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Bad Brückenau
Bad Brückenau: Irrfahrt ins Krankenhaus
Ein junger Mann aus Detter hat am Wochenende plötzlich starke Schmerzen und fährt ins Bad Brückenauer Krankenhaus. Eine Erstversorgung bekommt er nicht, stattdessen den Rat, ein anderes Krankenhaus aufzusuchen. Er fühlt sich im Stich gelassen.
In der Franz von Prümmer Klinik gibt es eine Notaufnahme. Allerdings muss diese wegen Personalmangel zu manchen Zeiten schließen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa       -  In der Franz von Prümmer Klinik gibt es eine Notaufnahme. Allerdings muss diese wegen Personalmangel zu manchen Zeiten schließen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
| In der Franz von Prümmer Klinik gibt es eine Notaufnahme. Allerdings muss diese wegen Personalmangel zu manchen Zeiten schließen Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Julia Raab
 |  aktualisiert: 02.11.2022 11:20 Uhr

Es ist Samstagfrüh gegen 3.30 Uhr am vergangenen Wochenende. Thomas (Name von der Redaktion geändert) wacht mit starken Bauchschmerzen auf. Der 23-jährige Mann aus Detter weckt seine Freundin, die neben ihm schläft. "So habe ich ihn noch nie gesehen", sagt die junge Frau über den Zustand ihres Freundes.

Nach einem kurzen Wortwechsel ruft sie den ärztlichen Bereitschaftsdienst an und beschreibt die Situation. Thomas habe starke Bauchkrämpfe und krümme sich. Ein Arzt werde sich melden, sagt der ärztliche Bereitschaftsdienst.

"Einige Zeit später rief ein Arzt aus Bad Neustadt an", erzählt die junge Frau. Die Entfernung beträgt jedoch rund 50 Kilometer, und so verweist dieser am Telefon an die nahe gelegene Franz von Prümmer Klinik in Bad Brückenau . "Dorthin würde er Thomas sowieso einweisen", heißt es am Telefon.

Überfordert

Gemeinsam mit Thomas´ Mutter fährt das Paar schließlich dorthin - und steht vor verschlossener Tür. Unter dem Klingelschild der Notaufnahme steht ein Hinweis, dass die Notaufnahme erst wieder am Montag öffnet.

"Wir wussten nicht, was wir machen sollten, und so klingelte ich trotzdem", sagt die junge Frau. Ein Arzt antwortet über die Sprechanlage. Er verweist Thomas nach wenigen Sätzen an die Notaufnahme in Fulda. Doch die Fahrt nach Fulda wollen die drei nicht riskieren, denn die Schmerzen sind mittlerweile massiv. "Ich hatte wirklich Angst, dass er zusammenbricht", sagt die junge Frau.

Also ruft sie vor der Notaufnahme in Bad Brückenau die 112 an. Mit dieser europaweit einheitlichen Notrufnummer erreicht sie die für den Landkreis zuständige Integrierte Leitstelle in Schweinfurt (ILS). "Dort fiel man aus allen Wolken, dass er nicht versorgt wurde", sagt Thomas' Freundin über das Gespräch mit der Leitstelle.

"Unterlassene Hilfeleistung"

Schließlich schickt die ILS einen Krankenwagen und einen Notarzt , beide treffen nur wenige Minuten später ein. Thomas wird erstversorgt und mit dem Krankenwagen ins Helios St. Elisabeth Krankenhaus nach Bad Kissingen gebracht. Dort stellen die Ärzte eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung fest, die sofort behandelt wird.

Vom ersten Anruf bis zur Erstversorgung vergehen rund eine Stunde und 15 Minuten. "Wir waren völlig überfordert", sagt die junge Frau über den Ablauf, und: "Ich finde das ist unterlassene Hilfeleistung, wenn ein Arzt in einer solchen Situation nicht hilft."

Auf die Frage, warum der Arzt aus der Franz von Prümmer Klinik nicht eingegriffen habe, antwortet Krankenhausdirektor Ralph Pleier. "Der Arzt hat sich ein kurzes Bild von der Situation gemacht, und es wirkte nicht lebensbedrohlich", sagt er. Auch über die Sprechanlage ergaben sich im direkten Kontakt keine Hinweise darauf. Deshalb habe er den jungen Mann nach Fulda verwiesen. Das sei das normale Vorgehen, vor dem Hintergrund, dass die Station geschlossen war.

112 im Notfall

Aus der Sicht von Pleier stellt sich das Problem anders dar, denn "wir melden uns bei der ILS ab, das ist ein geordnetes Verfahren", erklärt er. Wegen Krankheitsfällen auf den Stationen komme das hin und wieder vor. Wenn ein Patient hingegen "blind zu uns geschickt wird", dann ist das für den Patienten natürlich ärgerlich, wenn er vor verschlossener Türe steht.

Sein Appell deshalb: "Liegt ein Notfall vor, dann soll umgehend die 112 angerufen werden." Dort sei genau bekannt, wo Betten frei sind und welche Schwerpunktklinik beispielsweise bei Herzinfarkt oder Schlaganfall benötigt wird. "Wir haben ein top ausgebautes Rettungssystem, das schnell reagieren kann", betont er.

Die Integrierten Leitstelle in Schweinfurt bestätigt auf Nachfrage, dass temporär immer wieder Abteilungen von Krankenhäusern geschlossen seien. "Das ist ganz normal", sagt der stellvertretende Leiter, Klaus Wörner. Am vergangenen Wochenenden, bestätigt er weiter die Aussage des Verwaltungsdirektors, sei das Krankenhaus für den Rettungsdienst nicht verfügbar gewesen.

