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Münnerstadt
Aus der Schule in die Politik
Christine Müller hat sich vom schüchternen Mädchen zu einer Frau entwickelt, die sich einmischt - auf politischer und sozialer Ebene. Im Erzählcafé schilderte sie ihren Lebensweg.
Christine Müller stellte im Erzählcafé in Münnerstadt ihren Lebensweg vor. Foto: Arnold Nöth       -  Christine Müller stellte im Erzählcafé in Münnerstadt ihren Lebensweg vor. Foto: Arnold Nöth
| Christine Müller stellte im Erzählcafé in Münnerstadt ihren Lebensweg vor. Foto: Arnold Nöth
Arnold Nöth
 |  aktualisiert: 21.08.2022 09:10 Uhr
Vor 15 Jahren hat das mittlerweile zu einer festen Institution gewordene "Erzähl-Café" im Juliusspital seinen Anfang genommen. Nun lag es an Christine Müller, die 91. Veranstaltung unter dem Motto "Lebensstationen: Lehr und Wanderjahre" zu gestalten.

Christine Müller, die 1938 im sächsischen Mittweida bei Chemnitz geboren ist, seit 1968 in Münnerstadt lebt und vor allem wegen ihres politischen und sozialen Engagements bekannt ist, hatte zu ihrer Erzählstunde Fotos mitgebracht und gestaltete mit einer Präsentation das Erzähl-Café zu einem Hör- und Seh-Erlebnis. Mit zwei Geschwistern war sie in ihrer Familie in der Leinen- und Baumwollweber und -färberstadt Mittweida aufgewachsen, besuchte die Schule und verlor ihren Vater während des Krieges.

Zu Beginn der 50er Jahre zog die Familie nach Bremen, wo die Schülerin Christine mit der erlernten Fremdsprache Russisch nichts anfangen konnte und es nicht schaffte, die nun verlangten Kenntnisse in Englisch schnell zu erlernen. Auch ihr Sächsisch führte bei den Mitschülern oft zu Hänseleien, so dass sich Christine nur wenig am Unterricht beteiligte. Trotzdem schloss sie 1955 die mittlere Reife ab. Danach begann ihre Praktika-Odyssee in Sachen Hauswirtschaft, die sie quer durch Deutschland führte. Anfangs war da ein großes Kinder-Kurhaus auf der Insel Sylt, in dem sie für die Zubereitung der Milchsuppe zuständig war, die jedoch anfangs immer wieder anbrannte - und das gleich in Mengen für 200 Kinder. Nächste Station war der Privathaushalt eines Theologie-Professors in Heidelberg, wo sie auch die Frauenfachschule mit dem Abschlussziel Hauswirtschaftsleiterin besuchte. 1961 folgte eine weitere Ausbildung zur staatlich geprüften Diätassistentin in Münster; im Anschluss daran eine Anstellung in Bad Wiessee.

In Bayern verliebt

Hier galt es für Christine Müller, sich erneut mit Verständigungs- und Sprachproblemen, diesmal mit dem Bairischen, auseinander zu setzen. Nächster Arbeitsplatz war 1963 die große Hotelrestauration Schloss Elmau nahe Mittenwald. "Ich liebte mittlerweile Bayern wegen seiner schönen Landschaften; in diesem Hotel durfte ich die interessanteste Zeit erleben. Viele Begegnungen mit einem weltoffenem und gebildeten Klientel, die berühmten Elmauer Tanzabende - das war schon was Besonderes", schwelgt Christine Müller noch heute in Erinnerungen.
Bei einem Bahnstopp in Erlangen, wo sie eine Bekannte besuchte, begegnete ihr dann der Mann für Leben, "...weil der schon ein Auto hatte und die beiden Mädchen chauffieren konnte!" Doch vorerst stand noch ein Studium mit vier Semestern am pädagogischen Lehrinstitut (musisch-technische Fächer) in Kassel an. Eine erste Anstellung folgte in Zellhausen bei Seligenstadt, praktisch auch, weil der mittlerweile heimliche Verlobte - die Konfessionsunterschiede waren zu dieser Zeit noch problematisch - Gerd Müller nahebei eine Anstellung hatte. 1966 fand aber doch die Hochzeit statt. "Das war blöd. Es war kalt und ich habe sehr gefroren im kurzen Brautkleid", sagt Christine Müller heute.

Der Weg nach Münnerstadt

Nachdem 1968 Sohn Markus das Licht der Welt erblickte, gab die junge Mutter den Schuldienst auf; im selben Jahr führte der Berufsweg des Vaters die Familie nach Münnerstadt. Hier kam 1970 eine Tochter dazu. Trotzdem arbeitete Christine Müller von 1971 bis 1990 am Schönborn-Gymnasium als Handarbeitslehrerin.

1990 gab sie den Schuldienst wieder auf - und ging in die Politik. Sie wurde auf Anhieb für die SPD in den unterfränkischen Bezirkstag gewählt, wo sie - wie auch ab 1996 als Kreisrätin im Landkreis Bad Kissingen - bis 2008 wirkte. Zur Politik war Christine Müller zu Beginn der 80er Jahre durch Ostermärsche und Demonstrationen gegen Aufrüstung gekommen. 1983 gründete sie mit Gleichgesinnten in Münnerstadt die Aktion "Frauen stiften zum Frieden an". 1984 trat sie der SPD bei. "Wir stellten fest: Frauen können auch etwas tun. Und wir haben begonnen, uns in die Kommunalpolitik einzumischen. Wir haben auch viel mit und für Asylbewerber gearbeitet."

Heute pflegt die siebenfache Omi Christine Müller ihre Hobbys, versucht fit zu bleiben, unterstütz weiterhin, wie schon seit 1992, das Projekt Tschernobyl-Hilfe des Kreisjugendrings Bad Kissingen, ist tätig in "Aufwind", einem Verein für gemeindenahe Psychiatrie und im Mehrgenerationen-Netzwerk im Landkreis Bad Kissingen. "Ich hoffe, dass ich noch lange weitermachen kann", sagt Christine Müller und lacht "Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich für den Stadtrat kandidieren."
 
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