Bad Brückenau
Bad Brückenau: Jeder rettet einen Afrikaner
Die Theatergruppe Kompassion des Franz-Miltenberger-Gymnasiums brilliert mit einer schrägen Realsatire rund um Wohltätigkeit und Eitelkeit.

Herrje. Was für ein kurioser Eiertanz. Was für ein verschlungener Parcours der Fettnäpfchen. Was für eine schräge Diskussionsrunde voller Fadenscheinigkeiten. Was für ein peinlicher Schaulauf der Eitelkeiten. Die Theatergruppe Kompassion des Franz-Miltenberger-Gymnasiums hat heuer die Farce "Benefiz. Jeder rettet einen Afrikaner" von Ingrid Lausund zur Aufführung gebracht.
Fünf Akteure, ein Raum, ein bisschen Licht, ein paar Requisiten, keine Effekte. Mit großartigem schauspielerischen Talent haben Jörg Hilsdorf, Stefan Jäger, Niels Hönerlage, Angelika Heinz und Julia Müller eine rabenschwarze Komödie auf die Bühne gezaubert, die herrlich witzig und intelligent das Dilemma von Benefizveranstaltungen vor Augen führt. Um die Lichttechnik kümmerte sich Kilian Schaab. Als Souffleuse wirkte Sonngard Hilsdorf mit. Regie führte Dirk Hönerlage.
Just an dem Wochenende, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Würzburger Africa-Festival eröffnete, führte die Theatergruppe dem Publikum vor, dass nicht alles, was eigentlich mal gut gemeint war, auch tatsächlich gut gemacht wird. Den Seitenhieb auf den publikumswirksamen Auftritt des Staatsoberhaupts an den proppenvollen Mainwiesen unweit der Innenstadt konnte sich Hönerlage übrigens nicht verkneifen. Ganz nebenbei: Das Africa Festival in Würzburg ist mittlerweile so kommerziell geworden, dass sich Studenten, Familien, Geringverdiener und Flüchtlinge den Besuch der viertägigen Massenveranstaltung größtenteils gar nicht mehr wirklich leisten können.
Die fünf Protagonisten des Bühnenstücks jedenfalls wollen alles richtig, korrekt und gut machen bei ihrer Probe eines Spendenabends für eine Schule in Guinea-Bissau. Doch wie redet man eigentlich über das Elend? Wie versetzt sich der "Weiß-Deutsche" in die Lage des schwarzen Kontinents? Während allerhand Fragen der "political correctness" auftauchen, werden die Zuschauer zwischen Lachen und Fremdschämen hin und her gerissen.
Allmählich gerät den fünf Aktivisten alles aus den Fugen. Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht mehr merken, worum es eigentlich geht. Denn es sollte ursprünglich doch darum gehen, Spendenbereitschaft zu wecken. Wie aber kann das funktionieren? Unterhaltsam und charmant über Not und Elend in Afrika reden? Sollte man vielleicht noch einen "echten" Afrikaner engagieren, damit die wichtige Botschaft authentischer rüberkommt? Jeder der fünf ganz unterschiedlich gestrickten Aktivisten entwickelt eigene Strategien und Methoden und dabei gerät man in peinlich wirkende Verbindlichkeiten, verfängt sich in den Fallstricken klammheimlicher Vorurteile und im Ethno-Kitsch.
Der Versuch, den Spendenabend irgendwie halbwegs angemessen zu gestalten, entwickelt sich zu einem Basar der eigenen Eitelkeiten. Dass sich trotz großer Egos auch ehrliche Betroffenheit und Emotionen entwickeln, bringt den straff durchorganisierten Spendenmarathon auf der Zielgeraden eher ins Wanken als ans Ziel. Das Ensemble Kompassion, das sich aus ehemaligen Schülern des Gymnasiums zusammensetzt, setzte die bissige Realsatire schwungvoll und fast schon schweißtreibend pulsierend um. Die große Ethik-Keule wurde quer durch die leider nicht ganz voll besetzte Aula geschwungen. Jeder durfte mal mit Anlauf ins Fettnäpfchen stapfen, bisweilen konnte sich kein Aktivist mehr unbeschadet durch das komödiantische Minenfeld bewegen.
