Mit so einem Ansturm hatten Rene Rossmanith und seine Frau Patrizia nicht gerechnet. "Wir wurden regelrecht überrannt. Ware, die für zwei Wochen reichen sollte, wurde uns gleich am ersten Tag leergekauft", berichtet er. Und das mitten im Lockdown. Das Paar hatte diesen Montag in der Weidgasse ihren "American Candys hop" eröffnet. In dem Laden bieten sie Süßigkeiten , Knabbereien , Snacks und Softgetränke an, die sie original aus den Vereinigten Staaten importieren. Es gibt die unterschiedlichsten Arten von Naschkram, wie sie hierzulande vor allem aus amerikanischen TV-Serien oder Kinofilmen bekannt sind: Chips, Nachos, Schokolade in allen erdenklichen Ausführungen, Twinkies Mini-Kuchen, Root Beer, Erdnussbutter, Backmischungen, Barbecue-Soßen , Sirups für die Frühstücks-Pancakes und mehr.
Warteschlangen am Eröffnungstag
Damit haben sie bei den Kissingern offenbar einen Nerv getroffen: Es bildeten sich am Eröffnungstag vor dem Laden lange Schlangen. Die Kunden nahmen zum Teil einstündige Wartezeiten in Kauf, um etwas von den Süßigkeiten zu ergattern.
So richtig erklären kann Rossmanith sich den Ansturm nicht. Klar, mit dem Superbowl steht am Wochenende ein Spektakel an, das auch hierzulande immer mehr Leute zelebrieren. "Da kommen junge Kerle und decken sich ein. Das ist ein richtiger Renner, das merken wir schon", sagt er. Aber allein der Superbowl erklärt den Andrang wohl nicht. Vielleicht sind die Leute im eintönigen Lockdown einfach froh über Abwechslung, vielleicht eröffnete der Laden einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Rossmanith jedenfalls hat auf die Nachfrage reagiert und in deutlich größerem Umfang Waren nachgeordert. Weil sich coronabedingt die Lieferzeiten in die Länge gezogen haben, kann er seine Regale aber erst zum Wochenende wieder auffüllen.
Umzug in die Weidgasse
Der 39-Jährige führt eigentlich seit zehn Jahren ein Tattoostudio in Hammelburg. Vor gut einem Jahr eröffnete er dann mit seiner Frau in der Badgasse in Bad Kissingen zusätzlich einen Laden mit Bedarf für E-Zigaretten . Dort nahm er nach einer Weile versuchsweise amerikanische Süßigkeiten ins Sortiment. "Ich habe Verwandte in Amerika und habe da öfter die echten amerikanischen Sachen probieren können. Mit dem Laden habe ich mir gedacht: Was mir schmeckt, kann ja auch anderen schmecken", erzählt er. Jedenfalls liefen die US-Naschereien bald besser als die Artikel für die E-Zigaretten - Rossmanith beschloss, in die kleineren Räumlichkeiten in der Weidgasse umzuziehen und den Laden als Candyshop neu aufzuziehen. "Bedarf für E-Zigaretten führen wir vorerst weiter, aber nur noch nebenher", sagt er über die Neuausrichtung.
Douglas-Filiale bleibt erhalten
Gute Nachrichten für den Kissinger Einzelhandel kommen von einem Konzern, der zuletzt deutschlandweit für weniger gute Schlagzeilen gesorgt hat: von der Parfümeriekette Douglas. Wegen Gewinneinbußen im vergangenen Jahr plant das Unternehmen, in Deutschland rund 60 Filialen zu schließen und 600 Stellen zu streichen. Aus der Pressestelle heißt es auf Nachfrage kurzangebunden, dass der Standort in Bad Kissingen nicht von den Schließungen betroffen sein wird. Ob dort dennoch Stellen abgebaut werden, teilt Douglas nicht mit.
Noch nicht bekannt ist, wie es mit der Commerzbank am Marktplatz weitergeht. Wegen hoher Verluste im vergangenen Jahr will der Bankkonzern 1,4 Milliarden Euro bis 2024 einsparen. Um das zu schaffen, sollen in Deutschland unter anderem 10 000 Stellen abgebaut und 340 von derzeit 790 Filialen geschlossen werden. Die Redaktion hat angefragt, ob die Zweigstelle in Bad Kissingen von den Schließungsplänen betroffen ist, in welchem Umfang Entlassungen vorgesehen sind und welche Auswirkungen sich für die Kunden ergeben. Bis Redaktionsschluss hat der Konzern jedoch nicht auf die Anfrage reagiert.
Metzgerei vor Schließung gerettet
Eine neue Perspektive hat hingegen die Metzgerei Brunner in der Kirchgasse erhalten. Oliver Brunner musste den Betrieb aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Neuer Inhaber ist Metzgermeister Christian Griebel, der bereits seit zehn Jahren bei Brunner arbeitet. Zwar ist aktuell coronabedingt nicht die beste Zeit für eine Betriebsübergabe - das To-Go-Geschäft ist eingebrochen, die Kundenfrequenz in der Innenstadt hat nachgelassen, Hotels und Restaurants werden nicht mehr beliefert - dennoch musste Griebel nicht lange überlegen: "Ich wollte nicht, dass der Betrieb schließt. Man muss irgendwie das Beste aus der Situation machen", sagt der 35-Jährige.
Der 35-Jährige stammt aus dem Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld, seit seiner Meisterprüfung arbeitet er in der Metzgerei , die er jetzt mitsamt den sechs Mitarbeitern übernommen hat. Seine Wurstwaren bereitet er nach eigenen Rezepten zu, vorgefertigte Gewürzmischungen kämen nicht zum Einsatz. Seine Tiere bezieht er von Bauern aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern, schlachten lässt er im Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld. Aus Tierwohl- und aus Qualitätsgründen setzt Griebel auf Regionalität. "Ich weiß, wo das Tier herkommt, wie es gelebt hat und kann das dem Verbraucher auch sagen", erklärt der Metzger. "Ich will die Qualität im Laden halten, so dass die Leute zum Einkaufen noch mehr in den kleinen Handwerksbetrieb gehen."
Wie die Metzgerinnung die Situation im Landkreis beurteilt .
