
Die Villa Ross in der Von-der-Tann-Straße beschäftigt nicht nur den Besitzer, der das ehemalige Kurheim zum Wohnhaus umbauen will, es beschäftigt auch Franzjosef Mohr. Genaugenommen beschäftigt den Leser der Saale-Zeitung die Berichterstattung über das Gebäude und die geplante Sanierung. Er wandte sich in einem Leserbrief an die Redaktion und wies darauf hin, dass das Gebäude dem Kissinger Kunstmaler Heini Ross gehörte und nicht in Zusammenhang zur Familie Gayde stehe. Er geht deshalb davon aus, dass Heini Ross die Villa ausgestaltet hat und nicht, wie berichtet, Franz Karl Gayde und Max Rossmann. Das "erscheint doch sehr unwahrscheinlich", schreibt er kritisch.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat sich ebenfalls intensiv mit dem Bau beschäftigt, weil er vor einem Jahr als Einzeldenkmal unter Denkmalschutz gestellt wurde. Auf Nachfrage klärt die Behörde den Sachverhalt auf. Der in Heilbronn geborene Maler und Tüncher Carl Ludwig Gayde (1844 - 1928) hat das Gebäude in den Jahren 1885 bis 1887 als Kurhotel errichtet. Deshalb wurde das Gebäude einstmals auch Villa Gayde genannt. Der Kissinger Maler Heini Ross hat die Immobilie erst später von den Töchtern Gaydes erworben.
Gaydesche Werke in der Kurstadt
"Carl Gayde war aufgrund des in Kissingen florierenden Baubetriebs 1865 in die unterfränkische Kurstadt gekommen", erklärt Silke Wapenhensch, Pressesprecherin beim Landesamt. Über Gayde seniors künstlerische Arbeiten sei nur wenig bekannt. Allein dass er 1883 an der Ausgestaltung der Stadtpfarrkirche Herz-Jesu beteiligt war, ist belegt. 1919 verlieh ihm die Stadt die Ehrenbürgerwürde. Und wer hat die Gemälde in der heutigen Villa Ross geschaffen? Gayde senior hatte mehrere Kinder. Eines davon war der spätere Kunstmaler (Franz) Karl Gayde junior (1872-1948), der sich vor allem mit dekorativer Wandmalerei beschäftigte. "Als bekanntestes seiner Werke darf wohl die Ausmalung der Weinstube Schubert in Bad Kissingen von 1893 gelten", sagt Wapenhensch. Auch die Stuckierung im Ratsaal des Alten Rathauses wird ihm zugeschrieben.
Die Eingangshalle der Villa Ross gestaltete Gayde junior gemeinsam mit dem Münchner Bildhauer und Kirchenmaler Professor Max Roßmann (1861 - 1926). Der logierte 1898 mit seinen Kunststudenten für einige Monate in ebendiesem Hotel. "Roßmann, dem hier die Figurenmalereien zuzuschreiben sind, hatte in Bad Kissingen seinerzeit ein Deckengemälde in der Marienkapelle auszuführen", erläutert sie.
Der Bad Kissinger Heimatforscher und Buchautor Gerhard Wulz konkretisiert das. Die Gemälde im Eingangsbereich stammen hauptsächlich von Roßmann, Gayde hat hier nur mit Blumen unterstützt. "Die schönsten Bilder von Gayde finden sich im ersten und zweiten Obergeschoss", sagt Wulz. Diese Bilder seien danach von Heine Ross übertüncht und dann von einem späteren Eigentümer weitgehend wieder freigelegt worden.
Laut Landesamt für Denkmalpflege gehen Wandmalereien im erdgeschossigen Flur des Rückgebäudes der Villa auf Gayde junior zurück.