Bad Brückenau
Bad Brückenau: Radfahren trotz Multipler Sklerose
Sonja und André Pfister engagieren sich bei der Initiative "Radfahrlust". Privat suchten sie ein barrierefreies Haus mit Radweg - und fanden es im Sinntal.

Es ist nasskalt und das Thermometer zeigt knapp über Null Grad. An diesem Nachmittag kann man die Fahrradfahrer in Bad Brückenau an einer Hand abzählen. Unter ihnen sind auf alle Fälle Sonja und André Pfister aus dem Staatsbad auf dem Weg zum monatlichen MS (Multiple Sklerose) Stammtisch. Pünktlich auf die Minute erreichen sie das Café in der Innenstadt. Ihre beiden Fahrräder - ein Liegerad und ein Nebeneinander Tandem - füllen einen ganzen PKW Parkplatz. Für die Beiden ist es ein perfekter Tag zum Fahrradfahren. "Wenn es nicht gerade wie aus Gießkannen regnet, sind wir in Bad Brückenau mit dem Rad unterwegs", erklärt André Pfister.
Sonja Pfister erhielt 1999 die niederschmetternde Diagnose MS. Bereits 1996 - vier Jahre nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes - zeigten sich bei der jungen Frau die ersten Symptome in Form von Gleichgewichts- und massiven Gehstörungen. Ihre Stelle an der Montessori Schule in Würzburg gab die Zweitlehrkraft aus Verantwortungsbewusstsein rasch auf. Die 51-Jährige leidet an der schubförmigen Form von MS. Wie der Name schon andeutet, verläuft die Erkrankung dabei in einzelnen Schüben, die sich vollständig oder unvollständig wieder zurückbilden. Nach der ersten Behandlung mit Cortison war zunächst wieder alles in Ordnung. "Ich konnte sogar wieder rennen", erinnert sich die Mutter von drei erwachsenen Söhnen. Doch der nächste Schub ließ nicht lange auf sich warten und die Symptome waren noch schlimmer. André Pfister bezeichnet das Medikament als "gigantisches Aufputschmittel mit Gewöhnungseffekt"; für seine Ehefrau ist es "Fluch und Segen" zugleich.
Die ersten fünf bis sechs Jahre nach der Diagnose seien sehr einschneidend gewesen. "Innerhalb kürzester Zeit stand der Rollstuhl bei uns zuhause", erzählt André Pfister. Da ein Rollstuhl wenig ausflugstauglich sei, habe das Paar rasch nach Alternativen geschaut. Ein Zweiradtandem schied schnell aus. "Ich hatte mir für Sonja Bewegung für ihre Beine gewünscht und für uns gemeinsame Touren erhofft. Aber es war uns schnell klar, dass das nicht funktioniert". Viele Jahre fuhr Sonja Pfister auf einem gefederten Liegedreirad - ohne Akku versteht sich - und ihr radbegeisterter Ehemann fuhr sie schiebend nebenher. "Über Jahre hinweg war ich der Motor", verdeutlicht er die schwierige Situation.
Diese entschärfte sich vor vier Jahren, als das Paar ein Liegefahrrad mit Elektromotor erwarb. Für die Berge sei es zwar nicht tauglich, aber alles was in und um Bad Brückenau zu erledigen sei, werde mit dem Rad absolviert: Arztbesuche, der Termin beim Physiotherapeuten und auch sämtliche Einkäufe. Fast in alle Supermärkte dürfe seine Frau mit dem Rad einfahren und dort, wo es bautechnisch nicht möglich ist, werde sie an der Tür bedient. Die Pfisters bezeichnen Bad Brückenau zwar nicht als barrierefrei, haben die Stadt aber als behindertenfreundlich schätzen und lieben gelernt. Sogar bei ihrer Wohnsitzanmeldung im Herbst 2016 durfte die sympathische Frau mit dem Rad ins Rathaus fahren.
