
Wenn die Kugel durch den Kessel rollt, erleben Spieler ein ganzes Spektrum an Emotionen: Hoffnung und Enttäuschung, Freude und Ärger. Nichts geht mehr!
Nur Nick H. bleibt vollkommen ruhig und verbreitet eine professionelle Gelassenheit. Es klappert, wenn die Kugel am Kesselboden von Zahl zu Zahl springt.
Dann ist es still. „6, schwarz“, verkündet er und die Anspannung löst sich endlich. Jetzt ist klar, wer Glück gehabt hat – oder schon wieder Pech. Beim nächsten Mal klappt es ganz bestimmt. Hoffentlich!

Der 28-Jährige sammelt mit beiden Händen Chips ein, die nicht gewonnen haben. Es scheppert, als er sie in eine Öffnung im Spieltisch fallen lässt.
Nur die Chips der Gewinner liegen noch auf dem grünen Filz. Blitzschnell hat der Croupier die Gewinnsummen im Kopf ausgerechnet. Geschickt stapelt er kleine Türme und schiebt sie in Richtung der Glücklichen. Dann geht es weiter: neues Spiel, neues Glück!
Wer den jungen Mann bei der Arbeit sieht, hält ihn für einen erfahrenen Profi, den nichts aus der Ruhe bringen kann. Doch unter dem schwarzen Anzug mit korrekt gebundener Fliege klopft sein Herz vermutlich etwas schneller als gewöhnlich: Aufpassen, nur nichts falsch machen!
Der schlanke Bartträger mit Brille stammt aus dem Landkreis Schweinfurt und ist ein Neuling am Roulette-Tisch, ein sogenannter Rookie. Dass er jetzt im Casino arbeitet, war eher ein Zufall. „Ein Bekannter ist Croupier und hat mir erzählt, dass die Spielbank Mitarbeiter sucht“, sagt der Vater eines eineinhalbjährigen Sohnes.
„Eine Tätigkeit, die ich vorher überhaupt nicht auf dem Schirm hatte“, gibt der gelernte Augenoptiker zu. Doch bei näherer Betrachtung erkannte er die Vorteile dieses Stellenangebots.
Mehr Zeit für die Familie
In der Schweinfurter Stadtgalerie arbeitete er täglich von 9 Uhr bis Ladenschluss. Da blieb nur wenig Zeit für die Familie. Die Arbeit am Abend war deshalb eine gute Alternative für ihn.
Vor einem halben Jahr schickte er seine Bewerbung los und wurde prompt eingeladen. „Während der Vorstellungsgespräche weisen wir alle Bewerber sehr offen darauf hin, was die Arbeit als Croupier erfordert“, sagt Marina Klein, Direktorin der Spielbank Bad Kissingen .
Die Schichten beginnen meist abends um 18 Uhr und dauern bis 2 oder 3 Uhr. An Wochenenden ist besonders viel Betrieb. Also wird regelmäßig samstags und sonntags gearbeitet, auch an Feiertagen.

„Wer daran interessiert ist, den laden wir zum Kurs ein“, sagt Klein. Diese Ausbildung dauert zwei Monate - viermal pro Woche ab 18 Uhr vier Stunden.
Von den anfangs zehn Bewerbern stiegen einige vorzeitig aus. Am Ende hatte die Spielbank drei neue Vollzeit-Croupiers und zwei Teilzeit-Unterstützungskräfte.
Drei weibliche Croupiers
Frauen hatten sich in diesem Jahr nicht beworben, bedauert die Direktorin. Unter den derzeit 24 Croupiers in Bad Kissingen sind drei weibliche Angestellte.
„Wir haben Mitarbeiter aus den verschiedensten Berufen“, sagt Marina Klein. Darunter zum Beispiel Jalousienbauer, Hotelfachleute oder Abiturienten. Grundvoraussetzung: Sie müssen ein gepflegtes Äußeres haben, „denn sie sind schließlich das Aushängeschild unserer Spielbank“.

Konzentrationsfähigkeit und gute Umgangsformen sind ebenfalls gefragt. Und Kopfrechnen. Neben dem kleinen Einmaleins ist vor allem das Vervielfachen der Zahlen 17 und 35 wichtig. Denn mit diesen Multiplikatoren werden Gewinne ausgerechnet, wenn die Spieler auf zwei Zahlen gleichzeitig oder eine einzelne Nummer gesetzt haben.
Spielregeln pauken
Erfahrene Croupiers bringen den künftigen Mitarbeitern während der achtwöchigen Ausbildung alles bei, was sie für ihre Arbeit am Roulette- oder Kartentisch wissen müssen. Und das ist eine ganze Menge. Die Spielregeln werden intensiv gepaukt, bis die Kandidaten sie aus dem Effeff beherrschen.
Auch Fingerfertigkeit wird geübt. Die künftigen Croupiers müssen den richtigen Dreh heraushaben, damit die Kugel im Kessel perfekt ihre Bahn zieht. Das wird immer und immer wieder geprobt. Achtmal muss die Kugel mindestens kreisen, lautet die Vorschrift. Sonst wird abgebrochen und neu gedreht.