Euphorie, Empathie, Ernüchterung, Erleichterung, Empörtsein, Ekstase, Engstirnigkeit - das Wechselbad der Emotionen hatte ordentlich heißes Wasser im Kessel. Das Bemühen um Professionalität des Spendenabends mündet in einen lächerlichen Dilettantismus. Nebenbei wird auch die eigentliche Motivation für die Teilnahme deutlich und dabei geht es nicht selten um einen recht ausgeprägten Egoismus.
Eine bitterböse Szene ist die, in der zwei der fünf Protagonisten überlegen, welches Patenkind man eigentlich unterstützen wolle. Es entwickelt sich eine unsägliche Diskussion darüber, welches Schicksal das schlimmste sei: Auf der Straße leben zu müssen, keine Arme zu haben, aber Eltern, oder zur Kinderprostitution gezwungen worden zu sein. Es sind bissig-schräge Dialoge, die einen zum Lachen bringen, aber eben auch zum Nachdenken über Wohltätigkeit, politisch korrekte Sprache und unser Bild von Afrika.
Spätestens seitdem afrikanische Flüchtlinge nach Europa drängen, hört man immer häufiger die landläufige Meinung, um dieser "Flut" Herr zu werden, müsse man dort helfen, wo das Problem entsteht, damit sie gar nicht erst zu uns kommen. Das Bühnenstück "Benefiz" spielt zwar gekonnt mit diversen Klischees rund um Spendenbereitschaft und Wohltätigkeit, ist aber trotzdem ein völlig ernsthafter Versuch, auf unterhaltsame Weise den Finger auf die Wunde zu legen mit der unmissverständlichen Aufforderung, dem Thema Leid in Afrika weder sein Herz, noch seinen Geldbeutel zu verschließen.
Hintergrund Autorin Ingrid Lausund schrieb die Realsatire im Jahr 2008 für einen in Köln ansässigen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, eine Schule in Guinea-Bissau zu bauen . Guinea-Bissau ist eines der ärmsten Länder dieser Erde, in dem zum Beispiel ein Lehrer im Monat 40 Euro verdient. Auch Dank der bei den zahlreichen Theateraufführungen gesammelten Spendengelder lernen heute in der 2004 errichteten Schule 350 Kinder. Sie umfasst eine vollwertige Grundschule mit sechs Jahrgangsstufen und eine Oberschule für die Klassen 7 bis 9. Der gesamte Komplex besteht aus acht Schulhäusern, einer Mensa, Sanitäranlagen, einem Brunnen, einem Spiel- und Bolzplatz und einem Gemüsegarten.
Jubiläum Passend zum 30-jährigen Bestehen der Eine-Welt-Gruppe Bad Brückenau brachte die Theatergruppe Kompassion das Stück "Benefiz. Jeder rettet einen Afrikaner" auf die Bühne. Zu sehen sind Aktivisten, die etwas bewegen wollen und dabei um den richtigen Weg streiten - mit einem Augenzwinkern ließen sich manche Dialoge auch bei den Gruppentreffen in Bad Brückenau ansiedeln. Die beim Theaterabend erbetenen Spenden kommen tatsächlich dem Projekt zugute, das auf der Bühne thematisiert wurde. Initiiert von der Deutsch-Guineischen Gesellschaft, Köln, soll der Aufbau einer Schule in Bissau gefördert werden. Dieses Unterfangen versteht sich - wie bei allen Spendenprojekten der Eine-Welt-Gruppe - als Impuls zur Selbsthilfe. Es soll also weder eine Alibi-Aktion für das gute Gewissen sein noch besserwisserisch die Menschen vor Ort bevormunden.
Theatergruppe Im Herbst 2006 greifen ehemalige Schüler des Franz-Miltenberger-Gymnasiums, die vor Jahren alle in der Schulspielgruppe mitgewirkt haben, eine alte Idee auf: Sie gründen, trotz räumlicher Distanz zum einstigen Schulort und Verpflichtungen in Studium und Beruf, die Theatergruppe Kompassion. Mit diesem Namen zeigen sie sich der aktiven Schultheatergruppe Kompass verbunden und bekennen zugleich offen die Leidenschaft zum Spiel. Ihr Bestreben ist es (neben dem persönlichen Spaß am dramatischen Gestalten) mit Freunden, Bekannten und Gästen einen kurzweiligen Kleinkunst-Abend zu verleben.