Erstversorgung wünschenswert

Erste Hilfe vor Ort leistete der herbeigerufene Notarzt Prof. Emanuel Fritschka. Er fand Thomas mit starken Schmerzen vor und begleitete ihn im Rettungswagen bis zur Notaufnahme des Helios St Elisabeth Krankenhauses . "Hätte das junge Paar direkt von zuhause aus den Notruf 112 abgesetzt, dann wären wir in sieben Minuten vor Ort gewesen", betont Fritschka.

Nun weiß der Bad Brückenauer Notarzt aus Erfahrung, dass es eine Hemmschwelle gibt, den Notruf abzusetzen und den Rettungsprozess in Gang zu setzen. "Deswegen rufen die Patienten eher den Ärztlichen Bereitschaftsdienst an", sagt Fritschka. Dort sei natürlich nicht bekannt, welche Stationen geöffnet sind.

Dass dann die Patienten vor verschlossener Türe im Krankenhaus stehen, ohne eine Erstversorgung, das findet er hingegen bedenklich. "Ich wünsche mir, dass die betroffenen Patienten zumindest angeschaut und erstversorgt werden", sagt er.

Thomas ist mittlerweile wieder aus der Bad Kissinger Helios Klinik entlassen worden. Es geht ihm besser, das Morphium half und nach ein paar Tagen konnte er auch wieder feste Nahrung zu sich nehmen. Seine Freundin sagt: "Ich bin mir sicher, dass viele Menschen nicht wissen, dass die Notaufnahmen manchmal geschlossen ist". Sie habe sich auf die Aussage des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes verlassen.

 
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Kommentare
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  • G. S.
    Im Brückenauer Kankenhaus hätte der arme Mann sowieso schlechte Karten gehabt. Dort habe ich leider mehrmals Pech gehabt. Ein Herzinfarkt wurde erst nach Stunden erkannt. Erst dann wurde ich mit Blaulicht in die Herzklinik verbracht.Ein Nierensteinleiden wurde eine Woche verschleppt und nicht behandelt. Wenn ich nachts ein Schmerzmittel erbat musste erst ein Arzt geweckt werden. Bis ich schließlich doch nach Fulda gebracht wurde. In beiden Fällen begab ich mich selbst ins Krankenhaus. Wenn man nicht liegend mit dem Krankenwagen eingeliefert wird muß man damit rechnen dass man als Notfall nicht ernst genommen wird. Nie mehr freiwillig dort hin.
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  • K. T.
    Naja…das genau ist das Ergebnis der Sparpolitik im Gesundheitswesen…deshalb, und wegen der „Gewinnorientierung“ der Kliniken werden kleinere KH unrentabel und man steht vor verschlossenen Türen!! Es braucht mehr Personal, und bessere Bezahlung, dann löst sich das Problem von selbst! Leider hat sich die mediale Präsenz dieses bekannten Problems ja wieder erledigt! Aber geklatscht haben ja alle!
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  • H. S.
    Viele Patienten trauen sich nicht den Notruf zu wählen, mit dem sie das ganz große Besteck auspacken. Egal, bei welcher Klinik sie dann selbstständig aufschlagen, sollte man sich um diese kümmern, und dafür sorgen dass sie an die richtige Klinik weitergeleitet werden!
    Man sollte davon ausgehen können, dass man es in jeder Klinik mit Ärzten zu tun hat, die mal Medizin studiert haben, und einschätzen können, was der Patient jetzt dringend braucht.
    Mir ist das kürzlich auch erst passiert: Ich bin aus eigener Kraft in die Notaufnahme ins Missio in Würzburg gefahren und wurde postwendend abgewiesen, mit dem Hinweis dass dafür das Juliusspital zuständig wäre. Wie ich dahinkomme, war denen egal. Ich also mitten rein in die Stadt, und fast eine Stunde lang einen Parkplatz am Juliusspital gesucht...
    Als ich dort in der Notaufnahme war, ging plötzlich alles superschnell: Ich lag kaum zwei Stunden später auf dem Operations-Tisch... Gerade noch rechtzeitig!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Selbst über den Notruf ist nicht gesichert an der richtigen Stelle bzw. auf der richtigen Station zu landen. Dieses durfte ich am eigenen Körper erfahren. Nach einem Sturz, der zu einem Bandscheibenvorfall führte, hatte ich durch die starken Schmerzen stressbedingte Herzrhythmusstörungen. Der Notarzt hatte bei der Einlieferung ins Krankenhaus die Notaufnahme über den BSV und die Arrhythmie unterrichtet. Durch die erhaltenen Schmerzmittel schlug mein Herz wieder im Sinusrhythmus und man hätte mich auf die Chirurgische bringen können. Gelandet bin ich für ca. 14 Tage, mit unerträglichen Schmerzen auf der Inneren. Selbst nach täglicher Bitte um Verlegung unternahm die Stationsärztin nichts. Als ich endlich auf die orthopädischen Chirurgie verlegt wurde war der eingeklemmte Nerv abgestorben.

    Ein Gutachten durch den MDK konnte keinen Behandlungsfehler feststellen. Im letzten Satz des Gutachtens konnte man sich den 14 tägigen Aufenthalt auf der Inneren allerdings nicht erklären.
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  • U. A.
    Super Romanstil!
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