
Alpakas muss man einfach mögen: Mit ihren großen dunklen Augen, den freundlichen Gesichtern und dem flauschigen Fell scheinen sie wie gemacht dafür, die Herzen der Menschen zu erobern. Es sind besondere Wesen und sie tun Menschen gut.
Warum also nicht eine Therapie mit Alpakas anbieten? Das dachte sich auch Arpad Grec, der Chefarzt der Psychosomatischen Abteilung in der Rehaklinik Bad Bocklet . Vor gut einem Jahr hat er diese übernommen. Seither ist er dabei, die Therapieangebote und Behandlungen weiterzuentwickeln.

„Es wird natürlich viel diskutiert und zum Teil auch spekuliert, was genau der gesundheitsfördernde Aspekt der Therapie mit Tieren ist“, dessen ist sich der Psychiater bewusst. Einer der wichtigsten Faktoren im Prozess der Stabilisierung und Gesundung ist die Beziehung zwischen Therapeuten und Klienten.
Andere Art der Therapie
„Natürlich gehen wir klassischerweise dabei von einer Beziehung zwischen zwei Menschen aus, welche das Ziel hat, zu einer größeren Klarheit hinsichtlich der Bedeutung eigenen Erlebens zu verhelfen, Problemlösungsstrategien zu entwickeln, Wissen um die eigenen Ressourcen zu vertiefen und Kontrolle über das eigene Verhalten zu erlangen“, so Arpad Grec.
Dennoch ist er überzeugt, dass auch eine therapeutische Beziehung zu Tieren einen Teil der erwähnten Effekte erzielen kann. „Es ist natürlich eine weniger von logischem Denken und Gesprächen geleitete Art von Therapie“, erklärt der Psychiater und fügt hinzu: „Es ist vielmehr eine mehr vertrauensvoll-emotionale Beziehung zu einem Wesen, welches kaum Forderungen oder Ansprüche stellt und das innerhalb sehr kurzer Zeit eine emotionelle Bindung herstellt, für die wir Menschen miteinander oft Wochen oder Monate brauchen.“

Die tiergestützte Therapie sieht Grec jedoch nicht als Ersatz zur klassischen Psychotherapie . „Sie kann aber als auf emotionaler Ebene schnelle, tiefe und sinnvolle Ergänzung gesehen werden.“
Emotionale Zuwendung
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist der emotionale Aspekt. „Gerade bei einer Störung der Emotionalität, etwa bei der Depression, bringt die unbedingte, bedingungslose und nicht auf Gewinn ausgerichtete Zuwendung eines Tieres eine Erfahrung, die viele depressive Menschen durch die Erkrankung verloren haben“, schildert der Psychiater .
„Diese haben sich oft abgekapselt und ein Gefühl der Gefühllosigkeit. Zudem haben sie die Erfahrung gemacht, dass die Umwelt mit Unverständnis und sogar Ablehnung reagiert, was dann wiederum den Rückzug in die eigene Gefühlswelt und das Gefühl des Alleinseins verstärkt.“
Ein Kreislauf setzt sich in Gang, den die tiergestützte Therapie durchbrechen kann. „Denn plötzlich wird man mit einem Wesen konfrontiert, dass sich voller Vertrauen in die Hände des Menschen begibt und, ohne etwas zu verlangen – außer eventuell ein paar Leckerbissen zur Belohnung – einfach für einen da ist. Es kritisiert nicht, sondern geht den Weg, den man geht, mit.“ Dies beschreiben Depressive immer wieder und geben es als wichtigen Faktor in ihrer emotionellen Gesundung an.
Fündig geworden bei Rhönmomente
Alpakas, so Grecs Idee, sind perfekt dafür geeignet. Somit begab sich der Chefarzt auf die Suche nach einem passenden Partner ganz in der Nähe. In Ginolfs bei Rhoenmomente von den Brüdern Florian und Marc-André Janz wurde er fündig.