Fünf Akteure, ein Raum, ein bisschen Licht, ein paar Requisiten, keine Effekte. Mit großartigem schauspielerischen Talent haben Jörg Hilsdorf, Stefan Jäger, Niels Hönerlage, Angelika Heinz und Julia Müller eine rabenschwarze Komödie auf die Bühne gezaubert, die herrlich witzig und intelligent das Dilemma von Benefizveranstaltungen vor Augen führt. Um die Lichttechnik kümmerte sich Kilian Schaab. Als Souffleuse wirkte Sonngard Hilsdorf mit. Regie führte Dirk Hönerlage.
Just an dem Wochenende, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Würzburger Africa-Festival eröffnete, führte die Theatergruppe dem Publikum vor, dass nicht alles, was eigentlich mal gut gemeint war, auch tatsächlich gut gemacht wird. Den Seitenhieb auf den publikumswirksamen Auftritt des Staatsoberhaupts an den proppenvollen Mainwiesen unweit der Innenstadt konnte sich Hönerlage übrigens nicht verkneifen. Ganz nebenbei: Das Africa Festival in Würzburg ist mittlerweile so kommerziell geworden, dass sich Studenten, Familien, Geringverdiener und Flüchtlinge den Besuch der viertägigen Massenveranstaltung größtenteils gar nicht mehr wirklich leisten können.
Seitenhieb auf Africa-Festival
Die fünf Protagonisten des Bühnenstücks jedenfalls wollen alles richtig, korrekt und gut machen bei ihrer Probe eines Spendenabends für eine Schule in Guinea-Bissau. Doch wie redet man eigentlich über das Elend? Wie versetzt sich der "Weiß-Deutsche" in die Lage des schwarzen Kontinents? Während allerhand Fragen der "political correctness" auftauchen, werden die Zuschauer zwischen Lachen und Fremdschämen hin und her gerissen. Allmählich gerät den fünf Aktivisten alles aus den Fugen. Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht mehr merken, worum es eigentlich geht. Denn es sollte ursprünglich doch darum gehen, Spendenbereitschaft zu wecken. Wie aber kann das funktionieren? Unterhaltsam und charmant über Not und Elend in Afrika reden? Sollte man vielleicht noch einen "echten" Afrikaner engagieren, damit die wichtige Botschaft authentischer rüberkommt? Jeder der fünf ganz unterschiedlich gestrickten Aktivisten entwickelt eigene Strategien und Methoden und dabei gerät man in peinlich wirkende Verbindlichkeiten, verfängt sich in den Fallstricken klammheimlicher Vorurteile und im Ethno-Kitsch.
Der Versuch, den Spendenabend irgendwie halbwegs angemessen zu gestalten, entwickelt sich zu einem Basar der eigenen Eitelkeiten. Dass sich trotz großer Egos auch ehrliche Betroffenheit und Emotionen entwickeln, bringt den straff durchorganisierten Spendenmarathon auf der Zielgeraden eher ins Wanken als ans Ziel. Das Ensemble Kompassion, das sich aus ehemaligen Schülern des Gymnasiums zusammensetzt, setzte die bissige Realsatire schwungvoll und fast schon schweißtreibend pulsierend um. Die große Ethik-Keule wurde quer durch die leider nicht ganz voll besetzte Aula geschwungen. Jeder durfte mal mit Anlauf ins Fettnäpfchen stapfen, bisweilen konnte sich kein Aktivist mehr unbeschadet durch das komödiantische Minenfeld bewegen.
Welches Schicksal ist das schlimmste?
