„Keine Angst. Ich les´ nicht das ganze Buch!“ – So begrüßte und beruhigte Autor und „Alt-Punk“ Kent Nielson die 20 Gäste, die es sich im Bad Bockleter Bücher-Pavillon bequem gemacht hatten. „Wie aus mir kein Tänzer wurde“ lautet der Titel der 200 Seiten starken Autobiografie, die die Entwicklungen der dänischen Punkszene aus der Sicht von Kent Nielson darstellt und aus der der Musiker drei Episoden vorlas. Die Lesung wurde umrahmt von zehn adaptierten Punk-Stücken, die er untypisch, aber sehr melodisch mit der Ukulele begleitete.
Stoppel statt Iro
Irokesen-Haarschnitt in Orange, Nieten-Lederjacke, zerrissene Jeans – weit gefehlt. Im Spotlight steht Kent Nielson im schwarz-grauen Outfit, die Haare stoppelkurz. Einzig die Tattoos, die sich aus dem Hemdkragen und den Ärmeln kringeln, weisen auf eine bewegte Vergangenheit hin. Nicht rotzig oder provokant, eher sanft ist der Auftritt von Kent Nielson, der Mitte der 1960er Jahre in einem kleinen Ort in Dänemark geboren wurde. Er ist nicht nur Zeuge der aufblühenden Punk-Szene , sondern war ab 1977/78 ein Teil von ihr.
Einstieg in die dänische Punk-Szene
Diese Zeitenwende markiert den Einstieg in sein Taschenbuch. Umschrieben hatte er die Episode mit „ Rockerkrieg “, worin er Onkel Paul als „Rocker mit Kutte und Vorbildfunktion“ nannte und die eigene Position als „undefiniert rechts“ einordnete.
Aus der entstehenden Punk-Szene beschreibt er in den nächsten Ausschnitten sein Abdriften in das nicht-bürgerliche Leben mit Wohnungssuche, Ausbildung zum Landschaftsgärtner, Organisieren von Feten, Bezug von Stütze, Obdachlosigkeit, Alkoholabhängigkeit und abgebrochenen Praktika.
Punk-Musik in der Akustikvariante
Eher amüsant wirkt seine Beschreibung über die Besetzung eines Kopenhagener Jugendhauses, als 1000 Polizisten zur Räumung von 30 Hausbesetzern eingeplant wurden und diese dann ein leeres Haus erstürmten – alle Besetzer hatte das Haus bereits durch einen 20 Meter langen Fluchttunnel verlassen. Kent Nielsons Fazit der Entwicklungen: Aus Punks wurde Autonome und diese wurde radikal. Nüchtern, sachlich, unprätentiös und teils sehr persönlich, aber immer mit satirischem Unterton – so präsentierte Kent Nielson seine Erinnerungen und er bekannte: einmal Punk, immer Punk.
Zum Punk gehört die passende Musik: schnell, laut und mit kritischen, harten Texten. Damit hätte Kent Nielson aufgrund seines Lebenslaufes sicherlich dienen können, aber er wählte die Ukulele als Instrument und entlockte dieser viersaitigen, gitarrenähnlichen Laute Melodien und Rhythmen, die an amerikanische Liedermacher erinnerten – mal mit englischem, mal mit dänischem Text, mal eigene Stücke, mal als Cover-Versionen von Punk-Klassikern.
Private Eindrücke über den Altpunk
Ein bisschen Country-Folk, ein bisschen Blues, ein bisschen R'n´B und dabei in den Tonlagen von Leonard Cohen , Bob Dylan , Cat Stevens , Neil Young oder Kris Kristoffersen – gekonnt vermischte Kent Nielson verschiedene Stilrichtungen und präsentierte das Ergebnis im Rahmen von Liebesliedern, von balladenhaften Stücken und sanft interpretierten Punk-Klassikern der „Ramones“ oder dänischen Bands wie „Kalaschnikow“.
Jedes Stück hatte eine kleine Geschichte und die leichthin erzählte Hinführung gab Einblicke zur ersten Freundin, zur grönländischen Sittenlehre, zum Roskilde Festival oder zum posttraumatischen Stress. Auch wenn der Schwerpunkt des Abends auf der musikalischen Seite lag, so war es doch eine erquickende Mischung aus beidem, die durch Kent Nielsons sehr persönliche Anmerkungen einen unterhaltsamen, ja charmanten Tagesausklang ergaben.
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