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Bad Brückenau
Bad Brückenau: Die Beschäftigten sind erschüttert
Einst zählte das Regena zu den besten Gesundheitshotels des Landes. Prominente besuchten Bad Brückenau regelmäßig. Ist Corona der einzige Grund für die Insolvenz?
Bundesweit bekannt: Mit seinen Stammgästen wurde das Gesundheitshotel Regena immer älter, auch wenn kontinuierlich investiert wurde. Foto: Ulrike Müller       -  Bundesweit bekannt: Mit seinen Stammgästen wurde das Gesundheitshotel Regena immer älter, auch wenn kontinuierlich investiert wurde. Foto: Ulrike Müller
| Bundesweit bekannt: Mit seinen Stammgästen wurde das Gesundheitshotel Regena immer älter, auch wenn kontinuierlich investiert wurde. Foto: Ulrike Müller
Ulrike Müller, Julia Raab
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:11 Uhr

Laub liegt auf der Straße, die zum Regena führt. Das Gesundheitshotel liegt am Rande des Staatsbads im Wald versteckt. Auf dem Parkplatz steht kein einziger Wagen. Allein die Saline vor dem Gebäude läuft noch. Das Wasser plätschert wie eh und je, als sei nichts gewesen. Wer anruft, erfährt vom Anrufbeantworter, dass das Haus wegen der Corona-Pandemie übergangsweise geschlossen sei. Auch auf der Website ist das zu lesen. Kein Wort von der Insolvenz, die Ende September Mitarbeiter und Einheimische gleichermaßen fassungslos machte .

Eine langjährige Beschäftigte , die namentlich nicht genannt werden möchte, sagt, sie stehe aktuell noch unter Schock. Gewusst hätten weder sie noch ihre Kollegen von der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers . Zwar sei vor ein paar Wochen mal die Rede von Insolvenz oder vielmehr einer Wirtschaftsprüfung gewesen. In kleinen Meetings hätten die einzelnen Abteilungen aber noch über neue Konzepte gesprochen. "Es sind viele Mitarbeiter betroffen, die seit vielen, vielen Jahren dort beschäftigt waren", erzählt die Mitarbeiterin .

"Es ist ein großer Verlust für Bad Brückenau . Die Stadt verliert an Renommee", sagt Wolf Dieter Pawelke. Als erster Direktor des Hauses - ab dem Gründungsjahr 1973 - prägte er das Regena jahrzehntelang maßgeblich. "Die Mitarbeiter haben das nicht verdient", sagt er über die Insolvenz. Im Jahr 2006 schied Pawelke, inzwischen als geschäftsführender Gesellschafter, aus und verkaufte seine Anteile am Unternehmen.

Gäste kamen mit dem Hubschrauber

Das Haus hat eine bemerkenswerte Geschichte: Weil es für das damalige Zonenrandgebiet Sonderabschreibungen gab, wurde das Regena als Kommanditgesellschaft gegründet. Anfangs firmierte es als Sanatorium, bereits 1978 erfolgt die Erweiterung der Badeabteilung. Dr. Wiedemann-Kur, Frischzellen-Kuren, Cranosacral-Therapi: Schon immer legte das Regena den Schwerpunkt auf Gesundheit. Und die Gäste kamen.

Schauspieler Günter Strack, der ehemalige Bundestrainer Helmut Schön , Botschaftsangestellte aus verschiedenen Ländern zählten zu den Stammgästen. Anwohner erinnern sich, dass manche selbst mit dem Hubschrauber anreisten. Zur Jahrtausendwende erschuf ein anerkannter Architekt die Helena-Therme neben dem Hauptgebäude. Die traditionelle chinesische Medizin, wie sie das Regena anbot, zog noch bis vor wenigen Jahren Besucher aus dem asiatischen Raum an.

Doch mit der Zeit verblasste der Glanz. Der Schwerpunkt Gesundheit war längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr. "Die Nachfrage nach Medizin hatte nicht mehr denselben Zug", sagt einer, der das Regena gut kennt. Das Geld sei zunehmend mit Wellness verdient worden. Mit seinen Stammgästen alterte auch das Regena, obgleich kontinuierlich investiert wurde: 2011 weihte das Team einen Heilsalzstollen ein, 2014 wurde das Restaurant um eine Terrasse erweitert, von 2015 bis 2018 folgte die Renovierung der Zimmer.

