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Bad Kissingen
Ein journalistisches Leben
In 'Zeit meines Lebens' gewährt der verstorbene Journalist Theo Sommer posthum Einblicke in seine beeindruckende Karriere bei 'Die Zeit'. Seine Ex-Frau Heide Sommer stellt die Autobiografie vor.
Heide Sommer (83) liest aus den Erinnerungen ihres 2022 verstorbenen Ex-Mannes Theo Sommer.       -  Heide Sommer (83) liest aus den Erinnerungen ihres 2022 verstorbenen Ex-Mannes Theo Sommer.
Foto: Sigismund von Dobschütz | Heide Sommer (83) liest aus den Erinnerungen ihres 2022 verstorbenen Ex-Mannes Theo Sommer.
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 21.01.2025 16:21 Uhr

Bis zuletzt feilte der bereits 92-jährige Theo Sommer , von 1973 bis 1992 Chefredakteur und dann bis zum Jahr 2000 Mitherausgeber der Wochenzeitschrift „Die Zeit“, an seinen „Erinnerungen eines Journalisten“.

Nur drei Monate nach seinem Tod im August 2022 erschien seine Autobiografie unter dem Titel „Zeit meines Lebens“ im Propyläen Verlag.

„Da er nun nicht mehr selbst daraus vorlesen kann“, kam seine Ex-Frau Heide Sommer (83) auf Einladung der Buchhandlung „seitenweise“ nach Bad Kissingen , um das 500-seitige Werk ihres früheren Ehemannes vorzustellen und ein Kapitel daraus vorzulesen. „Ich finde, er und sein Buch haben es verdient.“

Leben der Heide Sommer

Es war Heide Sommers zweites Wiedersehen mit der Kurstadt, in der die gebürtige Berlinerin einst mit ihren Eltern, dem Violinisten und Komponisten Artur Grenz (1909-1988) und der Pianistin Emmy Grenz, sowie ihren beiden jüngeren Brüdern Friedemann und Thomas Zuflucht gefunden hatte.

In den Kriegs- und Nachkriegsjahren von 1943 bis 1950 lebte sie zunächst als Vorschülerin in Garitz, dann als Grundschülerin in der Bismarck-Wohnung in der Oberen Saline in Hausen. Über diese Kissinger Jahre hatte sie bereits im Herbst 2020 im Rahmen einer Lesung aus ihrer eigenen Autobiografie erzählt, die 2019 unter dem Titel „Lassen Sie mich mal machen. Fünf Jahrzehnte als Sekretärin berühmter Männer“ erschienen war.

Einer dieser später berühmt gewordenen Männer war der zehn Jahre ältere und bereits verheiratete Journalist Theo Sommer (1930-2022), den die damals erst 22-jährige Heide im Jahr 1962 als Berufsanfängerin bei der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ im Hamburger Verlagshaus Gerd Bucerius kennen und lieben lernte.

Freunde fürs Leben

Die folgenden 14 Jahre blieben beide zunächst als unverheiratetes Paar zusammen. Erst nach der Geburt des zweiten Sohnes wurde 1976 geheiratet. Doch schon sechs Ehejahre später trennte sich das Paar 1982 und wurde 1988 offiziell geschieden.

„Theo war nicht für die Ehe gemacht“, blickte seine Ex-Frau jetzt auf die sechs gemeinsamen Ehejahre zurück. Als Freunde blieben sich beide allerdings bis zu Theo Sommers Tod verbunden. „Er liegt nun auf dem Ohlsdorfer Friedhof neben Helmut und Loki Schmidt begraben.“

Ein Leben für den Journalismus

Schon in der Formulierung des Buchtitels wird deutlich, dass Theo Sommer bis zum letzten Atemzug nur für seinen Beruf und die „Zeit“ lebte. Privates kommt auf den knapp über 500 Seiten kaum vor, sieht man mal von der Schilderung seines Wandels vom begeisterten Hitler-Schüler zum liberalen Journalisten ab.

Fast scheint es, als beginne Sommers wahres Leben erst 1958 mit der Verpflichtung durch Marion Gräfin Dönhoff für die „Zeit“. Die Grand Dame des Nachkriegsjournalismus prägte den jungen Journalisten, ermöglichte ihm den Aufbau eines einzigartigen Netzwerks in der deutschen und internationalen Politik-Szene und seinen persönlichen Aufstieg zum Mitherausgeber der renommierten Zeitschrift.

Journalistische Distanz gewahrt

Das fehlende Privatleben – Theo Sommer hatte drei Ehefrauen und fünf Kindern – macht der Autor in seinen Erinnerungen durch die Schilderung persönlicher Erlebnisse wett, wie sie nur wenigen Journalisten widerfahren.

Sei es die langjährige Freundschaft mit Henry Kissinger schon aus jungen Jahren, die Besuche bei US-Präsident Lyndon B. Johnson auf dessen Ranch oder beim chinesischen Staatspräsidenten Deng Xiaopeng, sein Treffen mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker oder die Verbindung mit den Politikern Helmut Schmidt und Willy Brandt .

Trotz menschlicher Nähe zu seinen Gesprächspartnern wahrte Sommer immer den nötigen Abstand als Journalist, wie es ihn seine älteren Kollegen und Mentoren Gerd Bucerius , Rudolf Augstein , Henri Nannen und „die Gräfin“ gelehrt und vorgelebt haben.

Vermächtnis an die nächste Generation

Sommer enthüllt keine intimen Geheimnisse und enttäuscht jeden Voyeur, obwohl er nach Aussage seiner Ex-Frau zeitlebens gern feierte, viel Alkohol konsumierte, Kettenraucher und auch sonst kein Kostverächter war. „Zeit meines Lebens“ gleicht deshalb eher einem Sachbuch über die Prinzipien des seriösen Journalismus.

So beschließt der Autor seine Biografie auch nicht mit einem Bericht über die letzten Jahre als Rentner und Großvater, sondern mit seinem journalistischen Vermächtnis an die jüngeren Kollegen.

Kriterien des Journalismus

Eben dieses letzte Kapitel über die „Kriterien und Krisen des Journalismus“ las Ex-Frau Heide Sommer in Bad Kissingen vor. „Dieser Text gibt genau das wieder, was Theo empfunden hat.“

Für ihn lag die Legitimation des Journalismus und der Pressefreiheit „nicht in der Schrillheit der redaktionellen Schlagzeilen oder der Grellheit der Verlagswerbebotschaften“, wie es im Buch heißt. „Sie liegt in unserer Rechtschaffenheit und Vertrauenswürdigkeit. ... Denn wenn der Respekt vor der Presse verloren geht, kann sich die Regierung leicht aus der Verantwortung stehlen.“

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