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MÜNNERSTADT
Auf dem Lohnzettel fehlt das Geld
Konfliktträchtig: Bei der Firma Nipro Glass Germany in Münnerstadt warten die Beschäftigten bislang vergeblich darauf, dass die bereits vor Weihnachten ausgehandelte Tariferhöhung ausbezahlt wird.
Foto: Isolde Krapf | Konfliktträchtig: Bei der Firma Nipro Glass Germany in Münnerstadt warten die Beschäftigten bislang vergeblich darauf, dass die bereits vor Weihnachten ausgehandelte Tariferhöhung ausbezahlt wird.
Peter Rauch
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:21 Uhr

Der Tarifabschluss zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und dem Bundesarbeitgeberverband Glas und Solar ist knapp zwei Monate alt. Die Firma Nipro Glass Germany (Münnerstadt) gab jedoch die bei diesen Verhandlungen vereinbarte Tariferhöhung bislang nicht weiter. Sollte das Unternehmen nicht einlenken, wird die IG BCE vors Arbeitsgericht gehen, sagt Gewerkschaftsfunktionär Christian Egner (Würzburg) im Gespräch mit der Main-Post. Laut Nipro-Geschäftsführer Massimo Imberti stimme es jedoch nicht, dass die Firma die Tariferhöhung nicht bezahlen will.

Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember, hatte die Geschäftsleitung den Beschäftigten schriftlich mitgeteilt, dass Nipro die Tariferhöhung nicht zahlen kann, sagt Betriebsratsvorsitzender Bernd Müller auf Anfrage. Dass von Weihnachten bis 7. Januar 2015 dann erst mal Betriebsurlaub war, machte die Sache nicht leichter, denn „das geht einem zu Hause ständig im Kopf herum“, sagt Müller. „Wir kommen uns verarscht vor, denn ein paar Wochen zuvor wurde ja erst der Flächentarifvertrag unterschrieben“, sagt der Betriebsratsvorsitzende im Namen seiner Kolleginnen und Kollegen.

Zwar hat die Münnerstädter Firma die zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband ebenfalls ausgehandelten Einmalzahlungen für die Arbeitnehmer gezahlt, sagt Gewerkschaftsfunktionär Egner. Entscheidend für ihn ist jedoch, dass die 530 Beschäftigten auch die vereinbarten 2,3 Prozent Lohnerhöhung (rückwirkend ab 1. August 2014) auf ihren Lohn- und Gehaltszetteln vorfinden.

„Die Stimmung ist schlicht und einfach beschissen“
Christian Egner Gewerkschaftsfunktionär

Vor gut einer Woche schrieb Egner an die Nipro-Geschäftsführung in Münnerstadt und forderte sie auf, den neuen Tarif anzunehmen. Reagiert hat die Firma bis zur gesetzten Frist vom 16. Januar nicht. Im Gespräch mit der Münnerstädter Geschäftsführung erfuhr der Gewerkschaftsvertreter, nach eigenen Angaben, dass die Zweigstelle offenbar von der Nipro-Konzern-Zentrale (Brüssel/Osaka) angehalten wurde, den neuen Tarif nicht zu zahlen.

„Der Tarifvertrag ist jedoch gültig, die Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf Umsetzung“, so Egner weiter. Die Gewerkschaft will es auch nicht zulassen, dass sich eine Firma so „aus dem Flächentarifvertrag verabschiedet“. Egner versteht das Lavieren des japanischen Eigentümers nicht. Unklar ist ihm derzeit auch noch, ob die europäische Zentralverwaltung in Brüssel oder die Hauptzentrale im japanischen Osaka für diesen Schritt verantwortlich ist.

Warum die Tariferhöhung nicht gezahlt wird, darüber wird in der Firma nur gemunkelt, sagt Egner. Die Angestellten der Münnerstädter Firma konnten jedoch bereits auf ihren Dezember-Abrechnungen feststellen, dass die versprochene Anpassung nicht erfolgte. Die gewerblichen Arbeitnehmer werden die rückwirkende Zahlung erst auf ihrer Januar-Abrechnung vorfinden, erklärt Egner die beiden unterschiedlichen Abrechnungsarten der Firma.

Dass Nipro „nicht mal ansatzweise“ kommentierte, dass man den neuen Tarif nicht mittragen wird, findet Egner ungut. „Es wurden einfach Tatsachen geschaffen. Die Stimmung im Betrieb ist daher schlicht und einfach beschissen.“ Die Gewerkschaft wird die Erhöhung jetzt einfordern. Das ließ Egner über die Münnerstädter Geschäftsführung in der Nipro-Zentrale ausrichten.

Nach Angaben von Geschäftsführer Imberti gibt es derzeit Gespräche zwischen der Firma und der Gewerkschaft. „Wir haben noch keine Lösung gefunden.“ Dies bedeute jedoch nicht, dass die Firma die Tariferhöhung nicht weitergeben will.

Für die Gewerkschaft hingegen ist das weitere Vorgehen klar: Jeder Arbeitnehmer muss jetzt seine Tariferhöhung schriftlich bei der Firmenleitung einfordern. Sollte die Firma nicht einlenken, will die IG BCE vors Arbeitsgericht ziehen. „Wir verhandeln weiter miteinander, aber wir werden die Ansprüche der Mitglieder einfordern“, sagt Egner. Das Verhalten der Firma findet der Gewerkschafter ungewöhnlich. Zwar weigern sich Unternehmer oft im Vorfeld von Tarifverhandlungen, höhere Löhne zu zahlen. Nach Abschluss eines Tarifvertrags hingegen werden die Tarife laut Egner eingehalten.

Vielleicht ist das japanische Unternehmen rechtlich schlecht beraten, mutmaßt Egner. Oder aber man ist in der Zentrale nicht mit der „Performance“ der Münnerstädter Firma zufrieden. Egner: „Aber dazu können die Arbeitnehmer nichts. Die Märkte entwickeln sich eben unterschiedlich.“

Als die Nipro Corporation (Osaka) Anfang 2012 die beiden Firmen der Liebmann-Gruppe übernahm, versprach sie sich davon eine Verstärkung der eigenen Aktivitäten. Nipro kommunizierte damals nach außen, dass die in Münnerstadt hergestellten Spritzen für die Firma den „Neueinstieg in dieses Marktsegment“ bedeuten und dass deswegen dem Standort Münnerstadt eine „wichtige Bedeutung“ zukommt. Mit dem Verkauf endete damals die über drei Generationen währende Ära der Familie Liebmann, die sich 1947 hier angesiedelt hatte.

 
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