Zahl der Mitarbeiter geht zurück

Indes ging die Zahl der Mitarbeiter stetig zurück. 2011 waren es Zeitungsartikeln zufolge noch knapp 100 Beschäftigte , die sich 60 Vollzeit-Stellen teilten. 2018 ist von 60 bis 70 Mitarbeitern die Rede. Im Zuge der Insolvenz spricht die Münchner Kanzlei Müller-Heydenreich Bierbach und Kollegen nur noch von 50 Beschäftigten . Heinrich-Anton Seuffert, der die Geschäftsführung von Pawelke übernommen hatte, übergab das Haus schließlich einem weiteren Gesellschafter, Manfred Bauer. Der neue Mann an der Spitze holte Sandra und Raul Huerga Kanzler nach Bad Brückenau .

Das Manager-Paar kam im Januar 2018, um das Regena neu auszurichten. Die beiden führten das Basenfasten nach Wacker ein und ließen eine Ernährungsberaterin ausbilden. Sie steigerten die Sichtbarkeit des Hotels in der Stadt. Freitagabends gab es Konzerte, die für Einheimische offen waren. In der Tourismus Connection, einer Kooperation von wesentlichen Häusern und Tourist-Info zur besseren Vermarktung der Stadt, brachte sich das Regena ein.

Die Veränderungen waren spürbar, wohl aber nicht spürbar genug. Nach zwei Jahren verließen die Huerga Kanzlers das Haus. Zum Jahresbeginn übernahm die "Fidelity Hotels und Resorts Betriebs- und Verwaltungs GmbH" aus Frankfurt im Auftrag der Gesellschafter die operative Geschäftsleitung . Er habe deutliche betriebswirtschaftliche Erfolge gesehen, sagt Chief Operating Officer Frédéric Schmidt über die ersten Monate dieses Jahres. Dann aber kam die Pandemie und mit ihr Schließung und Kurzarbeit.

Gesellschafter investieren nicht mehr

Erst Anfang Juni öffnete das Hotel wieder. Doch die Gäste blieben fern. Am 19. Juni schloss das Regena erneut. Von einer Sommerpause war die Rede, um im Herbst mit neuem Konzept wieder zu eröffnen . "Wir hatten damit gerechnet, dass wir weitermachen können", erklärt Schmidt. Dafür wäre aber neues Geld von den Gesellschaftern nötig gewesen. Weil diese aber bereits für die Neuausrichtung unter Huerga Kanzler mehr als eine Million Euro investiert hätten, habe die Gesellschafterversammlung diesmal die Unterstützung verweigert.

"Ich glaube nach wie vor an diesen Standort. Ich glaube an das Naherholungsgebiet für die Rhein-Main-Region", sagt Schmidt. Ein medizinisches Hotel aber werde das Regena nicht mehr sein. "Diesen Stempel wollen wir nicht mehr haben." Vielmehr sehe er Potenzial bei modernen Trendsportarten. Dann erreiche das Hotel auch eine Zielgruppe zwischen 30 und 60.

Allerdings sei ein Neustart während der Corona-Pandemie, wenn die gesamte Branche kämpft, denkbar schwierig. Schmidt hofft auf einen neuen Investor, ein neues Konstrukt, wie es weitergehen könnte, neues Geld. Die Unsicherheit für die Mitarbeiter aber bleibt. "Die Geschäftsführung und der Insolvenzanwalt konnten uns vor einigen Tagen nicht sagen, wie es weitergeht", sagt ein anderer Beschäftigter, der ebenfalls anonym bleiben möchte. Eine Kündigung habe er noch nicht bekommen.

Das Regena, sagt er, habe immer wieder Höhen und Tiefen erlebt. Einen allgemeinen Abwärtstrend habe er nicht feststellen können: "Bis Ende 2019 war alles in Ordnung."

 
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  • J. F.
    Dr. Wiedemann-Kur, Frischzellen-Kuren, Craniosacral-Therapie, traditionelle chinesische Medizin ... Das Erstaunliche ist doch nicht die Pleite, sondern der Umstand, dass mit solchem Gedöns so lange und so viel Geld zu verdienen war. Kleiner Scherz am Rande: Wie viele Schafe braucht man für eine Frischzellen-Kur? Antwort: Drei. Ein Schaf, das die Zellen liefert. Ein Schaf, das die Zellen spritzt. Und ein Schaf, das sich die Zellen spritzen lässt und den Hokuspokus bezahlt.
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  • R. B.
    Günter Strack und Helmut Schön, na das ist wohl 40 Jahre her und genau so sieht das Hotel aus. Wenn man auf den Charme „Plattenbau DDR“ steht, dann mag man hier richtig sein.
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  • R. B.
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