
Leidenschaftlich hatte der scheidende Vorsitzende, Egon Göbel, in der Turnhalle den Gemeinschaftsgeist beschworen und enttäuscht berichtet, dass seit Herbst fast 50 Mitglieder angesprochen worden seien, ob sie nicht das Amt des Vorsitzenden übernehmen wollen. Niemand habe sich bereitgefunden. "Ich bin tief betroffen, weil es dieses Ereignis in den 120 Jahren unseres Bestehens noch nicht gegeben hat", führte Göbel aus und beschrieb das drohende Szenario der Vereinsauflösung.
Doch dann ging alles ganz schnell. Weil mit Wolfgang Beil ein bewährter und beliebter Fahrensmann mit TSV-Gen als Jugendspieler, Fußballer, Beisitzer, Leiter der AH Abteilung und lange Jahre als Vorsitzender "seinen TSV" nicht hängen lassen wollte. Riesenbeifall der Versammlung, die Steine vom Herzen konnte man fast plumpsen hören. Die Wahl war dann nur noch Formsache. Alle 38 Stimmen gingen an den Ur-Reiterswiesener, der allerdings in Arnshausen wohnt. "Was Generationen aufgebaut haben, darf nicht untergehen", motivierte der neue Vorstandsvorsitzende seine Mitstreiter in einer kurzen Ansprache: "Ich war immer stolz, den TSV als Vorstand vertreten zu dürfen".
Wolfgang Beil und Egon Göbel sind Fußballkameraden, die zusammen unter anderem den Aufstieg in die Bezirksliga geschafft haben. Sie sind aber auch Freunde und irgendwie ähnlich gepolt, denn sie haben den TSV Reiterswiesen in verschiedenen Funktionen langjährig und nachhaltig geprägt, allein als Vorsitzende insgesamt fast ein viertel Jahrhundert. Beil zwölf und Göbel elf Jahre lang.
Eigentlich war es jetzt Zeit, den Staffelstab an Jüngere weiterzugeben. Weil Egon Göbel 71 Jahre alt und gesundheitlich stark angeschlagen ist, konnte er nicht mehr zur Verfügung stehen und weil Wolfgang Beil (63 Jahre) einen langen Arbeitstag und viel Verantwortung zu tragen hat, wollte er etwas kürzertreten. Obwohl beim TSV alles im Lot ist - es gibt keine Unstimmigkeiten, keine Lager im Verein, die Führung harmoniert und die finanzielle Situation ist gut - konnte im ersten Anlauf trotz intensiver Suche kein 1. Vorstand gefunden werden.
Ein Dilemma, der Zeit geschuldet, in der die Generation Smartphone und Facebook eher auswählt, als sich zu binden. Gut, dass beim TSV "die restliche Führungsmannschaft sich eine klar umrissene Aufgabenbeschreibung gegeben hat. Und weil ich weiß, dass man sich darauf verlassen kann, habe ich mich doch nochmal bereit erklärt, eine Periode als Vorsitzender zu Verfügung zu stehen", erklärte Beil.
"So denkt man noch, als Vertreter der Nachkriegsgeneration", meint Seniorin Hermine Schimmel, seit 40 Jahren im Verein und eine der wenigen Gymnastikdamen, die bei der Versammlung anwesend waren. Irene Rudolf, Beils Schwester und Vorstand für den Allgemeinsport im Verein weiß: "Der Wolfgang kann motivieren".
Auch bei der jungen Generation findet Wolfgang Beil Zustimmung: Fußballer Marlon Schwientek, 20 Jahre alt: "So einer muss das machen. Passt! Gute Wahl! "