An seinem Wohnort Hammelburg ist es zuletzt um den ehemaligen Diskothekenbetreiber und Ehrenvorsitzenden der Stadtkapelle Manfred Gerlach etwas ruhiger geworden. An der Universität Würzburg war der Professor der Neurologie 2020 mit einem Ehrensymposium in den Ruhestand verabschiedet worden. Aber der Schein trügt: In seinem Fachgebiet sorgt der Neurowissenschaftler weiter für Furore.
Pendeln zwischen Hammelburg und Berlin
So pendelt er zum Vermitteln von Erkenntnissen rund um das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) weiter zwischen Hammelburg und Berlin. Ganz frisch kehrte Gerlach jetzt von einem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn aus Amsterdam zurück. Beim alle zwei Jahre stattfindenden, viertägigen Kongress des ADHS-Weltverbands mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 60 Nationen bekam er die Medaille des Verbandes verliehen.
Die Ehrung kommt nicht von ungefähr. Wie in den Vorjahren gehörte Gerlach zu den maßgeblichen Vorbereitern der internationalen Tagung. Denn er ist seit 2007 Vorsitzender des wissenschaftlichen Programmkommitees der weltweit in wechselnden Metropolen stattfindenen Veranstaltung. Damit hat er sich zahlreiche Verdienste erworben, wie Stephen Faraone aus den Vereinigten Staaten als Präsident des aktuellen Kongresses hervorhob.
Mit seinem Ideenreichtum, seinen Einsichten und seiner Führungskompetenz habe Gerlach den Weltverband optimiert. Durch Gestaltung von Tagungen habe er Tausende von Klinikmitarbeitern und Forschern ausgebildet und so das Leben von Menschen mit ADHS und das derer Familien verbessert, heißt es auf der Urkunde. Für Gerlach ist die Verleihung eine besondere Ehre, zumal diese nach seinen Schilderungen bislang selten an führende Neurologen verliehen worden ist.
Fortschritte in der Forschung
"Eigentlich will ich kürzer treten", sagt Gerlach in Gespräch mit dieser Redaktion zu seinen Zukunftsplänen. Doch es wird deutlich, dass der Neurowissenschaftler weiter für sein Fachgebiet brennt. Zahlreiche wissenschaftliche Fortschritte hat er in den zurückliegenden Jahren mit seinen Kolleginnen und Kollegen erreicht.
Auf Nachfragen nennt er Beispiele. Lange habe es gebraucht, um durch systematische Forschungen zu untermauern, dass ADHS "keine Erfindung der Pharmaindustrie ist, um Medikamente zu verkaufen". Ein großer Erfolg sei es, dass Patientinnen und Patienten heute nicht mehr stigmatisiert werden, sagt Gerlach. Mehr noch: Viele würden inzwischen für ihre Talente und Fähigkeiten geschätzt.
Die Auszeichnung im Amsterdam versteht er als eine gewisse Verpflichtung, im Weltverband wohl noch die kommenden beiden Jahre zu Wirken. Schließlich ist er dort auch noch Schatzmeister, aber inzwischen auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin.
Brain Summit in Berlin steht bevor
Seine lange Erfahrung bei der Vorbereitung von Tagungen spielt er außerdem in der interdisziplinären Fachgesellschaft für neuro- und psychopharmakologische Forschung (AGNP) aus. Deren erster Brain Summit (BBS) steht im Juni in Berlin an. Dabei handelt es sich um ein interdisziplinäres Gipfeltreffen zu Gehirnerkrankungen mit abermals hunderten Gästen.
Die Ruhe im Saaletal nutzt Gerlach zwischendurch, um an der vierten Auflage seines 600-seitigen Buches zu Neuro- und Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter zu arbeiten. Es ist längst zu einem Standardwerk bei der Ausbildung junger Medizinerinnen und Mediziner geworden.