Die Rettungskräfte waren schnell zur Stelle, doch konnten sie nur noch ihren Tod feststellen: Eine Ärztin aus dem Raum Bad Kissingen wurde am ersten Weihnachtsfeiertag im österreichischen Obergurgl (Tirol) von einer Lawine verschüttet. Nach ersten Erkenntnissen der Tiroler Landespolizei hatte die Frau selbst das Schneebrett ausgelöst. Auf dem Snowboard fuhr sie im Tiefschnee abseits der Piste - zusammen mit ihrem Bruder. Er wurde Augenzeuge des tödlichen Unglücks.
Nicht weniger tragisch: Die 33-Jährige könnte vielleicht noch leben, wenn ihr Airbag ausgelöst hätte. Wie ein Polizeisprecher in Innsbruck am Mittwoch bestätigte, trug die Snowboarderin - wie auch ihr Bruder - einen entsprechenden Rucksack. "Das ist für Tourengeher mittlerweile Standard." Allerdings muss der Airbag per Griff am Rucksack ausgelöst werden. Dazu kam die junge Frau offenbar nicht mehr. Sie wurde von der 400 Meter breiten und 500 bis 600 Meter langen Lawine erfasst.
Während sich der Bruder noch aus der Gefahrenzone retten konnte, wurde seine Schwester unter den Schneemassen begraben. "Leider Gottes hat der Airbag nicht ausgelöst", so der Tiroler Polizeisprecher. "Sonst wäre sie durch das Luftpolster vermutlich an der Oberfläche der Lawine geblieben." So aber geriet sie etwa einen halb Meter unter die Schneedecke, konnte sich nicht selbst befreien und sich auch keine Schneehöhle schaffen.
Ihr Bruder alarmierte per Notruf die Einsatzkräfte, Notarzt- und Polizeihubschrauber sowie die Bergrettung Obergurgl waren rasch an der Unglücksstelle in 2290 Metern Höhe. Nach 35 Minuten war die Verschüttete aus dem Schnee gegraben, doch jede Hilfe kam zu spät.
Geschwisterpaar mit den Eltern im Weihnachtsurlaub
Das Unglück hatte sich am ersten Weihnachtstag kurz vor 12 Uhr mittags ereignet, die beiden Geschwister waren im freien Gelände von der Hohen Mut abgefahren. Die ausgelöste Lawine ging laut "Tiroler Tageszeitung" bis auf den Talboden des Rotmoostals nieder. Bruder und Schwester verbrachten mit ihren Eltern den Weihnachtsurlaub in Obergurgl.
Laut Auskunft der Landespolizei hat der Staatsanwalt die Leiche zur Überführung mittlerweile freigegeben. Laut der Redaktion vorliegenden Informationen handelt es sich bei dem Opfer um eine Medizinerin aus dem Raum Bad Kissingen, sie war am Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus und zuletzt in einer Münchner Klinik als Assistenzärztin tätig. Die Verunglückte war eine routinierte Wintersportlerin.
Weitere Lawinenunglücke in den letzten Tagen
Die Lawinengefahr in den Bergen wird teilweise massiv unterschätzt. Wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtet, wurden etwa zur selben Zeit wie die Unterfränkin in Obergurgl bei einem Lawinenabgang im Gemeindegebiet von Kals am Großglockner ein 32-jähriger Österreicher und seine 36-jährige Begleiterin aus Tschechien teilverschüttet. Sie konnten sich selbst aus dem Schneebrett befreien. Zwei weitere Tourengeher entkamen der Lawine durch eine "Fluchtfahrt".
Am Nachmittag des Heiligabend war in der Axamer Lizum ein in Tirol lebender Niederländer unter eine Lawine geraten. Der 48-Jährige fuhr ohne Notfallausrüstung im freien Skiraum und löste ein Schneebrett aus, das ihn mitriss und komplett verschüttete. Sein Glück: Zwei Tourengeher waren in der Nähe und gruben den Mann sofort aus.
Niederschläge und Sturm haben Lawinenlage verschärft
Für Touren abseits der Pisten waren die Schneeverhältnisse an Weihnachten in den Tiroler Berge schwierig. Anhaltende Niederschläge und Sturm führten zu einer angespannten Lawinenlage in größeren Höhen. Etliche Lawinen mussten gezielt gesprengt werden. In den Gurgler Bergen herrschte am ersten Feiertag erhebliche Lawinengefahr der Stufe drei.
Rudi Mair, Leiter des Lawinenwarndienstes, spricht gegenüber dem "ORF" von einer "kritischen Lawinensituation". Der starke Wind habe in höheren Lagen viel Schnee verfrachtet. Für die kommenden Tage wird eine Entspannung der Situation erwartet.