Bad Brückenau
Bad Brückenau: Ein Lobbyist aus der Rhön
Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller hat ihren Sitz in Brückenau. Kaum einer kennt die Organisation, dabei ist ein Ur-Rhöner Geschäftsführer.
Alexander Beck schaut skeptisch. In der Hand hält er ein Büschel Gras. "Die Ziegen sind schlau. Sie glauben mir nicht", sagt er und versucht trotzdem, die Tiere zu sich zu locken. Eine, zwei der Thüringer Waldziegen, die Beck auf den Wiesen oberhalb von Mitgenfeld züchtet, kommen tatsächlich, schnuppern an seiner Hand. Dann wenden sie sich ab. Sie wissen, dass Beck ihnen nicht mehr anbieten kann, als wonach sie sich auch selbst hinabbeugen könnten - zumal es Winter ist. Beck wirft das kraft- und geschmacklose Gras zurück auf den Boden.
Dr. Alexander Beck ist Lobbyist. Er berät Unternehmen, die ihn dafür bezahlen. Er spricht mit Politikern, die ihn nicht dafür bezahlen. Dafür ist er viel in Brüssel und Berlin unterwegs. Mehr in Brüssel, denn "die Agrar- und Lebensmittelpolitik wird von der EU gemacht", stellt Beck fest.
Seit 27 Jahren ist der Einraffshofer (seine Frau Christine führt den Schlehenhof in Mitgenfeld) in der Bio-Branche aktiv. Als die Europäische Union im Jahr 1989 über die Kennzeichnungspflicht für Bio-Lebensmittel diskutierte, hatte er gerade angefangen, für die Marke Demeter - das Siegel prangt auf vielen Bio-Produkten - zu arbeiten. 1991 wurde das Gesetz verabschiedet. "Das war damals ein sehr kleines Pflänzchen", erinnert sich Beck.
Heute ist der Bio-Markt ein aufstrebender Wirtschaftszweig. Acht Milliarden Euro Umsatz werden im Jahr mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland gemacht, sagt Beck, es gebe etwa 8000 verarbeitende Unternehmen für Bio-Produkte - das sind eben nicht die klassichen Bio-Bauernhöfe, sondern die Unternehmen, die zwischen Erzeuger und Händler stehen. Etliche dieser Firmen haben sich in der Assoziation ökologischer Lebensmittel (AöL) zusammengeschlossen, deren Geschäftsführer Beck ist. In der näheren Umgebung sind zum Beispiel Bionade, Maintal Konfitüren aus Haßfurt oder die W-E-G-Stiftung Fulda (ehemals Tegut) dabei. Der Verband ist deutschlandweit aufgestellt und europaweit vernetzt. Der Sitz der AöL ist in Bad Brückenau.
"Unsere Unternehmen sind davon überzeugt, dass wir unser ernährungswirtschaftliches System neu erfinden müssen", sagt Beck. Und dann spricht er über Themen wie die Nitratbelastung des Grundwassers oder den Verlust der Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen. Er erzählt von Sojabohnen, die aus Lateinamerika eingeführt und an Schweine in Nordrhein-Westfalen verfüttert werden, beispielsweise, deren Mist wiederum nach Mecklenburg-Vorpommern oder Polen verkauft wird. "Die Preise sagen nicht die Wahrheit", kritisiert Beck.
"Heute ist ein Salat teurer als ein Stück Fleisch."
1996 hat sich Beck als Berater selbstständig gemacht. Mit seinem umfangreichen Wissen über den Rechtsrahmen der EU für Bio-Lebensmittel hat sich der Lebensmitteltechnologe - Beck promovierte 1996 an der Universität Warschau - in der Branche einen Namen gemacht. Nachhaltigkeit, Umweltschutz, die Werthaftigkeit von Nahrungsmitteln... das Bewusstsein für diese Themen komme langsam in der Gesellschaft an. "Wir reden sehr viel darüber, es gibt auch viele Leute, die das so sehen. Aber es fehlt der politische Wille", bewertet Beck die Situation.
