Auktion auf dem Bad Kissinger Schlachthof. Nach der Schließung der "Ochsenkathedrale" wird nun das Inventar versteigert. Alles muss raus, vom Seifenspender bis zum Großviehaufzug.
Auktionatorin Maessen hat schon viele Haushalts- und Geschäftsauflösungen hinter sich. Tötungsbucht und Blutrührgerät aber nimmt sie das erste Mal unter den Hammer. "Und vielleicht auch das letzte Mal. So etwas kommt wirklich nicht oft vor." Doch die studierte Kunst- und Kulturhistorikerin ist flexibel: Fürs Fachliche hat sie sich mit Emil Trautenbach einen langjährigen Mitarbeiter des Schlachthofs an ihre Seite geholt.
Auch viele der Bieter haben Auktions-Premiere und lauschen aufmerksam, als Maessen die Spielregeln erklärt: "Wer mitbieten möchte, braucht ein Kärtchen mit einer Bieternummer. Wer seine Karte hebt, ist mit dem nächsthöheren Gebot einverstanden." Ob das auch der Herr gehört hat, der sich bei den ersten Artikeln mit der nach oben gestreckten Hand - in der er seine Karte hält - an einem Pfeiler abstützt?
Doch so streng ist Maessen nicht mit ihren Kunden: "Das läuft hier nicht so, wie bei einer Großauktion. Dort reicht es manchmal, sich an der Nase zu kratzen und schon hat man mitgeboten." Doch Bad Kissingen ist nicht London, der Schlachthof nicht Sotheby's und auf feinen Zwirn legt hier auch keiner Wert. Einer der Interessenten scheint direkt aus der Metzgerei zu kommen: Sein T-Shirt ist mit Blutspritzern gesprenkelt.
Zum Auftakt bietet Maessen das gesamte Inventar auf einmal an. "Vielleicht kauft ja einer alles, dann sind wir ganz schnell fertig", hatte sie sich vorher noch hoffnungsvoll gezeigt. Doch keiner der gut 50 Anwesenden hebt die Hand. Keiner tut ihr den Gefallen, der ihren Arbeitstag um einige Stunden verkürzt hätte. Nach den ersten paar Kleingeräten läuft die Auktion wie von selbst. Die Bieter sind Metzger, Jäger, Fleischfabrikanten und Privatleute, die zu Hause schlachten. Deutsche, Polen, Holländer und Franzosen.
Die Menge drängt sich vom warmen Vorhof des Gebäudes in die kalten Hallen. Die Route folgt kleinen nummerierten Aufklebern auf den zu versteigernden Artikeln.
Maessen eilt von Edelstahl-Waschbecken zum Kälberaufzug, von links nach rechts, von vorne nach hinten. Die Bieter-Gemeinde - fast ausschließlich Männer - folgt ihr. Maessen entschuldigt sich für das Hin und Her: "Tut mir leid, ich hab' den Weg nicht selbst geklebt."
Ein kleiner Mann mit Vollbart lehnt zwischendurch lässig an einer Maschine. Er schmunzelt, als zwei andere den Preis für ein Waschbecken in ungeahnte Höhen treiben: "Ich bin nur wegen der Metallzäune hier. Die würde ich gerne als Tiergatter verwenden." Bis dahin dauert es aber noch. Nach einer Stunde sind grade mal 30 der knapp 200 Posten abgehakt.
"Vielleicht kauft ja einer alles, dann sind wir ganz schnell fertig."
Petra Maessen Auktionsleiterin im Schlachthof
Drei Monaten ist es her, dass in diesem monumentalen Gebäude die letzte Kuh geschlachtet wurde. Der Gestank hat sich verzogen. Die kleine Blutlache auf dem Boden eines Kühlraums wirft Rätsel auf, scheint aber keinem aufzufallen.
Über dem bunten Treiben im Schlachthof wacht Lukas, der in Stein gehauene Evangelist, Patron der Metzger und des Viehs. Er hätte sicher manche Geschichte zu erzählen, die sich hier seit der Eröffnung 1925 ereignet hat. Doch er schweigt und schaut hinter den Rollbahnen mit den Fleischhaken für Schweinehälften hervor.