Es ist schon einige Jahre her, da etablierte die Klinik Hartwald der Deutschen Rentenversicherung im Staatsbad einen zweiten Schwerpunkt im Haus: Psychosomatik . Seitdem geht die Behandlung von Magen- und Darmerkrankungen zunehmend Hand in Hand mit einem psychologischen Ansatz, der das seelische Wohlbefinden der Patienten in den Mittelpunkt stellt.
Diese Verbindung - so sagt es der ärztliche Direktor der Klinik, Professor Christoph Reichel - sei einmalig in Deutschland. Als nun am vergangenen Wochenende die Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zum zweiten Mal ihre Jahrestagung in Bad Brückenau abhielt, beschäftigten sich die rund 300 Mediziner mit eben diesen Zusammenhängen zwischen Ernährung und Psyche.
Zweitgrößte Schaltzentrale des Körpers
"Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien des Darms auf das Glücklichsein der Menschen auswirkt", erklärt Reichel. 70 Prozent der an Depressionen erkrankten Patienten litten auch unter Beschwerden der Funktionen von Magen und Darm. Deshalb verfolge die Klinik Hartwald einen ganzheitlichen Ansatz, um Volkserkrankungen wie beispielsweise das chronische Reizdarmsyndrom besser behandeln zu können.
Jens Aron, Chefarzt der Psychosomatik , erklärt: Das Verdauungssystem ist mit etwa 100 Millionen Nervenzellen ausgestattet. Damit ist es nach dem Gehirn die zweitgrößte Schaltzentrale des Körpers. Stress oder Angst seien im Bauch spürbar. "Man sagt ja nicht umsonst, jemand hat Schiss", nennt Aron ein Beispiel aus dem Volksmund, das den Zusammenhang von Magen- und Darmfunktionen und der seelischen Verfassung beschreibt.
Eine weiteres Phänomen unserer Zeit ist die, zumindest subjektiv empfundene, Zunahme an Nahrungsmittelunverträglichkeiten . So gibt es während des Kongresses auch einen Vortrag zum Thema " Nahrungsmittelallergie - Mythos oder Realität". Viele Menschen versuchen, mit dem Ausprobieren neuer Ernährungsweisen, ihre Beschwerden zu lindern. Zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel überschwemmen den Markt.
Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Internet
"Neue Trends werden von Expertenseite oft pauschal beklagt", sagt Reichel. "Das machen wir hier nicht." Eine Lactose-Intoleranz sei bei Erwachsenen gar nicht so unüblich. Empfindlich auf Fructose, also Fruchtzucker, zu reagieren, hält er ebenfalls für eine normale Erscheinung. Die Frage sei vielmehr, welchen Stellenwert Patienten ihrer Lebensmittelunverträglichkeit einräumen. "Wie stark greift das in den Alltag ein?", fragt Aron.
Wenn ein Mensch nicht mehr mit Freunden essen gehen könne, habe das durchaus eine soziale Komponente. Hier sei das Ziel aufzuzeigen, ob es nicht auch andere Wege gebe. Eine konkrete Empfehlung gibt Reichel in diesem Zusammenhang: "Wir raten unseren Patienten , Nahrungsergänzungsmittel nicht anonym im Internet zu bestellen, sondern in der Apotheke zu kaufen."
Bedeutung der Heilquellen bei der Therapie
Und eines ist noch ganz wichtig: Der Umgang mit der Angst. Viele Patienten quäle die Sorge, dass hinter ihren Beschwerden eine "lebensverkürzende Krankheit" stecken könnte, beschreibt Reichel. Hier gehe es darum, körperliche Symptome zu untersuchen, um schlimme Krankheiten wie etwa Krebs auszuschließen. Das vermittle den Menschen Vertrauen, sich auch auf ein psychologisches Behandlungskonzept einlassen. Eine stationäre Reha sei wirklich eine Chance, ergänzt der stellvertretende ärztliche Direktor Malte Arland, vielschichtige Therapiemöglichkeiten anzuwenden. "Das wird etwas unterschätzt", sagt er.
In Bad Brückenau gehört zum breiten Behandlungsfeld auch die Balneologie. Die sieben Heilquellen des Staatsbades und der Stadt tun Patienten gut: Das Wasser der König Ludwig Quelle zum Beispiel, weil es so natriumarm ist. Das Wernarzer Heilwasser stärkt die Niere. "Für uns ist eher die Siebener Quelle geeignet, sie beruhigt", sagt Aron, der Chefarzt der Psychosomatik . Die Broschüre, die die Stadt nach dem Heilquellen-Gutachten hat auflegen lassen, sei durchaus von Nutzen, ergänzt Reichel.
Der Kongress am Wochenende war für die Klinik ein Erfolg - nicht zuletzt deshalb, weil die Mitarbeiter alles parallel zur Versorgung von fast 230 Patienten geleistet haben, würdigt Matthias Kirchner, kaufmännischer Direktor.