Anfang dieses Jahres ist das Büro der AöL von der Dr.-Gartenhof-Straße in die Untere Badersgasse umgezogen. Im Untergeschoss hat die Kreisgruppe vom Bund Naturschutz schon länger ihre Räume. Demnächst ist eine Einweihungsfeier geplant, intern. "Als Organisation haben wir keine regionale Ausrichtung", erklärt Beck. Persönlich aber begrüße er lokale Initiativen, die ebenfalls Nachhaltigkeit und einen verantwortlichen Konsum unterstützen - wie zum Beispiel die Dachmarke Rhön oder die Fair Trade-Stadt Bad Brückenau.
Warum sich die Mitglieder der AöL in Fulda - und nicht in der Kurstadt - treffen, hat einen einfachen Grund. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sei katastrophal, beklagt der 51-Jährige, viele seiner Unternehmer würden aber aus Prinzip - ganz im Sinne der Nachhaltigkeit - mit dem Zug anreisen.
Nach zwei Veranstaltungen in einem großen Hotel im Staatsbad habe er das Vorhaben aufgegeben.
Wenn Alexander Beck genug vom politischen Bühnenspiel hat, an dessen Fäden er hinter den Kulissen kräftig mitzieht, kehrt er in die Rhön zurück zu seinen Ziegen. Und dann denkt er über die Menschen nach, die fraglos aus den Regalen nehmen, was die Händler ihnen hineinlegen: Erdbeeren im Januar oder Hähnchenfilet für 1,89 Euro pro 350 Gramm. Sogar seine Ziegen merken, wenn ihre Nahrung fad, kraftlos und ohne Geschmack wird. Sie lassen sich nicht an der Nase herumführen.
Wer steckt hinter AöL?
Verein Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) ist ein Zusammenschluss von Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft. Nach eigenen Angaben präsentieren sie mit etwa 2,5 Milliarden Euro Umsatz etwa ein Drittel des deutschen Bio-Marktes. Im Zentrum der Aktivität stehen die politische Interessenvertretung sowie der Austausch der Mitglieder.
Mitglieder Die AöL vertritt nach eigenen Angaben 92 Unternehmen (Stand: Januar 2016). Die Mitglieder reichen von kleinen Betrieben wie beispielsweise Ruschin Makrobiotik bis hin zu namenhaften Firmen wie Hipp oder Ritter Sport.
Werte Im Jahr 2012 benannte die AöL sechs Prioritäten. Die Unternehmen verpflichten sich, umfassende Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen, den Ernährungswert der Lebensmittel zu fördern, neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch das Gemeinwohl im Blick zu haben sowie bei der Aushandlung der rechtlichen Rahmenbedingungen mitzureden. Zudem setzen sie auf Integrität, Transparenz und einen respektvollen Umgang mit Nutztieren.
Die Anfänge des Bio-Rechts
Dr. Alexander Beck ist Lobbyist. Er berät Unternehmen, die ihn dafür bezahlen. Er spricht mit Politikern, die ihn nicht dafür bezahlen. Dafür ist er viel in Brüssel und Berlin unterwegs. Mehr in Brüssel, denn "die Agrar- und Lebensmittelpolitik wird von der EU gemacht", stellt Beck fest.
Seit 27 Jahren ist der Einraffshofer (seine Frau Christine führt den Schlehenhof in Mitgenfeld) in der Bio-Branche aktiv. Als die Europäische Union im Jahr 1989 über die Kennzeichnungspflicht für Bio-Lebensmittel diskutierte, hatte er gerade angefangen, für die Marke Demeter - das Siegel prangt auf vielen Bio-Produkten - zu arbeiten. 1991 wurde das Gesetz verabschiedet. "Das war damals ein sehr kleines Pflänzchen", erinnert sich Beck. Heute ist der Bio-Markt ein aufstrebender Wirtschaftszweig. Acht Milliarden Euro Umsatz werden im Jahr mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland gemacht, sagt Beck, es gebe etwa 8000 verarbeitende Unternehmen für Bio-Produkte - das sind eben nicht die klassichen Bio-Bauernhöfe, sondern die Unternehmen, die zwischen Erzeuger und Händler stehen. Etliche dieser Firmen haben sich in der Assoziation ökologischer Lebensmittel (AöL) zusammengeschlossen, deren Geschäftsführer Beck ist. In der näheren Umgebung sind zum Beispiel Bionade, Maintal Konfitüren aus Haßfurt oder die W-E-G-Stiftung Fulda (ehemals Tegut) dabei. Der Verband ist deutschlandweit aufgestellt und europaweit vernetzt. Der Sitz der AöL ist in Bad Brückenau.
