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Bad Bocklet
Bad Bocklet: Sabine Maria Beck sucht Menschlichkeit in der Pflege
Sabine Maria Beck hat als Altenpflegerin gearbeitet - bis sie selbst zum schweren Pflegefall wurde. Ihre Erfahrungen sind oft schlecht. Den Notstand, den sie erlebt hat, verarbeitet sie in Bildern.
ALtenpflegerin und Pflegefall Sabine Maria Beck malt Bilder, auch zum Pflegenotstand       -  Altenpflegerin und Pflegefall Sabine Maria Beck aus Bad Bocklet malt Bilder, auch zum Pflegenotstand
Foto: Benedikt Borst | Altenpflegerin und Pflegefall Sabine Maria Beck aus Bad Bocklet malt Bilder, auch zum Pflegenotstand
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 12.07.2024 02:44 Uhr

Ihr Glaube, die Liebe zur Malerei und ihr Sinn für Humor begleiten Sabine Maria Beck durchs Leben, gerade auch in schwierigen Zeiten. Und davon hatte die 51-jährige Bad Bockleterin viele.  "Ich hatte von klein auf viele schwere Krankheiten", sagt sie.

Sie kam als Frühgeburt auf die Welt und lag im Alter von sechs Jahren zum ersten Mal aufgrund eines Darmverschlusses für sechs Wochen im Koma . Ihr Leben war von Krankheiten bestimmt. 2018 wurde ein Darmtumor diagnostiziert, der aber gutartig war und sich entfernen ließ.

Denn das gehört auch dazu: Dass sie sich immer wieder aufrappelt, auch wenn die Lage hoffnungslos scheint.  "Mein Glaube hat mich immer durchs Leben getragen", erzählt Beck. Deshalb arbeitet sie aktuell auch an einem Buch über Wunder, in dem sie ihre Erlebnisse aufschreiben will.

Auf einen Schlag Pflegefall

Jetzt ist die gebürtige Windheimerin auf den Rollator angewiesen. Von ihrer rechten Hand kann sie nur den Daumen und den Zeigefinger bewegen. Vorher arbeitete sie als Pflegerin, war aber auch Arzthelferin.

Ihren Pflegeberuf kann sie aktuell nicht mehr ausüben, aber immerhin selbstständig leben und sie ist kein Fall mehr für ein Pflegeheim. Das sah vor kurzem noch ganz anders aus. 

2021 erkrankte sie so schwer, dass sie selbst zum Pflegefall wurde.  Was sie genau hat, stelle die Ärzte bis heute vor Rätsel. "Es ist ein großes Krankheitsbild", sagt sie.  Sie konnte für längere Zeit nicht mehr laufen und war auf den Rollstuhl angewiesen. 

Zeitweise verlor sie sogar die Fähigkeit zu Sprechen und zu Schlucken, erzählt sie.  Beck war gezwungen, ihr Haus zu verkaufen, um den Platz in einem Pflegeheim zu finanzieren. "Ich habe gedacht, ich gehe da zum Sterben hin".

Nach zweijähriger Leidenszeit und langem Kampf, gelang es ihr, sich so weit zu erholen, dass sie wieder selbstständig leben kann - mit Unterstützung von Familie und Freunden. 

"Das Menschliche bleibt auf der Strecke"

Sabine Maria Beck hat im Lauf des Lebens beide Seiten des Pflegealltags hautnah kennengelernt. Sie weiß, was es heißt, andere Menschen zu pflegen und sie weiß, was es heißt, auf Hilfe angewiesen zu sein. 

Leider überwiegen bei ihr die schlechten Erfahrungen, auch wenn sie selbst sagt, dass sie auch gute Arbeitgeber und Kollegen hatte. "Schon vor 20 Jahren habe ich gesagt, wenn das System so weiter geht, gibt es einen Pflegenotstand ", sagt sie.

Zu wenig Personal für zu viel Arbeit, zu hoher Dokumentationsaufwand, zu wenig Zeit, um sich wirklich um die Menschen zu kümmern, die Hilfe benötigen. "Es ist oft nur funktionell", kritisiert sie.