Seit dem Frühjahr bietet die Klinik alle 14 Tage Alpakawanderungen für ihre psychosomatischen Patientinnen und Patienten an. Die Resonanz darauf fällt absolut positiv aus. „Es war ein totales Highlight“, fasst eine Teilnehmerin am vergangenen Mittwoch ihre Eindrücke nach der Wanderung zusammen.
„Das würde ich sofort wieder machen.“ Die Begeisterung über das Erlebte ist ihr förmlich anzusehen. Dabei war sie, wie alle anderen Teilnehmenden der achtköpfigen Gruppe, am Morgen noch etwas unsicher, was bei der Wanderung auf sie zukommen würde.
Jedes Tier hat seine Besonderheiten
„Ihr habt wohl noch geschlafen“, begrüßt Bianka Janz, die Wanderführerin, die Alpakas am Morgen auf der Koppel oberhalb von Ginolfs, die recht langsam aus ihrem Unterstand hervorkommen. Mit wenigen Handgriffen legt sie ihnen die Halfter und Leinen an und stellt ganz nebenbei die tierischen Wandergefährten vor. Sie heißen Willi, Otto, Kenny, Herkules, Brian, Anton, Kenny und Rüdiger

Jeder hat so seine Besonderheiten, erzählt sie. Kenny etwa hat ein graues Fell, was bei Alpakas selten vorkommt. Der braune Rüdiger hingegen trägt den Beinamen Rakete, weil er als ganz junges Alpaka immer herumgedüst ist. Brian mit braunem Fell und Herkules, der Weiße, sind die Anführer der Herde. Anton ist das einzige schwarze Tier.
Durch Wald und Flur von Ginolfs
Spontan entscheiden sich die Patientinnen und Patienten für je ein Tier und machen sich auf den Weg – eine rund vier Kilometer lange Runde durch Wald und Flur von Ginolfs. Zwischendurch kommt die Wandergesellschaft immer wieder einmal zum Stehen. Schließlich sind die Alpakas kleine Naschkatzen und lieben es, hier und dort ein paar Gräser, Kräuter oder Blätter zu zupfen.
Zeit für eine Pause gibt es auf der Tour auch. Die Alpakas nutzen sie für einen Imbiss am Wegrand, während die Patientinnen und Patienten ihre Handys für ein Erinnerungsfoto zücken. Nach gut zwei Stunden kommt die Wandergesellschaft wieder auf der Koppel an.
Besondere Belohnung für die Alpakas

Hier gibt es zum Abschluss für die Alpakas eine besondere Belohnung: „Sie bekommen ein Müsli, welches sie sehr mögen“, sagt Bianka Janz und verteilt die Schalen. Mit Eifer machen sich die Tiere darüber her. Genauso eifrig sind die Menschen bei der Sache. „Mein Alpaka hat mir aus der Hand gefressen“, freut sich eine Patientin. „Die haben ja ganz weiche Lippen“, zeigt sie sich sichtlich überrascht.
Regelrecht beschwingt und beseelt, aber auch ein klein wenig geschafft von den vielen Eindrücken machen sie sich im Kleinbus auf den Heimweg. „Die Tiere geben einem viel“, fasst ein Patient zusammen und fügt hinzu: „Vor allem Freude.“
Tiergestützte Therapie ergänzt
Chefarzt Arpad Grec freut sich dies zu hören, denn sein Plan ist aufgegangen. „Die Therapieforschung zeigt, dass naturgestützte und tiergestützte Therapieformen einen enormen Stellenwert in der psychotherapeutischen Behandlung insbesondere in der Psychosomatik haben“, erklärt er.
Er betont: „Tiergestützte Therapie ist kein Alleingang. Sie kann die Psychotherapie nicht ersetzen. Aber sie kann sie ergänzen auf einer Ebene, zu der Tiere einen schnelleren, leichteren und klareren Zugang haben als wir Menschen. Deshalb setzen wir in der Klinik neben klassischen Therapien und Anwendungen auch gezielt einen Schwerpunkt auf naturgestützte Therapien.“
Die nahe Rhön und die Landschaft rund um Bad Bocklet bieten beste Voraussetzungen dafür - nun auch mit Alpakas.