Euphorie, Empathie, Ernüchterung, Erleichterung, Empörtsein, Ekstase, Engstirnigkeit - das Wechselbad der Emotionen hatte ordentlich heißes Wasser im Kessel. Das Bemühen um Professionalität des Spendenabends mündet in einen lächerlichen Dilettantismus. Nebenbei wird auch die eigentliche Motivation für die Teilnahme deutlich und dabei geht es nicht selten um einen recht ausgeprägten Egoismus. Eine bitterböse Szene ist die, in der zwei der fünf Protagonisten überlegen, welches Patenkind man eigentlich unterstützen wolle. Es entwickelt sich eine unsägliche Diskussion darüber, welches Schicksal das schlimmste sei: Auf der Straße leben zu müssen, keine Arme zu haben, aber Eltern, oder zur Kinderprostitution gezwungen worden zu sein. Es sind bissig-schräge Dialoge, die einen zum Lachen bringen, aber eben auch zum Nachdenken über Wohltätigkeit, politisch korrekte Sprache und unser Bild von Afrika.
Spätestens seitdem afrikanische Flüchtlinge nach Europa drängen, hört man immer häufiger die landläufige Meinung, um dieser "Flut" Herr zu werden, müsse man dort helfen, wo das Problem entsteht, damit sie gar nicht erst zu uns kommen. Das Bühnenstück "Benefiz" spielt zwar gekonnt mit diversen Klischees rund um Spendenbereitschaft und Wohltätigkeit, ist aber trotzdem ein völlig ernsthafter Versuch, auf unterhaltsame Weise den Finger auf die Wunde zu legen mit der unmissverständlichen Aufforderung, dem Thema Leid in Afrika weder sein Herz, noch seinen Geldbeutel zu verschließen.
Hintergrund Autorin Ingrid Lausund schrieb die Realsatire im Jahr 2008 für einen in Köln ansässigen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, eine Schule in Guinea-Bissau zu bauen . Guinea-Bissau ist eines der ärmsten Länder dieser Erde, in dem zum Beispiel ein Lehrer im Monat 40 Euro verdient. Auch Dank der bei den zahlreichen Theateraufführungen gesammelten Spendengelder lernen heute in der 2004 errichteten Schule 350 Kinder. Sie umfasst eine vollwertige Grundschule mit sechs Jahrgangsstufen und eine Oberschule für die Klassen 7 bis 9. Der gesamte Komplex besteht aus acht Schulhäusern, einer Mensa, Sanitäranlagen, einem Brunnen, einem Spiel- und Bolzplatz und einem Gemüsegarten.
Jubiläum Passend zum 30-jährigen Bestehen der Eine-Welt-Gruppe Bad Brückenau brachte die Theatergruppe Kompassion das Stück "Benefiz. Jeder rettet einen Afrikaner" auf die Bühne. Zu sehen sind Aktivisten, die etwas bewegen wollen und dabei um den richtigen Weg streiten - mit einem Augenzwinkern ließen sich manche Dialoge auch bei den Gruppentreffen in Bad Brückenau ansiedeln. Die beim Theaterabend erbetenen Spenden kommen tatsächlich dem Projekt zugute, das auf der Bühne thematisiert wurde. Initiiert von der Deutsch-Guineischen Gesellschaft, Köln, soll der Aufbau einer Schule in Bissau gefördert werden. Dieses Unterfangen versteht sich - wie bei allen Spendenprojekten der Eine-Welt-Gruppe - als Impuls zur Selbsthilfe. Es soll also weder eine Alibi-Aktion für das gute Gewissen sein noch besserwisserisch die Menschen vor Ort bevormunden.
Theatergruppe Im Herbst 2006 greifen ehemalige Schüler des Franz-Miltenberger-Gymnasiums, die vor Jahren alle in der Schulspielgruppe mitgewirkt haben, eine alte Idee auf: Sie gründen, trotz räumlicher Distanz zum einstigen Schulort und Verpflichtungen in Studium und Beruf, die Theatergruppe Kompassion. Mit diesem Namen zeigen sie sich der aktiven Schultheatergruppe Kompass verbunden und bekennen zugleich offen die Leidenschaft zum Spiel. Ihr Bestreben ist es (neben dem persönlichen Spaß am dramatischen Gestalten) mit Freunden, Bekannten und Gästen einen kurzweiligen Kleinkunst-Abend zu verleben.
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