
Mit dem Projekt „die Rückkehr der Namen“ will der bayerische Rundfunk zusammen mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt am 11. April an das Schicksal von 1000 Frauen und Männern erinnern, die während der NS-Zeit in München verfolgt und ermordet wurden. Das kleine Maßbach in Unterfranken ist da um einiges weiter.
In der von dem pensionierten Lehrer Klaus Bub zusammengetragenen Dauerausstellung „Maßbach unterm Davidstern“ wird seit 15 Jahren bereits an das Schicksal jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnert, die aus ihrer Heimatgemeinde ins Ausland fliehen mussten oder gar umgebracht wurden.
Museum soll wieder in Synagoge kommen
Bisher war die Ausstellung ganz passend in der alten Synagoge in der Hauptstraße Nr. 6 untergebracht. Nun ist sie ohne viel Aufsehen in ein leer stehendes Ladengeschäft in der Hauptstraße 6 umgezogen . Der Grund: die Räume der alten Synagoge in der Hauptstraße 4 sollen vermessen und bautechnisch sehr gründlich untersucht werden.
Nach einer Machbarkeitsstudie ist daran gedacht, hier wieder ein Museum einzurichten, das die reiche jüdische Vergangenheit der Gemeinde zum Thema hat, so Bürgermeister Matthias Klement ( CSU ). Die Bemühungen der Marktgemeinde werden auch von höherer Stelle anerkannt, denn erst vor wenigen Tagen teilte Staatssekretär Sandro Kirchner ( CSU ) mit, dass der Freistaat den Umbau und die Sanierung des Museums in der ehemaligen Synagoge Maßbach mit 20.000 Euro unterstützt. Das sei ein wichtiges und aktuelles Thema zur Förderung des Demokratieverständnisses, der politischenhier Bildung und der Vermittlungsarbeit.
Neue Räume für Ausstellung in der Hauptstraße
Nachdem klar war, dass die bisherigen Museumsräume freigemacht werden mussten, stand zunächst im Raum, die zahlreichen informativen Schautafeln und die Museumsgegenstände einzulagern und das Museum zeitweise zu schließen. Doch in der Hauptstraße stehen mehrere Läden leer. Klaus Bub, der übrigens auch für das Heimatmuseum im Schloss in Poppenlauer verantwortlich ist, kam, durch Zufall, wie er sagt, ins Gespräch mit einem der Hauseigentümer.

Der war gerne bereit, seinen leer stehenden Laden zur Verfügung zu stellen, der vor Jahrzehnten ein jüdisches Geschäft war. Über die Bewohner des Hauses wird in der Ausstellung berichtet. Überlebende Nachkommen, Leah Abramowitz und ihre sechs Töchter, waren erst vor gut einem Jahr vor Ort und freudig überrascht, dass ihre Geschichte hier nicht vergessen wurde.
Besuch von Nachkommen jüdischer Migranten in Maßbach
Der damalige Geschäftsinhaber für Damen- und Herrenkonfektion sowie für Nähmaschinen und Schuhe war ihr Urgroßvater Louis David Katzenberger. Sein Grab auf dem Judenfriedhof in Maßbach konnten sie besuchen. Für die meisten seiner Kinder gibt es keine Gräber, denn sie wurden ermordet.

Im Gedenk-Ort der Ausstellung sind ihre Namen unter den Maßbacher Opfern aufgeführt. Immer wieder besuchen Nachkommen früherer jüdischer Bürgerinnen und Bürger, die heute in aller Welt leben, Maßbach und wollen die Synagoge und den Friedhof besichtigen. Meist wenden sie sich dann zuerst an die Gemeindeverwaltung, und die verweist sie dann an Klaus Bub.
Bild einer jüdischen Frau weckte Interesse
Für ihn fing das Interesse an der jüdischen Vergangenheit seiner Heimatgemeinde im Jahr 2008 durch einen puren Zufall an. Er bekam das Bild einer jungen jüdischen Frau geschenkt, die in ihren Händen zwei Hühner hielt. Sie ließ Nelly Eberhardt wurde am 4. Oktober 1900 in Maßbach geboren.