Das aus Margetshöchheim stammende Paar war lange auf der Suche nach einer Immobilie gewesen und wurde im Staatsbad Bad Brückenau schließlich fündig. Das Haus der Pfisters ist nahezu barrierefrei und liegt direkt am Radweg. "Mit dem Rad den Alltag bewältigen zu können, war für uns bei der Haussuche ein wichtiges Kriterium", erklärt der 52-Jährige. Auch der Weg zur Georgi Kurhalle in der Stadt ist für Sonja Pfister so prima zu meistern und ihrer Teilnahme am "english conversation circle" steht nichts im Wege. André und Sonja Pfister engagieren sich in den Bad Brückenauer Städtepartnerschaften mit dem englischen Kirkham und Ancenis in Frankreich. Kirkham haben sie in diesem Jahr kennen gelernt und bei dem nächstjährigen Besuch einer Delegation aus Bad Brückenau in der französischen Partnerstadt wollen sie auch teilnehmen - ein faltbares Dreirad als Rollstuhlersatz im Gepäck.
Doch ganz besonders freuen sich die Beiden auf die Radtour mit der MS-Selbsthilfegruppe "Radfahrlust" in 2018. Seit 2012 sind sie die Pfisters dabei, wenn circa fünfzig mehr oder weniger gehandicapte Radfahrer eine Woche lang auf dem Rad unterwegs sind. Ein besonderes Erlebnis war die diesjährige Tour um Berlin und Potsdam zum zehnjährigen Bestehen der Gruppe. Noch jetzt strahlen Sonja Pfisters Augen, wenn sie von "dem phänomenalen Gruppenerlebnis" und der Einfahrt durch das Brandenburger Tor erzählt.
Das Ehepaar ist mittlerweile in der Darmstädter Selbsthilfegruppe sehr aktiv und André Pfister hatte vor zwei Jahren die Tour in und um Würzburg organisiert. Ein Jahr Vorbereitung und mehrere "Vorfahrten" seien dafür nötig gewesen, erzählt der ehemalige Computernetzwerkexperte. Neben der Suche nach einem barrierefreien Hallenquartier brauche man viele helfende Hände, wie Monteure oder Streckenposten - gesunde Ehrenamtliche, die ihre Freizeit opfern, um MS Erkrankten dieses gemeinschaftliche Erlebnis zu ermöglichen.
Und wer weiß, vielleicht wird Pfisters Wunsch nächstes oder übernächstes Jahr Wirklichkeit, und er kann die Gruppe eine Woche lang durch seine neue Heimat Bad Brückenau führen - vorausgesetzt der neue Radweg auf der ehemaligen Sinntalbahntrasse ist bis dahin fertig gestellt.
Sonja Pfister erhielt 1999 die niederschmetternde Diagnose MS. Bereits 1996 - vier Jahre nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes - zeigten sich bei der jungen Frau die ersten Symptome in Form von Gleichgewichts- und massiven Gehstörungen. Ihre Stelle an der Montessori Schule in Würzburg gab die Zweitlehrkraft aus Verantwortungsbewusstsein rasch auf. Die 51-Jährige leidet an der schubförmigen Form von MS. Wie der Name schon andeutet, verläuft die Erkrankung dabei in einzelnen Schüben, die sich vollständig oder unvollständig wieder zurückbilden. Nach der ersten Behandlung mit Cortison war zunächst wieder alles in Ordnung. "Ich konnte sogar wieder rennen", erinnert sich die Mutter von drei erwachsenen Söhnen. Doch der nächste Schub ließ nicht lange auf sich warten und die Symptome waren noch schlimmer. André Pfister bezeichnet das Medikament als "gigantisches Aufputschmittel mit Gewöhnungseffekt"; für seine Ehefrau ist es "Fluch und Segen" zugleich.
