Es war ein ungewöhnlicher Anlass, für den sich die Konzertgäste aus Nah und Fern an diesem Abend in Schale geworfen und im altehrwürdigen Max-Littmann-Saal des Regentenbaus zusammengefunden haben. Mit dem festlichen Eröffnungskonzert des La Cetra Barockorchesters aus dem schweizerischen Basel fiel der Startschuss der Blockflötenfesttage 2023, die trotz ihrer langen Tradition mit inzwischen 37 vorangegangenen Festivalausgaben erst zum zweiten Mal in Bad Kissingen ausgetragen werden.
Das ausdrückliche Credo des La Cetra Barockorchesters liegt in der wissenschaftlichen Hintergrundarbeit, der intensiven Auseinandersetzung mit dem historischen Instrumentarium, der Aufführungspraxis im geschichtlichen Umfeld der gespielten Werke, aber auch besonders darin, alte Musik für Menschen von heute hautnah erfahrbar zu machen. Ganz im Mittelpunkt dieser Festtage steht allerdings die Blockflöte .
Neuinterpretationen und Experimente
Das Holzinstrument soll nicht nur im Rahmen der ihr charakteristischen, den Charme früherer Jahrhunderte versprühenden Welt der Barock- und Kammermusik präsentiert, sondern durch Neuinterpretationen und moderne Experimente in die Musik der Neuzeit überführt werden. „Alte Musik in neuem Gewand“ lautet das Motto der Blockflötenfesttage, und welcher Ort würde sich für das festliche Eröffnungskonzert einer solch spannenden musikalischen Reise mit der Blockflöte als der Star dieser Tage besser eignen, als der mit edlem Kirschbaumholz vertäfelte Max-Littmann-Saal. Holz trifft auf Holz, und das im besten Wortsinn.
Dass das Festival diesem Anspruch gerecht wird, wurde bereits im Eröffnungskonzert eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Kein geringerer als der diesjährige Intendant der Festtage selbst, Meister der Blockflöte Maurice Steger, gab sich die Ehre und präsentierte als Solist das Holzinstrument . Das Programm mit dem bezeichnenden Namen „Unerhört“ hielt eine Auswahl an Werken von Johann Sebastian Bach sowie Georg Philipp Telemann bereit, die teilweise in ihrer ursprünglichen Form, teilweise in einer Bearbeitung zum Besten gegeben wurden.
Unterschiedliche Stimmungen
Und gleich zu Beginn des Abends wurde klar, was dies bedeutete. In Georg Philipp Telemanns Konzert in F-Dur für Blockflöte , Fagott, Streicher & b.c. (TWV 52:F1) kam die Blockflöte in ihrer ganzen Stärke zum Einsatz. Die vier Sätze bildeten dabei ganz unterschiedliche Stimmungen der Blockflöte ab, während die Stimmen des La Cetra Orchesters als Begleitung sanft im Hintergrund blieben.
Schwer und getragen ging es mit Bachs Ricercar à 6 aus dem "Musikalischen Opfer" (BWV 1079) weiter. In diesem Werk dreht sich alles um das „Königliche Thema“ eine Melodie, die der Legende nach dem preußischen König Friedrich II. zugeschrieben wird und sich übergeordnet wie ein roter Faden durch alle Werke dieser ansonsten eher losen Werksammlung zieht. Zwei großangelegte kontrapunktische Stücke mit der Bezeichnung Ricercar (Regis Iussu Cantio Et Reliquia Canonica Arte Resoluta: Auf Geheiß des Königs die Melodie und der Rest durch kanonische Kunst erfüllt) bilden den Kern der von Bach nur drei Jahre vor seinem Tod erschaffenen Sammlung Musikalisches Opfer, von der an diesem Abend das sechsstimmige Ricercar vorgetragen wurde. Orchester und Solist Steger variierten in dieser Interpretation das Königliche Thema innerhalb der melodischen Fuge in sechs eigenständigen, aber miteinander in spielerischem Zusammenhang stehenden Stimmen.
