Alles in allem ist die Öffnung der Fußgängerzone für Fahrzeuge - der Stadtrat hatte eine Testphase von vier Monaten ausgerufen und diese dann später bis September verlängert - konfliktfrei abgelaufen, zumindest aus Sicht der Polizei . "Es kam zu keiner gefährlichen Begegnung, die uns bekannt geworden ist", zieht Dienststellenleiter Herbert Markert Bilanz. Nur in Einzelfällen hätten Bürger ihm berichtet, dass zu schnell gefahren werde.
Die Anwohner sind indes weniger entspannt. In einem Brief wandten sich Josef Hahn und sechs weitere Bürger an den Stadtrat. "Wir haben ja überhaupt nichts dagegen, dass die Leute in die Fußgängerzone einfahren", sagt Hahn. "Aber ein Großteil fährt einfach nur durch, um abzukürzen."
Aus dem Schlaf gerissen
Dieses Problem ist nicht neu. Um nicht erst umständlich über die Umgehungsstraße zu fahren, gab es schon immer Autofahrer , die einfach durch die Innenstadt abkürzten. Dies sei jedoch verstärkt der Fall, seitdem die Kissinger Straße ausgebaut werde, schildert Hahn. Eine weitere Verschlimmerung stellen die Anwohner fest, seitdem der Stadtrat die Fußgängerzone testweise für den Verkehr freigegeben hat. "Viele meinen, die Fußgängerzone gibt es nicht mehr in Bad Brückenau . Aber das stimmt doch gar nicht", sagt Hahn.
Er schläft schon lange nicht mehr in den Zimmern, deren Fenster zur Unteren Badersgasse zeigen. Andere haben keine Wahlmöglichkeit. "Wenn das Fenster offen ist, kann ich nur noch mit Ohrstöpseln schlagen", erzählt ein Anlieger, und ein Nachbar ergänzt: Allein wenn er aus dem Haus trete, müsse er schon aufpassen, dass kein Auto komme. Denn viele würden zu schnell und zu nah an den Eingängen vorbeifahren - ohne Rücksicht.
Rücksichtslose Autofahrerin
Eine Situation hat sich einer Anwohnerin besonders eingeprägt. Sie spielte sich in der Ludwigstraße ab. Eine Frau sei mit dem Auto durch die Fußgängerzone gefahren, viel zu schnell, wie die Beobachterin meinte. Darauf angesprochen habe die Autofahrerin geantwortet, sie fahre doch nur 40 Stundenkilometer. "Da ist mir fast das Herz stehengeblieben", beschreibt die Anwohnerin ihr Gefühl in diesem Moment.
Im Schreiben an den Stadtrat listen die Anwohner im Detail die Probleme auf: Die Testphase erlaube die Durchfahrt nur von 7 bis 18.30 Uhr. Hindurchgefahren werde aber "zu allen Tages- und Nachtzeiten", heißt es in dem Brief. Die Badersgasse ist eine verkehrsberuhigte Straße, doch an die Schrittgeschwindigkeit halte sich so gut wie keiner. Die Regel rechts vor links werde kaum beachtet. Begegnungsverkehr - die Badersgasse wird beidseitig als Abkürzung genutzt - sei wegen der parkenden Autos praktisch unmöglich.
Polizei zeigt Verständnis
"So, wie das im Moment läuft, ist für uns die Testphase gescheitert, auch wenn das Gutachten eines Würzburger Studenten ein anderes Ergebnis bringen sollte", schließt der Brief. "Wir können nur sagen, wie die Zustände sind", erklärt Hahn im Namen der anwesenden Nachbarn. Und: "Es ist nicht unsere Aufgabe, Lösungsvorschläge zu machen", steht in dem Schreiben. Das erwarte man vom Stadtrat, wenn am 11. September erneut über die Testphase diskutiert werde.
In einem zeigt die Polizei Verständnis: Die Abkürzung durch die Obere und Untere Badersgasse sei tatsächlich ein Problem, bestätigt Markert. Der Polizei-Chef schlägt aber gleich eine Lösung vor: Die Einfahrt von der Ludwigstraße in die Untere Badersgasse müsse verboten werden. Zugleich könnten an den Gassen Richtungspfeile installiert werden, die nur das Abbiegen in die Ludwigstraße, nicht aber die Weiterfahrt geradeaus gestatten.
Am kommenden Dienstag wird der Stadtrat die Ergebnisse der Testphase auswerten und entscheiden, ob auch in Zukunft mit dem Auto bis vors Geschäft gefahren werden darf. Sollten die Stadtvertreter das befürworten, so spricht sich die Polizei zudem für eine klare Einbahnstraßen-Regelung in der Ludwigstraße aus. Richtungspfeile an allen Gassen würden sicherstellen, dass der Verkehr nur von der Altstadt in Richtung Sparkasse rollt - und nicht andersherum.
Den Vorwurf, die Polizei kontrolliere nicht, lässt Markert nicht gelten. Er selbst könne sich an mindestens drei Kontrollen erinnern. Einmal habe die Polizei dabei sogar einen Fahrer gestoppt, der mit Haftbefehl gesucht worden war. Der Mann hatte die Abkürzung durch die Badersgasse genommen.
4 Mal verhängte die Polizei ein Verwarnungsgeld, weil Autofahrer zu schnell durch die Ludwigstraße gefahren waren. Ab einer Geschwindigkeit von zehn Kilometern pro Stunde kann die Strafe erteilt werden.
5 Monate dauert die Testphase. Von Mai bis September dürfen Fahrzeuge tagsüber durch die Fußgängerzone fahren - in Schrittgeschwindigkeit. Die Einzelhändler erhoffen sich dadurch mehr Kunden.
Ein Stimmungsbild zur Fußgängerzone lesen Sie hier.