Kritik am System
"Unsere Unternehmen sind davon überzeugt, dass wir unser ernährungswirtschaftliches System neu erfinden müssen", sagt Beck. Und dann spricht er über Themen wie die Nitratbelastung des Grundwassers oder den Verlust der Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen. Er erzählt von Sojabohnen, die aus Lateinamerika eingeführt und an Schweine in Nordrhein-Westfalen verfüttert werden, beispielsweise, deren Mist wiederum nach Mecklenburg-Vorpommern oder Polen verkauft wird. "Die Preise sagen nicht die Wahrheit", kritisiert Beck.
"Heute ist ein Salat teurer als ein Stück Fleisch."1996 hat sich Beck als Berater selbstständig gemacht. Mit seinem umfangreichen Wissen über den Rechtsrahmen der EU für Bio-Lebensmittel hat sich der Lebensmitteltechnologe - Beck promovierte 1996 an der Universität Warschau - in der Branche einen Namen gemacht. Nachhaltigkeit, Umweltschutz, die Werthaftigkeit von Nahrungsmitteln... das Bewusstsein für diese Themen komme langsam in der Gesellschaft an. "Wir reden sehr viel darüber, es gibt auch viele Leute, die das so sehen. Aber es fehlt der politische Wille", bewertet Beck die Situation.
Anfang dieses Jahres ist das Büro der AöL von der Dr.-Gartenhof-Straße in die Untere Badersgasse umgezogen. Im Untergeschoss hat die Kreisgruppe vom Bund Naturschutz schon länger ihre Räume. Demnächst ist eine Einweihungsfeier geplant, intern. "Als Organisation haben wir keine regionale Ausrichtung", erklärt Beck. Persönlich aber begrüße er lokale Initiativen, die ebenfalls Nachhaltigkeit und einen verantwortlichen Konsum unterstützen - wie zum Beispiel die Dachmarke Rhön oder die Fair Trade-Stadt Bad Brückenau.
Umdenken geht langsam
Warum sich die Mitglieder der AöL in Fulda - und nicht in der Kurstadt - treffen, hat einen einfachen Grund. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sei katastrophal, beklagt der 51-Jährige, viele seiner Unternehmer würden aber aus Prinzip - ganz im Sinne der Nachhaltigkeit - mit dem Zug anreisen.
Nach zwei Veranstaltungen in einem großen Hotel im Staatsbad habe er das Vorhaben aufgegeben.Wenn Alexander Beck genug vom politischen Bühnenspiel hat, an dessen Fäden er hinter den Kulissen kräftig mitzieht, kehrt er in die Rhön zurück zu seinen Ziegen. Und dann denkt er über die Menschen nach, die fraglos aus den Regalen nehmen, was die Händler ihnen hineinlegen: Erdbeeren im Januar oder Hähnchenfilet für 1,89 Euro pro 350 Gramm. Sogar seine Ziegen merken, wenn ihre Nahrung fad, kraftlos und ohne Geschmack wird. Sie lassen sich nicht an der Nase herumführen.
Wer steckt hinter AöL?
Verein Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) ist ein Zusammenschluss von Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft. Nach eigenen Angaben präsentieren sie mit etwa 2,5 Milliarden Euro Umsatz etwa ein Drittel des deutschen Bio-Marktes. Im Zentrum der Aktivität stehen die politische Interessenvertretung sowie der Austausch der Mitglieder.
Mitglieder Die AöL vertritt nach eigenen Angaben 92 Unternehmen (Stand: Januar 2016). Die Mitglieder reichen von kleinen Betrieben wie beispielsweise Ruschin Makrobiotik bis hin zu namenhaften Firmen wie Hipp oder Ritter Sport.
Werte Im Jahr 2012 benannte die AöL sechs Prioritäten. Die Unternehmen verpflichten sich, umfassende Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen, den Ernährungswert der Lebensmittel zu fördern, neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch das Gemeinwohl im Blick zu haben sowie bei der Aushandlung der rechtlichen Rahmenbedingungen mitzureden. Zudem setzen sie auf Integrität, Transparenz und einen respektvollen Umgang mit Nutztieren.
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