„Am schwierigsten war für mich anfangs das Hantieren mit den Chips“, gibt der neue Croupier zu. Denn diese Technik erfordert einen langen Lernprozess und klappt am Anfang nicht immer perfekt.
Wenn so ein Türmchen trotzdem einmal umfällt, ist das kein größeres Malheur. Es können viel schlimmere Missgeschicke passieren. Nick H. verrät den schlimmsten Albtraum eines Croupiers : „Wenn die Kugel aus dem Kessel springt und über den Tisch oder Boden rollt.“ Zum Glück ist ihm dies in seiner kurzen Amtszeit noch nicht passiert.

Neben fünf Wochen Ausbildung im Roulette müssen die Neulinge auch drei Wochen lang alle Feinheiten des Kartenspiels erlernen. Gespielt werden Blackjack (eine Art 17 und 4) sowie verschiedene Pokervarianten. Für den ehemaligen Augenoptiker ein absolutes Neuland. Zuvor hatte er nur Schafkopf oder Kartenspiele für Familien gekannt.
Mischmaschinen für Karten
Spektakuläre Kunststücke beim Mischen der Karten gehören ins Reich der Hollywood-Filme. In der Realität besorgen Mischmaschinen diese Arbeit. Geübt wird das Mischen von Hand aber trotzdem, falls die Automaten einmal ausfallen sollten.
Nach der Ausbildung müssen alle Absolventen eine Abschlussprüfung bestehen. Am Spieltisch müssen sie das Gelernte vor ihren Ausbildern , Kollegen und dem Direktorium beweisen. Erst dann dürfen sie selbstständig am Tisch arbeiten. In den ersten Wochen und Monaten noch unter den Fittichen eines erfahrenen Kollegen.

Konzentration gefragt
Die Arbeit am Spieltisch erfordert höchste Konzentration. "Man muss vor allem darauf achten, dass die Einsätze richtig liegen", sagt der 28-Jährige. Ist die Position nicht eindeutig, kann es zu Diskussionen mit den Spielern kommen. Unterstützt wird der Croupier dabei vom Tischchef. Er sitzt am Kopfende und wacht über alle Vorgänge.

Damit die Konzentration der Croupiers nicht abnimmt, müssen sie alle 30 Minuten eine Pause von 15 Minuten machen. Anschließend arbeiten sie an einem anderen Tisch.

Dieser Wechsel ist Teil des Sicherheitskonzepts und kommt dem Aberglauben mancher Spieler entgegen. „Sie denken, dass ihnen ein bestimmter Croupier mehr Glück bringt als ein anderer - oder mehr Pech“, erklärt Wilfried P.
Der Saalchef arbeitet seit 37 Jahren in der Bad Kissinger Spielbank. Er stammt ursprünglich aus Österreich und war damals seiner großen Liebe in die Region Bad Kissingen gefolgt.
Man spricht Deutsch
Fremdsprachen sind keine zwingende Voraussetzung für den Berufseinstieg. „An unseren Tischen wird grundsätzlich Deutsch gesprochen“, sagt Marina Klein.
Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,5 Stunden, bezahlt wird nach dem Tarifvertrag der Bayerischen Spielbanken. Die Mitarbeiter sind Angestellte der Staatlichen Lotterie- und Spielbankverwaltung Bayern, die beim Staatsministerium für Finanzen und Heimat angesiedelt ist.

Neben dem Festgehalt bekommen die Croupiers auch ihren Anteil am sogenannten Tronc. Das ist eine Art Trinkgeld, das von den Gewinnern spendiert wird. Dafür gibt es keine festen Regeln.
Der Tronc als Zusatz-Einkommen
Den Tronc darf der Croupier nicht selbst behalten. Alles kommt in einen großen Topf und wird am Monatsende nach einem ausgeklügelten Schlüssel aufgeteilt. Dabei werden unter anderem die Betriebszugehörigkeit und die Art der Tätigkeit berücksichtigt.
Nick H. lässt die Kugel wieder kreisen. Denn der Kessel steht während der Öffnungszeiten nie still. Selbst, wenn keine Spieler am Tisch sind.
Kurz vor Silvester stehen die Kessel
Nur ein einziges Mal im Jahr wird diese Tradition gebrochen. „An Silvester wird der Kessel kurz vor Mitternacht angehalten. Erst um 0.01 Uhr rotiert er wieder“, verrät der Saalchef. Die Kugel wird dann als Symbol für den 1. Januar auf die Zahl 1 gelegt.
Dann dreht sich der Kessel für ein weiteres Jahr. Denn das Spiel hört niemals auf.