Auf dem Foto war sogar vermerkt, dass es am 25. September 1918 aufgenommen wurde und die beiden Hühner wiesen darauf hin, dass es am frühen Morgen war. Klaus Bub wurde neugierig und ermittelte, dass Nelly über Bad Kissingen und Fulda im Jahr 1938 mit ihren Eltern in die USA emigrierte. Dort starb sie 1990.
Gedenken an Maßbacher Jüdinnen und Juden
In der Ausstellung informieren zahlreiche Schautafeln mit Texten und Fotos über die Judenverfolgung allgemein und das Schicksal jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Maßbach speziell. So heißt es zum Beispiel, dass von 2043 Menschen, die von Würzburg aus in den Osten deportiert worden waren, nur 41 den Holocaust überlebt haben.
Säulen sollen Maßbacher Häuser symbolisieren. Die Davidsterne darauf weisen auf das Schicksal von Bürgerinnen und Bürgern hin. Marianne Eberhardt wurde ins KZ Theriesenstadt deportiert, Dorothea Eberhardt nach Gurs. Beide wohnten in Haus 26, waren also wohl Verwandte.
Auch die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Maßbach wird auf den Schautafeln transparent. Juden in Maßbach werden erstmals im Jahr 1504 in einem Bericht des Fuldaer Fürstabts Johann von Henneberg-Schleusingen erwähnt. Um 1725 wurden eine Synagoge und ein Rabbinerhaus mit rituellem Bad (Mikwe) errichtet. Der Friedhof entstand 1902, zuvor wurden die Toten auf dem jüdischen Friedhof Kleinbardorf bestattet.
Wegzug jüdischer Bürger im 20. Jahrhundert
Um 1750 hatte die jüdische Gemeinde etwa 300 Personen. 1900 lebten noch etwa 100 Personen hier, 1933 waren es gerade noch 33. Die meisten waren wegen der schlechten Wirtschaftslage nach dem Ersten Weltkrieg weggezogen. Einige Stücke in dieser Ausstellung kann man mit Fug und Recht als Schätze bezeichnen.
Da ist zum Beispiel die Tonbandaufzeichnung von Lea Neugebauer, die 1930 als Inge Heidelberger in Maßbach geboren wurde und in die USA flüchten konnte. Sie hat auf Band gesprochen, was sie in Maßbach, speziell in der Reichspogromnacht, erlebte. Ein zweiter Schatz ist die prächtige Tora-Rolle (auch Thora-Rolle geschrieben), eine lange Rolle aus Pergament, auf der die ganze Tora aufgeschrieben ist. Diese Tora-Rolle ist eine Dauerleihgabe des Münnerstädter Henneberg-Museums. Dass sie aus der Synagoge in Maßbach stammt, ist unstrittig.
Hohlraum für alte Texte
Wie sie aber in das Lager des Münnerstädter Museums kam, ist unklar. Ein Antiquitätenhändler aus Luxemburg hatte in den USA den Vorhang eines Tora-Schreins erworben, der einst in der Synagoge des Nachbarortes Poppenlauer hing. Er wollte 10.500 € dafür haben, doch der Marktgemeinderat winkte aus verständlichen Gründen ab. Das Amt für ländliche Entwicklung bot einen Zuschuss von 80 Prozent an - heute hängt der Vorhang in der Ausstellung in Maßbach.
Ein ganz besonderes Highlight ist die Genisa. Das ist ein manchmal vermauerter Hohlraum zur Aufbewahrung verbrauchter jüdischer liturgischer Schriften. Texte, die Bezeichnungen Gottes enthalten, dürfen nicht weggeworfen werden. 2008 war Klaus Bub zum ersten Mal in der Synagoge , ein Jahr darauf wurde die Genisa entdeckt. Zuerst nahm er an, dass der frühere Besitzer des Hauses, Karl Geiling, die bis zu 400 Jahre alten Schriften vor den Nazis in Sicherheit gebracht und eingemauert hatte.
Schriften werden untersucht
Doch seine Enkelin Christa Sauer klärte Klaus Bub auf, dass es sich um eine Genisa handelte, die von den Nazis nicht entdeckt und geschändet worden war. Die Schriften werden zurzeit in Veitshöchheim in einem wissenschaftlichen Institut untersucht, katalogisiert und digitalisiert. Bub hätte gerne, dass sie wieder nach Maßbach ins Museum zurückkehren. Aus der Genisa übrig geblieben ist ein Karton mit kleineren Pergament-Schnipseln aus alten Texten und einem Paar Kinderschuhen, die einem auf dem Maßbacher Judenfriedhof begrabenen Mädchen gehören.
Auf den Straßen in Maßbach wie auch in Poppenlauer weisen übrigens "Stolpersteine" darauf hin, wo jüdische Mitbürger gewohnt haben. Ein Stolperstein in Nürnberg erinnert an den 1873 in Maßbach geborenen Leo Katzenberger. Der Unternehmer und Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg wurde 1942 in einem Schauprozess wegen "Rassenschande" zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der 1997 veröffentlichte Tatsachenroman „Der Jude und das Mädchen“ von Christiane Kohl und der 2001 erschienene Kinofilm „Leo und Claire“ von Joseph Vilsmaier brachten diesen Justizmord wieder ins Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit.
Über die Ausstellung:
Die Ausstellung „Maßbach unterm Davidstern“ in der Hauptstraße 6 in Maßbach hat keine festen Öffnungszeiten. Klaus Bub ist für Terminvereinbarungen unter der Telefonnummer 09735-1269 erreichbar.
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