Das Jahr 2015 werden Jiji Jacob, Jobi Valumannil Johny, Neethumol Mathew und Sherly Yesodharan wohl nicht vergessen: Elf Monate arbeiteten sie in Bad Bocklet, um an Ayurveda interessierten Menschen zu zeigen, wie sie ihre Beschwerden mittels der altindischen Heilkunst lindern können. An Silvester hieß es nun für das Therapeuten-Team Abschied nehmen. Die Wehmut war da, aber auch die Freude darüber, mit dem Geld, das sie sich hier zusammensparten, daheim endlich lang gehegte Pläne umzusetzen.
Neethumol (29) zum Beispiel hat ihren Verdienst jeweils am Monatsende in die Heimat geschickt, wo ihr Mann gerade ein kleines Häuschen baut. Jobi (34) kann sich jetzt mit seinen Ersparnissen in Indien ein Grundstück kaufen. Sherly (45) steckt ihren Verdienst in Reparaturen an ihrem Haus und in die Hochzeitsvorbereitungen für ihre Tochter. Und Jijy (47) hat sehr begabte Kinder, denen er mit seinen Ersparnissen eine ordentliche Schulbildung finanzieren will.
Doch die vier Inder haben nicht nur Geld mit heim genommen, sondern auch ihren Erfahrungsschatz erweitert, darin sind sie sich einig. Vor allem lernten sie Deutsch, was zugegebenermaßen nicht ganz leicht war, da es sich sehr von Hindi unterscheidet. Doch Ayurveda-Projektmanagerin Ebba-Karina Sander besorgte für ihre vier Schützlinge gute Lehrbücher und empfahl ihnen das deutsche Fernsehen.
Jijy, Jobi, Neethumol und Sherly strahlen, wenn sie von ihrem Aufenthalt erzählen. „Der Kuchen und die Schokolade sind hier sehr gut“, verrät Sherly mit einem Augenzwinkern. Jobi schwärmt von Pommes Frites und Kalamari. „Nicht zu vergessen der Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt“, sagt er und lacht. So etwas hatte er zuvor noch nie probiert. Sander schildert die Besucher aus Indien als sehr flexibel. „Sie haben auf dem Kreuzberg sogar Bratwurst und Bier probiert.“
„Die Deutschen sind sehr freundlich“, sagt Sherly. Aufgefallen ist ihr, dass hier alles sehr sauber gehalten wird. Zudem gibt es für Vieles einen Zeitplan. Dann muss sie plötzlich lachen: „Inzwischen machen wir auch schon alle einen Stundenplan.“
Für Jobi waren all die großen Maschinen in Deutschland bemerkenswert. Er staunte nicht nur über die Autowaschanlagen, in die man mit dem Wagen hineinfährt. Weil er technisch interessiert ist, sah er sich des öfteren in den Baumärkten der Umgebung um und hatte besonders an den Bohrmaschinen seine helle Freude, erzählt er und grinst. Und dann sah er plötzlich irgendwo jemanden, der eine Fliesenschneidemaschine betätigte. Ungläubig kam er näher: „Die macht ja kaum Lärm“, stellte er beeindruckt fest.
Die größte Überraschung für alle war aber wohl der Schnee, den sie zum ersten Mal in ihrem Leben sahen, als sie im Februar 2014 mit dem Flugzeug in Frankfurt landeten. „Auf der Fahrt nach Bad Bocklet musste ich den Wagen irgendwo im Wald anhalten, weil alle den Schnee anfassen wollten“, sagt Sander. In Indien liegt die „kälteste“ Temperatur bei plus 25 Grad Celsius. Also mussten die Vier dann hier auch winterlich eingekleidet werden.
Den Jahreswechsel 2015/16 erlebten Jijy, Jobi, Sherly und Neethumol nun im Flugzeug. Der Lebensabschnitt Bad Bocklet ist beendet. – Im Ayurveda-Zentrum Bad Bocklet sind aber bereits drei neue Therapeuten aus Indien angereist.