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Bad Kissingen
Berühmter Sohn Bad Kissingens
Heute ist er nur noch wenigen bekannt: Oskar Panizza. Zu seinem 100. Todestag wird an ihn erinnert, wenn auch um zwei Jahre verspätet.
Schriftsteller und Psychiater Oskar Panizza       -  Schriftsteller und Psychiater Oskar Panizza
Foto: Sammlung Rainer Wirth | Schriftsteller und Psychiater Oskar Panizza
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:30 Uhr

Er ist wohl der berühmteste Sohn Bad Kissingens, doch heute in der Kurstadt kaum noch bekannt: Oskar Panizza (1853-1921), geboren im damaligen Hotel Russischer Hof in der Kurhausstraße, der heutigen DRV-Klinik am Kurpark. Um zwei Corona-Jahre verspätet, erinnert die Buchhandlung „seitenweise“ in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchengemeinde am Freitag, 21. April, um 19 Uhr in der Erlöserkirche (Prinzregentenstraße) erst jetzt aus Anlass seines 100. Todesjahrs mit Vorträgen, Rezitationen und Lesungen an den zu Lebzeiten sehr bekannten und zugleich umstrittenen, von der katholischen Kirche sogar als Gotteslästerer verfemten Schriftsteller. In seinen Schriften bekämpfte Oskar Panizza den wilhelminischen Obrigkeitsstaat, die katholische Kirche, sexuelle Tabus und die zu seiner Zeit geltenden bürgerlichen Moralvorstellungen.

„Ich freue mich, für diesen Abend Herrn Peter Staengle gewonnen zu haben, ist er doch ein ausgewiesener Panizza-Experte“, betont Buchhändlerin Claudia Bollenbacher. Der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Publizist wird das Leben und Werk des Schriftstellers und Satirikers vorstellen.

Oskar Panizza , Sohn einer Bad Kissinger Hoteliersfamilie, hochintelligent und mehrsprachig, der sein Medizinstudium mit summa cum laude abschloss, „nimmt als literarischer Individualist eine Sonderrolle in der deutschen Literaturgeschichte ein“, heißt es zu der aktuell von Peter Staengle und Günther Emig erscheinenden zehnbändigen Gesamtausgabe von Panizzas Werken.

Von Zensur betroffen

Kein anderer Autor des wilhelminischen Deutschland war so sehr von der Zensur betroffen, keiner wurde für seine literarischen Werke ähnlich hart durch die Justiz bestraft. Fast alle seine Bücher wurden schon kurz nach ihrer Veröffentlichung verboten und beschlagnahmt, an eine Aufführung seiner Theaterstücke war jahrzehntelang nicht zu denken.

Seine satirische Himmelstragödie „Das Liebeskonzil“ (1894) brachte Panizza im Jahr 1895 kurz nach Erscheinen des Textes vor das Münchner Landgericht , das ihn wegen „Vergehen gegen die Religion“ zu einem Jahr Einzelhaft verurteilte. Der Staatsanwalt soll allerdings Panizzas Text nie gelesen haben. „Es handelte sich damals um einen politischen Prozess, der bis heute daran erinnert, dass die Kunst und Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist, das es auch in der Gegenwart zu schützen und zu verteidigen gilt“, schrieb dazu die Schriftstellervereinigung PEN Deutschland in einer Pressemitteilung zum 100. Todestag des Autors. Dieses Hauptwerk Panizzas, mit dem er den größten Literaturskandal des ausgehenden 19. Jahrhunderts auslöste und auf das der äußerst produktive Schriftsteller zu seinem Leidwesen schon zu Lebzeiten immer reduziert wurde und noch heute reduziert wird, hat sich Jacqueline Barraud-Volk, geschäftsführende Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Kissingen , für diesen Abend zum Thema ihres Vortrags genommen.

Am Lebensende entmündigt

Nach seiner Entlassung aus dem Amberger Gefängnis war Oskar Panizza ein gebrochener Mann und zu einem eigenbrötlerischen Skeptiker geworden. Im August 1901 wurde er, der selbst ein studierter Psychiater war, für unzurechnungsfähig erklärt, schließlich im März 1905 in die Anstalt für Gemütskranke St. Gilgenberg in Eckersdorf bei Bayreuth überwiesen und im April gegen seinen Willen, aber auch auf Drängen seiner Mutter endgültig gerichtlich entmündigt. Im Jahr 1907 wurde er schließlich ins Luxussanatorium Herzoghöhe in Bayreuth verlegt. Dort verfasste er noch einige letzte, teilweise unveröffentlichte Werke.

Nur wenige Textstellen aus dem umfangreichen Gesamtwerk des vielseitigen Schriftstellers, Dramatikers und Lyrikers Oskar Panizzas können in der Gedenkveranstaltung am 21. April beispielhaft vorgetragen werden. So wird die aus Bad Kissingen stammende Schauspielerin Katharina Försch einige seiner Gedichte rezitieren und Bad Kissingens „Vorleser“ Sigismund von Dobschütz kurze Passagen aus dessen Erzählungen lesen. Zur Abrundung des Panizza-Abends wird Kirchenmusikdirektor Jörg Wöltche an der Orgel der Erlöserkirche musizieren. 

Informationen:

Veranstaltung: „Oskar Panizza – Zu Ehren des Bad Kissinger Schriftstellers“ am Freitag, 21. April, 19 Uhr, Erlöserkirche, Prinzregentenstraße 9; Eintritt: 15 Euro, 

Karten gibt es bei „seitenweise. Die Buchhandlung“, Ludwigstraße 21, Telefon: 0971/46 46

 Email: seitenweise.diebuchhandlungbk@t-online.de

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  • eboehrer@gmx.de
    Schade, dass es vor Jahren nicht geklappt hat, dass eine Straße nach ihm benannt wird.
    Man könnte es ja wieder mal versuchen... vielleicht hat mittlerweile ein Umdenken eingesetzt.
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