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Bad Brückenau
Wandel bei "Bad Brückenau hilft!": Mehr Einsatz vor Ort
Der Hilfsverein hat vor zweieinhalb Jahren mit einer Handvoll Leute, Kleintransportern und Wohnmobilen angefangen. Seitdem haben seine Tätigkeit und er selbst einen starken Wandel erlebt.
'Bad Brückenau hilft': Hilfsverein im Wandel       -  Der Verein 'Bad Brückenau hilft!' konzentriert sich jetzt mehr auf die Unterstützung von Ukrainern in der Rhön.
Foto: Benjamin Wildenauer | Der Verein "Bad Brückenau hilft!" konzentriert sich jetzt mehr auf die Unterstützung von Ukrainern in der Rhön.
Benjamin Wildenauer
 |  aktualisiert: 25.10.2024 02:41 Uhr

Er tauchte wie Phönix aus der Asche auf und stieg in kurzer Zeit zum bekanntesten Verein der Stadt auf: Ohne "Bad Brückenau hilft!" hätten es wohl viele Flüchtlinge aus der Ukraine nach dem Überfall Russlands auf das Land am 24. Februar 2022 ungleich schwerer gehabt, im Rhönstädtchen oder dem Rest des Landkreises Bad Kissingen anzukommen. Nach zweieinhalb Jahren ziehen Vorstand Thomas Weißenfeld und das designierte Vorstandsmitglied Margit Gnatz Bilanz. Im Interview sprechen sie darüber, wie alles begann, warum sich der Verein wandeln musste und wo heute seine Schwerpunkte bei der Hilfe liegen.

Die Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine sind ja ein bisschen aus der Wahrnehmung verschwunden. Kommen denn überhaupt noch Flüchtlinge aus der Ukraine in Bad Brückenau an?

Margit Gnatz: Also es kommen täglich Flüchtlinge in Deutschland an, tatsächlich unvermindert. Der Zustrom der Flüchtlinge aus der Ukraine hat keinen Halt. Wir realisieren es tatsächlich so nicht mehr in der Öffentlichkeit, weil eben die Berichterstattung so intensiv nicht mehr stattfindet. Aber wenn man den Kontakt zu den hier bereits etablierten Ukrainern hat - und den halten wir ja auch unmittelbar - dann sieht man, wie viel Elend und Leid weiterhin tagtäglich in unserem Land hier ankommt und wie viel Unterstützungsbedarf weiterhin bei den einzelnen Menschen besteht.

'Bad Brückenau hilft': Hilfsverein im Wandel       -  Thomas Weißenfeld gehört dem Vorstand von 'Bad Brückenau hilft' an.
Foto: Benjamin Wildenauer | Thomas Weißenfeld gehört dem Vorstand von "Bad Brückenau hilft" an.

Thomas Weißenfeld: In dem Zusammenhang sind wir als Verein tätig als sogenannte Alltagshelfer und unterstützen die Ukrainer bei Behördengängen, bei Fragen des Jobcenters, der Krankenkassen und wenn es Probleme gibt. Dann ist auch mal die Staatsanwaltschaft mit involviert; aber in den Fällen hängt es in der Regel an nicht geflossenen Informationen, was wir dann schnell ausräumen können.

Wir können das halt besser regeln, weil wir der Sprache mächtig sind und auch mit bestimmten rechtlichen Begriffen etwas anfangen können. Und wir erstarren nicht vor dem, was da geschrieben steht. Deshalb können wir die Flüchtlinge unterstützen. Die Ukrainer, die schon länger hier sind, unterstützen die, die kommen, natürlich auch. Aber das reicht im Krisenfall nicht aus und dann stehen wir zur Verfügung. Es ist einfach hilfreich, als Muttersprachler mit den Behörden zu kommunizieren.

Nach 19 Hilfstransporten, die teilweise bis tief in die heißen Zonen der Ukraine gingen, gibt es jetzt also eine Art Transformation im Verein, was das Haupttätigkeitsfeld angeht? 

Weißenfeld: Ja, das ist absolut richtig. Mit unseren Transporten, die hilfreich und segensreich waren, waren wir auf die Dauer dann auch persönlich etwas überlastet, weil es doch zu Lasten der Familie, des eigenen Unternehmens, des eigenen Lebens ging. Weil es doch starke Einschränkungen waren, diese Transporte zu organisieren und dann tatsächlich auch durchzuführen. Da sind wir - muss man ganz ehrlich sagen - an Grenzen gestoßen. Manche Vereinsmitglieder sind auch darüber hinausgegangen und da kann man nur Danke sagen, dass sie sich so eingesetzt haben. Es ist absolut verständlich, dass sie sich jetzt etwas zurückgenommen haben und wir uns ein neues Feld der Integration oder der Flüchtlingshilfe gesucht haben. 

Wenn sich jemand im Verein engagieren möchte, auf welchem Gebiet kann “man Bad Brückenau hilft!” aktuell am meisten helfen? 

Gnatz: Ich denke, im Bereich der Alltagshilfe wäre Unterstützung hilfreich. Weiterhin sind Dolmetscher erwünscht. Für größere Umzüge ist auch immer gefragt, dass wir Helfer haben, die anpacken können. Das volle Programm von "Bad Brückenau hilft! läuft wie eh und je auch weiter. Wir müssen einfach auch nochmal so ein bisschen refreshen, weil eben die Kollegen, die von Anfang an mit dabei sind, die sehr viel Freizeit hier auch mit eingebracht haben, sich wieder ihrer eigentlichen Arbeit zuwenden müssen. Von daher würden wir uns sowohl über deutschen Zuwachs, aber natürlich auch über internationalen Zuwachs oder weitere ukrainische Helfer sehr freuen.

'Bad Brückenau hilft': Hilfsverein im Wandel       -  Margit Gnatz fungiert als kooptierte Vorständin bei 'Bad Brückenau hilft!'
Foto: Benjamin Wildenauer | Margit Gnatz fungiert als kooptierte Vorständin bei "Bad Brückenau hilft!"

Weißenfeld: Das fördert ja auch wieder die Integration: wenn Ukrainer Ukrainern helfen, diese Startschwierigkeiten, die sie ja alle hier hatten, gemeinsam zu überwinden. Und es wäre toll, wenn da Leute bereit sind. Man muss kein Vereinsmitglied werden. Wir sind da ganz offen. Wir sind kein Closed Shop. Hilfe nehmen wir von allen an, die menschlich den Flüchtlingen dieses unsäglichen Krieges hier den Start erleichtern oder auch den Aufenthalt erträglich machen.

Man muss sich immer vorstellen, das ist nicht ihre Heimat. Oma, Opa, die Heimat - alles fehlt. Der Mann fehlt. Es ist eine fremde Sprache. Es ist eine andere Schrift. Es ist einfach eine andere Luft, nenne ich es jetzt mal. Diese Menschen sind entwurzelt. Und wenn wir diesen Menschen auf Zeit oder auch auf Dauer eine neue Heimat bieten können, dann ist das eine segensreiche Arbeit, die einen mit Stolz erfüllt.

Was plant der Verein konkret für die nächsten Wochen und Monate? 

Gnatz: Wir wollen jetzt eine Wiedereröffnung eines Sprachcafés starten, an einem neuen Standort, den das “Rheumli” in der Sinnaustraße dann darstellen wird. Wir haben hier eine neue Location gefunden, die optimal ist für unsere Verhältnisse. Insgesamt soll es im Sprachcafé um vier verschiedene Themen gehen. Das eine Thema wird sein: Ukrainer treffen Ukrainer, um sich untereinander auszutauschen. Das zweite wird sein: Ukrainer treffen deutsche Bürger, um sich der deutschen Sprache zu erproben und sich mit Deutschen, die hier in Bad Brückenau leben, austauschen zu können. Als drittes Vorhaben wollen wir versuchen, die Integration voranzutreiben, indem wir Vereine aus Bad Brückenau ins Sprachcafé einladen, um sich dort vorzustellen. Die Idee ist einerseits, den Vereinen die Möglichkeit zu geben, neue Mitglieder zu werben, aber andererseits auch den ukrainischen Familien Zugang zum hiesigen Vereinsgeschehen zu ermöglichen. Und als vierten Effekt haben wir uns gedacht, natürlich auch die Politik mit zu integrieren und hier eine Plattform anzubieten, um ins direkte Gespräch mit ukrainischen Neubürgern zu kommen.

Was soll darüber hinaus noch geschehen?

Weißenfeld: Wir sind daran interessiert, dass die ukrainischen Bürger ihren Beruf hier ausführen können. Sei es als Selbstständige oder auch, dass wir ihnen bei der Anerkennung ihrer Berufserfahrung oder auch ihrer Ausbildung, die sie in der Ukraine gemacht haben, helfen. Es sind Professoren hierher gekommen. Es ist eine Dozentin für Wirtschaftswissenschaften hier. Wir haben Krankengymnasten und Physiotherapeutinnen, die hier arbeiten könnten und wollen, wo aber eben die Anerkennung ihrer Berufserfahrung durch die momentane Gesetzeslage sehr schwierig ist. Es ist zwar möglich, und die bayerische Landesregierung ist da auch mit dran. Aber es dauert für jemanden, der gerne nicht von der Sozialhilfe leben möchte, doch sehr, sehr lange, bis diese behördlichen Genehmigungen tatsächlich vorliegen und er hier arbeiten kann.

Sprachkurse sind auch Teil des Problems. Die sind alle voll. Bei denen, die mit Qualifikationsabschluss angeboten werden, gibt es sehr lange Wartezeiten. Wir als Verein bieten einen kleinen Kurs , der die Alltagssprache beinhaltet. Das findet schon ziemlich lange statt. Er wird auch mit einem kleinen Zuschuss gefördert. “Sprache schafft Chance” heißt das Programm.

Das ist ein tolles Engagement der Leute, die hier ehrenamtlich Deutsch als Fremdsprache für Nicht-Deutsche anbieten. Vielleicht nicht immer hochqualifiziert, aber trotzdem menschlich sehr nahe. Aber es ist natürlich dennoch nur eine Brücke. 

Ein Hilfstransport ist aktuell noch geplant. Das Ziel soll das Krankenhaus in Kamjanez in der Oblast Chmelnyzkyj , circa 280 Kilometer südöstlich von Lwiw, sein. Was wird an Spenden dafür noch benötigt? 

Weißenfeld: Wir werden vorwiegend medizinisches Hilfsgut transportieren. Wir werden Verbandsmaterial mitnehmen und Medikamente kaufen, so wie wir das auch bei den anderen Transporten gemacht haben. Alles, was ein Krankenhaus brauchen kann, nehmen wir mit. Wir nehmen natürlich kein Wasser mehr mit, weil das einfach zu schwer ist. Aber Verbandsmaterial, chirurgisches Besteck, wenn ein Arzt ein EKG-Gerät übrig hat oder ein EEG-Gerät oder ein Laboranalysegerät wären wunderbar, die mitzubringen. Diese schweren technischen Hilfsgeräte sind in dem Krankenhaus nicht in der Menge vorhanden, werden aber aufgrund der vielen Verletzten gebraucht.

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Benjamin Wildenauer

 
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