Technisch perfekt
Festlich wurde es bei dem Konzert in D-Dur für Blockflöte , Streicher & b.c. (BWV 1053R). Auch in diesem Werk konnte die Blockflöte brillieren. Noch bevor es in die Pause ging, holte Solist Maurice Steger alles klanglich nur Mögliche aus seiner Flöte und begeisterte das Publikum mit seinem brillanten und technisch perfekten Spiel und einer geradezu irrwitzigen Virtuosität. Spätestens hier wurde klar, warum der Dirigent, Spezialist für Barockmusik und Dozent an der Hochschule für Musik in Nürnberg, auch als Hexenmeister oder Paganini der Blockflöte bezeichnet wird. Die britische The Independent betitelte Steger einst als den weltweit führenden Spieler der Blockflöte .
Das meisterhafte kontrapunktische Spiel der Musiker setzte sich auch nach der Pause in der Sonata für g-Moll für Blockflöte und Cembalo obbligato (BWV 1020) fort. Ob dieses Werk allerdings tatsächlich aus der Feder des Meisters Johann Sebastian Bach selbst stammt, dem es zugeschrieben wird, kann heute nicht mehr abschließend bewiesen werden. Einige mögen die charakterstiftenden verspielten Wendungen des Werkes anderen Autoren aus dem Umfeld der Musikerfamilie Bach zuschreiben.
„Klingende Geographie“
Telemann lud die Zuhörer mit der Suite seiner "Klingenden Geographie" zu einer vergnüglichen Reise durch Italien, Österreich und Bayern, Niedersachsen und Ungarn ein. Der Ursprung dieser musikalischen Reise lag bereits in den Jugendjahren Telemanns, als sein Geografielehrer Johann Christoph Losius an der Schule in Hildesheim dem musikinteressierten Jugendlichen die zugegebenermaßen recht umfangreiche Aufgabe stellte, Länder, Städte oder Regionen zu vertonen. Diese Erfahrungen legten den Grundstein zu Telemanns späterem Werk „Klingende Geographie“. Den Musikern auf der Bühne gelang es auch hier, den Charakter Telemanns, der für seine innovativen Doppelkonzerte und originellen Einfälle wie der Kombination aus Flöte und Fagott berühmt war, in ihr Spiel mit einfließen zu lassen.
Virtuoses Spiel
Zum Abschluss des Abends erklang ein weiteres Mal der Meister Johann Sebastian Bach mit dem Konzert in F-Dur für Cembalo, zwei Blockflöten , Streicher & b.c. (BWV 1057). Als Thomaskantor in Leipzig arbeitete Bach um das Jahr 1738 ein Instrumentalwerk für Violine und zwei Blockflötenstimmen um, transponierte es nach F-Dur und wandelte die Partie der Solovioline in eine kunstvolle Cembalostimme um. Die zwei Blockflötenpartien des Originals wurden beibehalten.
Und in dieser Kombination zeigten die Musiker um das La Cetra Orchesters noch einmal in virtuoser Weise, was in ihren Instrumenten steckt. Zusammen mit Maurice Steger übernahm Claudius Kamp den gegenläufigen Doppelpart an der Blockflöte , und auch Sebastian Wienand, der am Cembalo ebenfalls eine tragende Rolle des Werks übernahm, brillierte noch einmal, wie schon den ganzen Abend, meisterhaft an seinem Instrument.
Technische Finesse
Es war ein faszinierender Abend, bei dem ein Instrument in all seinen nur möglichen Facetten und mit allergrößter charakterlicher Brillianz präsentiert wurde, das ansonsten in der großen Welt der Orchestermusik eher ein Schattendasein führt. Die technische und musikalische Finesse der Zusammenarbeit des Baseler La Cetra Barockorchesters und des Meisters der Blockflöte Maurice Steger wurde vom Publikum entsprechend gebührend anerkannt. Unter großem Applaus ließen sich die Musiker noch eine Zugabe entlocken und gaben noch ein weiteres Mal den Satz Bayern aus Telemanns „Klingender Geographie“ zum Besten.
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