.
Das Märchen entwickelt sich in Claras Traumland weiter, wo es zu einer getanzten Auseinandersetzung zwischen den Mäusen und den Spielzeugsoldaten kommt, die letztlich unter der Führung des Nussknackers siegen.
Dieser verwandelt sich auf wunderbare Weise in einen Prinzen und beide erleben im Tannenwald die ersten Spuren einer zarten Liebe und im „Schneeflocken-Walzer“ der zwölf bezaubernden Akteurinnen einen Höhepunkt des Abends.
Die Puppen erwachen
Nach einer Pause startet der zweite Akt im Zauberschloss vom Zuckerberg, in dem nun alle Puppen zum Leben erweckt und zu einem Augenschmaus für die Gäste wurden. Spanischer, arabischer, chinesischer und russischer Tanz sowie der Tanz der Rohrflöten zeigen einmal mehr die Qualität der Tänzerinnen und Tänzer, die sich mal stimmungsvoll und anmutig, mal geheimnisvoll und sprunggewaltig präsentieren.
Aus dem „Blumenwalzer“, den alle Akteure des rund zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzer umfassenden Ensembles auf die Bühne zaubern, entwickelt sich ein fulminantes Finale aus dem „Pas de deux“.
In dessen Mittelpunkt zeigen Primaballerina Roberta Maresca als Clara und erster Solist Pasquale Caseli als Nussknacker-Prinz nochmals ihre tänzerischen Qualitäten mit exakten Hebefiguren, wirbelnden Drehungen und kraftvollen Sprüngen.
Nach einer ersten Hälfte, die noch etwas reduziert und distanziert die Geschichte vom Nussknacker tänzerisch entwickelt, steigern sich Ensemble und Solisten in der zweiten Hälfte. Der verdiente Lohn: überschäumender Applaus und Bravo-Rufe, die die Akteure mehrfach vor den Vorhang locken.
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