Armut in Deutschland betrifft immer mehr Menschen. Das hat erst kürzlich die Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie festgestellt (siehe Infokasten).Auch in der Stadt Bad Brückenau ist diese Tendenz festzustellen.
Notunterkunft in der Wiesenstraße
„Wir haben drei Zimmer in der Notunterkunft in der Wiesenstraße, hier können insgesamt sieben bis acht Personen unterkommen“, erklärt Anita Sitte-Rudolf, die bei der Stadt die Leitung des Standesamtes und des Bürgerbüros innehat.
Sie ist auch für die sozialen Belange der Bürger zuständig. In den vergangenen Monaten waren immer wieder durchschnittlich vier Menschen in der Wiesenstraße untergebracht. Genaue Zahlen möchte die Verwaltung zum Schutz der Menschen aber nicht nennen.
Mehr Hilferufe
Auch wenn es vorerst nicht mehr Obdachlose in der Stadt gibt, so steigt die Anzahl der Hilferufe aber stark an. „Immer mehr Menschen erkundigen sich bei uns nach den verschiedenen Möglichkeiten“, sagt Sitte-Rudolf. Viele rufen mit unterdrückter Nummer an, aus Scham, erkannt zu werden.
Da geht es zum Beispiel um Wohnungskündigungen, weil die Rechnungen nicht bezahlt werden können. Das habe es in den Jahren zuvor nicht gegeben. „Manchmal helfen wir bei der Betreuersuche, oder gar beim Arztbesuch“, beschreibt sie die Unterstützung.
Wenig bezahlbarer Wohnraum in der Stadt
„Unser oberstes Ziel ist es zunächst, Obdachlosigkeit zu verhindern“, erklärt Sitte-Rudolf. Insbesondere bei Senioren reicht oftmals die Rente nicht mehr aus.
Die Mieten seien gestiegen und zudem gebe es in Bad Brückenau kaum Ein- oder Zweiraumwohnungen. „Und die Grundsicherung im Alter deckt die hohen Mieten oftmals nicht ab“, weiß sie aus Erfahrung.
Manchmal hilft ein vermittelndes Gespräch mit dem Vermieter, dem Landratsamt oder dem Jobcenter. Es sollte „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden, dass die Menschen ihre Wohnung verlieren.“
Mehr Terminanfragen bei der Caritas
Denn: Ist einmal die Wohnungslosigkeit da, dann sei es unheimlich schwer, wieder einen Mietvertrag zu bekommen, weiß die städtische Angestellte. Niemand möchte gerne einen Mieter haben, der vorher obdachlos war.
Neben dem kommunalen Hilfsangebot bietet die Caritas für den Landkreis, auch mit einer Anlaufstelle in Bad Brückenau im Haus Waldenfels, eine Sozialberatung an. Die Bad Kissinger Vorständin Anne Hilpert-Böse beschreibt die Situation: „Wir merken im Bereich des Allgemeinen Sozialen Beratungsdienstes, dass die Terminanfragen gestiegen sind“.
Mehr Sozialhilfeanträge
Es bestünde oftmals die Sorge, die Lebenskosten nicht mehr decken zu können. Zudem benötigten mittlerweile auch Personen Unterstützung, die es bisher geschafft haben, irgendwie mit ihren geringen Einnahmen über die Runden zu kommen.
„Die Kollegin in Bad Brückenau hilft dabei, Anträge zu stellen, die schon längst hätten gestellt werden können“, beschreibt sie die Not der Menschen. Denn viele würden warten, bis gar nichts mehr geht. Hilpert-Böse sei selbst manchmal überrascht, wenn ihr die für Bad Brückenau zuständige Kollegin, Gabriele Morath, von diesen Fällen erzähle.
„Viele sind absolut genügsam und verzichten auf sehr viel.“ Aber diese Zeiten seien nun vorbei, denn das gehe für viele jetzt endgültig nicht mehr. Die Zahl der Sozialhilfeanträge steige demnach an.
Mehr Spenden aus der Bevölkerung
Klaus Hartmann, zweiter Vorstand der Tafel Bad Brückenau, bestätigt die Zunahme der Bedürftigkeit. Alleine in diesem Jahr verzeichnete der Verein einen Zugang von 55 Personen, die zu den wöchentlichen Lebensmittelausgaben kommen. „Der Großteil kommt zwar aus der Ukraine, doch auch Menschen aus dem Landkreis sind dabei.“
Zusätzlich fehlen Spenden der beteiligten Märkte wegen der immensen Preissteigerung. Allerdings verzeichnet der Verein hingegen eine sehr hohe Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung.
Caritas stockt auf
„Wir sind überwältigt von den Spenden durch Unternehmer und Privatpersonen“, betont Hartmann. Ohne diese, so ist er sich sicher, hätte die Tafel es nicht geschafft, die bedürftigen Familien zu versorgen.
Übrigens: Wegen den massiv veränderten Lebenssituationen stockt die Caritas ab Januar ihr Hilfsangebot in Bad Brückenau auf. Befristet für ein Jahr können die zunehmenden Anfragen mit einer zusätzlichen halben Stelle abgedeckt werden.
Armut in Deutschland
Studie: Die Armut ist in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen. Dieser Anstieg ist nicht erst seit diesem Jahr zu beobachten, aber Inflation und Energiekrise stellen immer mehr Menschen vor die Frage, wie es weitergeht.
Laut dem WSI-Report „Armut grenzt aus“, der im November veröffentlicht wurde, ist die Quote der sehr armen Menschen, die weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, zwischen 2010 und 2019 um gut 40 Prozent gestiegen. Der finanzielle Rückstand von Haushalten unterhalb der Armutsgrenze habe sich um ein weiteres Drittel vergrößert.
Quelle: WSI-Report Nr. 79, November 2022: Armut grenzt aus
Kontakt für Hilfesuchende
Anlaufstelle für Hilfesuchende:
Caritas – ASBD Sozialbüro
Ernst Putz Straße 4a
Bad Brückenau
Offene Beratungszeiten:
Montagvormittag von 9.00 bis 11.00 Uhr
Kontakt: 09741 5498
Auch interessant: