Eine dänische Schrankwand aus Kansas-City, eine Espresso-Maschine aus Italien und ein Sekretär vom Urgroßvater aus Schweinfurt- Altes und Neues und gleichzeitig Regionales und Internationales findet sich im neuen Zuhause von Stefano und Isolde Pettinella. Die ehemaligen Münnerstädter haben aus den vielen Auslandsaufenthalten einiges als Erinnerungsstücke mitgenommen. Wer die "Villa Pettinella" betritt, sieht nicht nur Bilder aus Übersee, bekommt nicht nur Gerichte aus vielen Teilen der Welt aufgetischt, sondern kann stundenlang den Erzählungen der beiden Rückkehrer lauschen. Sie kamen aus dem Landkreis und kehrten nach mehr als 30 Jahren wieder dorthin zurück.
Zum ersten Mal war es eine rein private Entscheidung. Keine beruflichen Gründe mussten Isolde und Stefano Pettinella im Blick haben, sondern nur den Zielort - genau dies haben die langjährigen Nomaden getan: Sie haben sich dauerhaft in Bad Brückenau niedergelassen.
Die Entscheidung ist wahrlich bewusst gefällt, immerhin hatte das Paar "jahrelange Diskussionen" hinter sich. Die Antwort auf die zentrale Frage "Wo wollen wir dauerhaft leben?" war gründlich gereift, nachdem sich die beiden "intensiv mit Brückenau auseinandergesetzt hatten". Fast nur Vorteile bietet ihnen die Stadt. "Wir haben so viel hier" schwärmt Stefano Pettinella von den Möglichkeiten: "fränkisches Brot, den Kreuzberg, frisch gepresster Saft von Äpfeln aus dem eigenen Garten". Der Tonfall verrät, dass von der Vorteilsliste noch viele Punkt aufzuzählen wären. Seine Frau Isolde ist von der Kleinstadt ebenfalls begeistert: "Im 300-Meter-Umkreis haben wir alles: Metzger, Ärzte, Baumarkt, Bäcker... Ich möchte nicht mehr missen, in fünf Minuten frische Brötchen holen zu können." Die Innenstadt ist barrierefrei, die Wasserqualität unvergleichlich gut. Und vergleichen kann das Paar in der Tat, denn es hat schon viel von der Welt gesehen.
Stefano Pettinella verließ seine Heimat Ebenhausen 1987, um in Bamberg Politikwissenschaften zu studieren, seine Frau machte damals bereits in Stuttgart eine Ausbildung zur Chemisch-Technischen Assistentin. Zusammen zogen sie fast um die Welt: Italien, Frankreich, USA und die Tschechische Republik waren Stationen, die geprägt waren von Fortbildungen, beruflichen Neuorientierungen, Familienbildung. Wer sich nicht gerade weiterbildete oder die Kinder aufzog, verdiente die Brötchen.
In den USA blieben sie am längsten:"Wir kamen mit vier Koffern und wollten nur zwei Jahre bleiben. 16 Jahre später gingen wir mit vier Kindern und eineinhalb Containern", schmunzelt Stefano Pettinella über den unerwartet langen Aufenthalt in den Staaten. Als Fachkraft von seiner Firma nach Prag versetzt, arbeitete Stefano dort nur eine begrenzte Zeit.
Nach ein paar Jahren zogen die Pettinellas wieder nach Deutschland. Sie entschieden sich für Leipzig, denn zwei Kinder sollten noch an der International School, die der in Prag ähnelte, ihr Abitur machen. Zudem wollte Isolde als Diplom-Chemie-Ingenieurin wieder beruflich einsteigen. Nun kam erstmals das Gefühl auf, das "Nomadenleben" aufzugeben. Die "jahrelangen Diskussionen" über die dauerhafte Bleibe begannen.
Es sollte ein Ort sein, der die Basis für Familienfeste wird, denn die Kinder - allesamt polyglott aufgewachsen - hatte es schon in viele Himmelsrichtungen verschlagen. Auf ein starkes Netzwerk aus Familie, Freunden, Nachbarn und Vereinen wollten die Pettinellas zugreifen können. Und sicherlich spielt auch eine Prise Nostalgie eine Rolle, beide zog es zurück zu ihren Wurzeln. Außerdem, das hatten sie in den vielen Jahren in der Ferne gelernt, "müssen wir wertschätzen, was wir hier haben", sagt Stefano Pettinella über die Ressourcen vor Ort.
Das Paar hat hier alles gefunden, was es gesucht hatte: "Eine nette kleine sichere Stadt mit Natur". Für sie ist Brückenau lebenswert, weil "die Nachbarn uns sofort willkommen geheißen haben und man zu Fuß überall hinkommt".
Die Pettinellas sehen ihre Zukunft also in Bad Brückenau, aber wie sieht Brückenaus Zukunft aus? "Brückenau braucht Gründe, warum man in die Stadt kommen soll", so Stefano Pettinella. Zufällig stieß der Neubürger bei dem Städtebewertungsportal Criticity auf eine Bemerkung: "Bisschen wenig los in der Stadt, es müsste vielleicht ein Lokal für Menschen zwischen 15 und 40 aufmachen, das fehlt hier total." Für Jugendliche und junge Erwachsene wirkt Brückenau eher unattraktiv. Immerhin punktet Brückenau mit einer guten Anbindung an die A7, mit dem öffentlichen Personennahverkehr sieht es schon wieder anders aus. "Brückenau muss aus dem Loch kommen", betont Stefano Pettinella. "Ein Team aus allen Bevölkerungsschichten, Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten sollen Visionen und Strategien finden und einen Zeitplan aufstellen." Brückenaus Charme dümple vor sich hin, könne allerdings viel besser vermarktet werden, findet der Neu-Brückenauer. Ganz schlimm seien die "Scheren im Kopf". Ohne sich selbst Grenzen und Zensur aufzuerlegen, sollte man die Themen nicht problemorientiert, sondern lösungsorientiert annehmen.