Einschneidende Zeit nach der Diagnose
Die ersten fünf bis sechs Jahre nach der Diagnose seien sehr einschneidend gewesen. "Innerhalb kürzester Zeit stand der Rollstuhl bei uns zuhause", erzählt André Pfister. Da ein Rollstuhl wenig ausflugstauglich sei, habe das Paar rasch nach Alternativen geschaut. Ein Zweiradtandem schied schnell aus. "Ich hatte mir für Sonja Bewegung für ihre Beine gewünscht und für uns gemeinsame Touren erhofft. Aber es war uns schnell klar, dass das nicht funktioniert". Viele Jahre fuhr Sonja Pfister auf einem gefederten Liegedreirad - ohne Akku versteht sich - und ihr radbegeisterter Ehemann fuhr sie schiebend nebenher. "Über Jahre hinweg war ich der Motor", verdeutlicht er die schwierige Situation. Diese entschärfte sich vor vier Jahren, als das Paar ein Liegefahrrad mit Elektromotor erwarb. Für die Berge sei es zwar nicht tauglich, aber alles was in und um Bad Brückenau zu erledigen sei, werde mit dem Rad absolviert: Arztbesuche, der Termin beim Physiotherapeuten und auch sämtliche Einkäufe. Fast in alle Supermärkte dürfe seine Frau mit dem Rad einfahren und dort, wo es bautechnisch nicht möglich ist, werde sie an der Tür bedient. Die Pfisters bezeichnen Bad Brückenau zwar nicht als barrierefrei, haben die Stadt aber als behindertenfreundlich schätzen und lieben gelernt. Sogar bei ihrer Wohnsitzanmeldung im Herbst 2016 durfte die sympathische Frau mit dem Rad ins Rathaus fahren.
Barrierefreies Haus am Radweg
Das aus Margetshöchheim stammende Paar war lange auf der Suche nach einer Immobilie gewesen und wurde im Staatsbad Bad Brückenau schließlich fündig. Das Haus der Pfisters ist nahezu barrierefrei und liegt direkt am Radweg. "Mit dem Rad den Alltag bewältigen zu können, war für uns bei der Haussuche ein wichtiges Kriterium", erklärt der 52-Jährige. Auch der Weg zur Georgi Kurhalle in der Stadt ist für Sonja Pfister so prima zu meistern und ihrer Teilnahme am "english conversation circle" steht nichts im Wege. André und Sonja Pfister engagieren sich in den Bad Brückenauer Städtepartnerschaften mit dem englischen Kirkham und Ancenis in Frankreich. Kirkham haben sie in diesem Jahr kennen gelernt und bei dem nächstjährigen Besuch einer Delegation aus Bad Brückenau in der französischen Partnerstadt wollen sie auch teilnehmen - ein faltbares Dreirad als Rollstuhlersatz im Gepäck.
Doch ganz besonders freuen sich die Beiden auf die Radtour mit der MS-Selbsthilfegruppe "Radfahrlust" in 2018. Seit 2012 sind sie die Pfisters dabei, wenn circa fünfzig mehr oder weniger gehandicapte Radfahrer eine Woche lang auf dem Rad unterwegs sind. Ein besonderes Erlebnis war die diesjährige Tour um Berlin und Potsdam zum zehnjährigen Bestehen der Gruppe. Noch jetzt strahlen Sonja Pfisters Augen, wenn sie von "dem phänomenalen Gruppenerlebnis" und der Einfahrt durch das Brandenburger Tor erzählt.
Vorfreude auf den neuen Radweg
Das Ehepaar ist mittlerweile in der Darmstädter Selbsthilfegruppe sehr aktiv und André Pfister hatte vor zwei Jahren die Tour in und um Würzburg organisiert. Ein Jahr Vorbereitung und mehrere "Vorfahrten" seien dafür nötig gewesen, erzählt der ehemalige Computernetzwerkexperte. Neben der Suche nach einem barrierefreien Hallenquartier brauche man viele helfende Hände, wie Monteure oder Streckenposten - gesunde Ehrenamtliche, die ihre Freizeit opfern, um MS Erkrankten dieses gemeinschaftliche Erlebnis zu ermöglichen.Und wer weiß, vielleicht wird Pfisters Wunsch nächstes oder übernächstes Jahr Wirklichkeit, und er kann die Gruppe eine Woche lang durch seine neue Heimat Bad Brückenau führen - vorausgesetzt der neue Radweg auf der ehemaligen Sinntalbahntrasse ist bis dahin fertig gestellt.
Themen & Autoren / Autorinnen
Besonders ärgerlich sind die Nebeneinander Tandems, an denen man im Straßenverkehr sehr schlecht bei Gegenverkehr vorbeikommt. Die hier genannten will ich damit nicht gemeint haben. Vor allem aber verstehe ich es nicht, dass der Gesetzgeber dieser Art von Fahrrädern nicht einen Fahnenmast (Bike Flags) mit mindestens 1,65m Höhe gesetzlich vorschreibt. Denn auch das Zeitungfoto zeigt, dass auch sie keine Fahnenstange mit Wimpel am Liegerad angebracht haben.