Die Pflegenden hätten oft nur Zeit für das Nötigste, wie Essen verabreichen. "Das Menschliche bleibt oft auf der Strecke", sagt sie. Im Lauf der Jahre und gerade durch die Corona-Pandemie, habe sich die Situation zugespitzt.

Als Pflegefall habe sie sich zum Teil gefühlt, wie ein Tier in einem Käfig - ganz dem Wohlwollen oder auch der Willkür der Pflegekräfte und Ärzte ausgeliefert. "Wenn man Glück hat, kriegt man Menschen, die zur Pflege berufen sind. Diese Menschen sind sehr wichtig", sagt sie. Engagierte Pflegekräfte hätten allerdings auch oft die Tendenz, sich aufzureiben und die eigene Gesundheit im Beruf aufs Spiel zu setzen.

Kunst im Schaufenster

Sie ist glücklich, dass sie kein schwerer Pflegefall mehr ist und wieder eigenständig wohnen kann. Auch wegen der finanziellen Belastung und dem Gefühl, eine Last für andere zu sein. "Ich wäre seelisch in dem Heim eingegangen", sagt Beck. 

Gemalt hat die 51-Jährige schon ihr ganzes Leben. "Gerade im Heim habe ich viel gemalt, das hat mir geholfen", erzählt sie. Rund 250 Bilder sind in den vergangenen Jahren entstanden. Einen Teil stellt sie aktuell in den Schaufenstern der früheren VR-Bank-Filiale in Bad Bocklet aus. Ihre Bilder malt die Altenpflegerin mit den beiden funktionierenden Fingern ihrer rechten Hand. "Schreiben fällt mir schwer, aber das Malen geht", sagt sie.

Drei Stunden Arbeitszeit braucht sie im Schnitt für ein Gemälde, wobei sie nicht am Stück arbeiten kann, sondern schmerzbedingt immer wieder Pausen braucht.  Daran hat sie sich aber gewöhnt.   Bei ihren Motiven beschäftigt sie sich mit Glaube und allem, was sie bewegt - unter anderem auch ihre Erfahrungen in der Pflege. 

Gustl sucht die Menschlichkeit

Das Bild "Traum oder Wirklichkeit" zeigt den 100-jährigen Heimbewohner Gustl, in der Dusche sitzend, Tränen laufen von seinem Gesicht, während das Wasser immer höher steigt.  Ein Pflegeroboter steht ihm zur Seite, aber eigentlich ist Gustl völlig auf sich allein gestellt und vollkommen verzweifelt. 

Eine dunkle Gedankenblase lässt erahnen, was in ihm vorgeht. "Wo ist die Menschlichkeit, wo sind die Menschen?", könnte er sich fragen, genauso wie: "Was bin ich als Mensch überhaupt wert?"

Ein zweites Bild setzt die Szene fort. Ein Engel weckt Gustl aus diesem Alptraum auf und holt ihn in eine menschliche Wirklichkeit zurück, in der ein Pfleger auf ihn wartet und sich um ihn kümmert.  "Ich möchte damit auf die Zustände aufmerksam machen und die Leute zum Nachdenken bringen", erklärt Beck. Nachdenken darüber, warum es Menschlichkeit in der Pflege braucht - und zwar für alle Seiten. 

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Altenpflegerin und Pflegefall Sabine Maria Beck aus Bad Bocklet malt Bilder, auch zum Pflegenotstand       -  Das Bild links zeigt Pflegefall Gustl, der von einem Pflegeroboter betreut wird und doch vieles selbst machen muss. 'Wo ist die Menschlichkeit?', fragt sich Malerin Sabine Maria Beck. Rechts das Ideal: Ein Pfleger geht auf seine Bedürfnisse ein.
Foto: Benedikt Borst | Das Bild links zeigt Pflegefall Gustl, der von einem Pflegeroboter betreut wird und doch vieles selbst machen muss. "Wo ist die Menschlichkeit?", fragt sich Malerin Sabine Maria Beck.
 
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