Ein warmer Sommerabend machte die „Nacht der Poesie“ zum erneuten Erfolg – der nach den Wettervorhersagen für den Abend nicht unbedingt zu erwarten war. Statt Hagelschauer und Sturzregen – so die Prognosen – fanden zahlreiche Poesie- und Literaturfreunde saftgrünes, trockenes Gras im Burggraben vor, auf dem sie mit Decken, Klappstühlen und Picknickkörben ungestört lagern konnten.
Grundstein legte Rudolf Herget
Dieses Flair ist wichtig und legte der „Nacht der Poesie“ schon um den verstorbenen „ Erzähler der Nacht“, Rudolf Herget, den Grundstein für die Beliebtheit und den außergewöhnlichen Charme der von den Freunden der Trimburg initiierten Veranstaltung. Mit Hergets Ableben fiel auch die wunderbar vorgetragene, abendliche Poesie im historischen Burggraben für zwei Jahre aus.
Dann kam die Disharmonie ins Spiel.
Disharmonie übernahm
Mit Bernd Lemmerich als Regisseur brachten die Schweinfurter nicht nur Theaterstücke aller Couleur in die Ruine, sondern auch zwei Ensemblemitglieder die sich zutrauten, das Erbe Hergets weiterzuführen: Christine Hadulla und Peter Hub . Sie knüpften an den Erfolg ihres Vorgängers an und holten die poetische Nacht zurück in die Ruine – bis die Corona-Pandemie auf den Plan trat. Sie bedeutete erneut zwei Jahre (Zwangs-) Pause.
Im vergangenen Jahr waren die beiden Protagonisten wieder zur Stelle und hauchten dem alten Bollwerk poetisches Leben ein. Diesmal, so scheint es, stand die Veranstaltung unter einem nicht so guten Stern. Bernd Lemmerich , dessen Gattin unter den Besuchern weilte, war um den Jahreswechsel verstorben. Ein harter Verlust für die Disharmonie, das Theaterspiel und für Obbach, wo der Theatermacher oft aktiv war, bestätigt Christine Hadulla im Gespräch.
Erstmals alleine
Hinzu kam, dass sie diesmal alleine rezitieren musste, denn Peter Hub war erkrankt. Liegt ein dunkler Schatten über den Poeten der Nacht? Die alleinige Übernahme bedeutete für die Vortragende knapp zwei Stunden Konzentration und Ausdruckskraft, 120 Minuten Emotionen - und das ohne Pause, bestenfalls mit einigen Schlucken Wasser für den trockenen Mund. Das war mutig, wie Matthias Schiebl vom Vorstand der Freunde der Trimburg in seiner Begrüßung befand.
Die Seele der Trimburg
Für eine weitere Frau, Mitglied bei den Trimburgfreunden, hielt Schiebl ebenfalls hohes Lob parat. Bärbel Sauskojus, die im Burg-Management und als Organisatorin sowie als eifrige Helferin immer zur Stelle ist, nannte er „die Seele der Trimburg“.
Auch Klassiker und Lebensweisheiten
Mit Grüßen von Peter Hub an das Publikum fädelte Hadulla ihr Programm ein, das Gedichte , Geschichten, Volksmärchen, Klassiker, Lebensweisheiten und hin und wieder einen Schuss Humor oder den Schalk beinhaltete. Werke von Heinz Erhard, Hermann Hesse , Heinrich Heine , Johann Wolfgang von Goethe , Christian Morgenstern , Wilhelm Busch , Joachim Ringelnatz und zahlreichen weiteren Literaten und Poeten flossen ein.
Breite Thematik
Die in die Neuzeit transferierte Schöpfungsgeschichte, der „Zauberlehrling“, die Geschichte vom „Bauer und seinem Sohn“, die „Mausefalle“ oder auch der Weltuntergang, der, im Mikrokosmos beginnend, in einer expandierenden Kettenreaktion die achtlose Menschheit vernichtet – die Rezitation beinhaltete eine breitgefächerte Thematik.
Erwähnt sei auch die „Lückenwanderung“, zu der ein Mann seinen skeptischen Freund einlädt, nicht die realen Dinge zu sehen, sondern die Lücken dazwischen, bis er entdeckt, dass er selbst der Raum ist, in dem sich alles abspielt.
Dazu beeindruckendes Wetterleuchten
Die Erhabenheit der Burg, die sie heute noch ausstrahlt, komplettierte die Empfänglichkeit des Publikums. Der aufkommende Nachthimmel verbrämte den Schluss der Lesungen mit einem Wetterleuchten, das so nur selten zu sehen sein dürfte. In und aus einer riesigen, weißen Wolke, die dem Vernehmen nach über Thüringen stand, zuckten unzählige Blitze – ohne einen einzigen Donnerschlag.
Auch das gibt es auf der Trimburg: