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Bad Kissingen
Asylrecht: Bad Kissinger Friseurin darf Deutschland nicht vertreten
Julia Nigrezkul könnte Deutschland in London bei einem Wettbewerb vertreten. Das laufende Asylverfahren macht aber eine Ausreise unwahrscheinlich.
Chefin Janina Ehrenberg (rechts) setzt sich für  Julia Nigrezkul (links) ein. Foto: Ralf Ruppert       -  Chefin Janina Ehrenberg (rechts) setzt sich für  Julia Nigrezkul (links) ein. Foto: Ralf Ruppert
| Chefin Janina Ehrenberg (rechts) setzt sich für Julia Nigrezkul (links) ein. Foto: Ralf Ruppert
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 07:25 Uhr
Mehr Integration geht fast nicht: Seit dreieinhalb Jahren ist Julia Nigrezkul in Deutschland, die 29-Jährige spricht gut Deutschland, sie und ihr Mann arbeiten und zahlen Steuern, der Stiefsohn macht bereits eine Ausbildung. Trotzdem bekommt sie im Moment die ganze Härte des deutschen Asylrechts zu spüren: Die Friseurin gewann den "Wella National Trend Vision Award 2017", setzte sich als beste Stylistin gegen Konkurrenz aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durch. Damit wäre sie für den internationalen Wettbewerb in London am 14. Oktober qualifiziert, aber: Zum einen weigert sich die Ausländerbehörde, einen Not-Reisepass auszustellen, zum anderen würde der vermutlich von Großbritannien nicht anerkannt.


Eigenen Salon aufgegeben

Julia Nigrezkul hatte sich in der Ukraine eine Existenz aufgebaut: Eigener Friseur-Salon, Haus, ein eigenes Kind und zwei Kinder ihres Mannes Alexej gehören zur Familie. Das Problem: Sie lebten auf der Halbinsel Krim. "Ich sollte den russischen Ausweis nehmen", berichtet sie vom Druck nach der Annexion der Krim 2014, und: "Ich kann in meine alte Heimat nicht zurückkehren."
Die Familie beantragte vor dreieinhalb Jahren in Deutschland Asyl. Über Zirndorf kam die Familie nach Volkers, seit April 2015 arbeitet Julia Nigrezkul als Friseurin in Bad Kissingen. "Jeder Schritt ist sehr kompliziert, man kann nicht einfach weitergehen", blickt sie auf die vergangenen Jahre zurück, auch der Umzug nach Bad Kissingen sei erst nach einer langen Wartezeit möglich gewesen.
"Julia ist unheimlich ehrgeizig, sie hat jeden Sonntag für den Wettbewerb trainiert", berichtet ihre Chefin Janina Ehrenberg. Die 30-Jährige machte sich im November selbstständig. Weil der Laden in Bad Kissingen so gut läuft, hat sie mittlerweile vier Angestellte. Gerade weil es im Friseur-Handwerk so schwierig sei, gute Leute zu bekommen, freute sie sich über die ukrainische Mitarbeiterin: "Julia ist unheimlich gut, in dem, was sie tut", sagt die Friseurmeisterin - obwohl ihre ukrainische Ausbildung nicht einmal in Deutschland anerkannt werde.
Am 11. September gewann Julia Nigrezkul den renommierten Preis in Mainz. Seitdem setzt sich ihre Chefin dafür ein, dass sie zum weltweiten Entscheid nach London fahren kann. "Die Zeit drängt, kommenden Montag ist bereits das Training in Darmstadt." Julia Nigrezkul fährt von Behörde zu Behörde, aber: "Es ist, als ob man immer wieder auf eine Wand trifft."
Der Asylantrag der Familie Nigrezkul ist zwar abgelehnt, aber eine gerichtliche Überprüfung steht noch aus. "Es gibt noch keinen Verhandlungstermin, das kann noch ein ganzes Jahr dauern", berichtet Julia Nigrezkul. Ihren Ausweis habe sie vor dreieinhalb Jahren bei der Ausländerbehörde abgegeben. "Das soll gewährleisten, dass im Falle einer Ablehnung eine schnelle Abschiebung möglich ist", begründet Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, dieses Vorgehen.
"Uns liegt noch keine Anfrage vom Konsulat vor", berichtet Hardenacke weiter. In bestimmten Fällen könne die Ausländerbehörde einen Not-Reisepass ausstellen: "bei unbilliger Härte oder besonderem öffentlichen Interesse", so Hardenacke. Das schließe etwa Todesfälle in der Familie ein oder bei Schülern auch Klassenfahrten als Maßnahmen der Jugendhilfe. Aber: "Das sehen wir in dem Fall nicht", schließt Hardenacke eine Ausnahme für Julia Nigrezkul aus. Dafür sei der Wettbewerb zu sehr wirtschaftlich orientiert: "Es mag sein, dass das für ihre persönliche Entwicklung wichtig ist", urteilt Hardenacke, aber ein öffentliches Interesse erkenne die Behörde nicht.


Schlechte Perspektiven

Überhaupt hätten Asylbewerber aus der Ukraine eine schlechte Bleibeperspektive: Von 142 Abschiebungen in Unterfranken im vergangenen Jahr gingen 43 in die Ukraine. Da ändere auch die Herkunft von der Krim nichts: In solchen Fällen müssten zunächst "inländische Flucht-Alternativen" genutzt werden. Trotzdem gebe es noch einen Ausweg: Die Familie könne in der Ukraine ein Visum beantragen und dann ganz legal wieder einreisen.
Mit dem Fall haben sich auch die beiden Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) und Sabine Dittmar (SPD) befasst. Bär gab den Fall bereits ans Auswärtige Amt weiter. Dittmar sieht wenig Chancen, die Teilnahme noch zu ermöglichen: Selbst wenn der Notausweis ausgestellt würde, gelte der eigentlich nur im Schengenraum, also nicht in Großbritannien.
 
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Kommentare
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  • lbs
    Auch ich bin der Meinung, dass das Asylrecht anders gestaltet werden muss. Hier ist doch auf dem Bild deutlich zu sehen, dass es sich um jemanden handelt, der sich hier integriert und auch menschlich sehr beliebt ist. Auf der anderen Seite können Landsleute hier, ebenfalls mit Asylrecht Verbrechen begehen und nach einer Haftstrafe mit oder ohne Gefängnis weiter hier leben.

    Solche Menschen haben mehr Rechte als Menschen die bewusst zeigen, ja ich bin angekommen. Klar gilt das Asylrecht, aber ich hoffe und wünsche mir, dass die Ämter endlich einmal ihre Mühlen und ihren ohnehin nicht eifrigen Arbeitseinsatz beschleunigen um Julia Nigrezkul einen dauerhaften Aufenthalt ermöglichen.
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  • mausschanze
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  • R.Silber
    Man kann es nur gebetsmühlenartig wiederholen. Deutschland braucht dringend ein neues Asyl- und Einwanderungsgesetz. Ich will jetzt auch gar nicht auf die Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik eingehen, Fakt ist, unsere derzeitigen Gesetze sind nicht zeitgemäß. Und was die junge Friseurin angeht, bitte stellen Sie einen Antrag auf Einwanderung in dieses Land. Menschen wie Sie und Ihre Familie sind uns herzlich willkommen. In diesem Land muss es endlich möglich sein zu bestimmen, das Asylrecht ausgeklammert, wer uns willkommen ist und wer nicht.
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  • seneca
    Ich hatte bereits das Vergnügen Julia persönlich kennenzulernen, sie macht ihre Arbeit gut und sorgfältig und ist so freundlich. Es sollte ihr aufgrund solch einer guten Integration möglich sein, hier in Ruhe zu leben und dieses Gewerbe mit Ihrem Können zu bereichern. Egal, aus welchem Grund sie nach Deutschland gekommen ist. Der Bezug auf die sogenannten "Gutmenschen" ist hier fehl am Platz.
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  • eboehrer@gmx.de
    an ticktricktrack:
    Was ist denn für ein Unterschied zwischen Presse und Zeitung?
    Na prima, dass ticktricktrack schon ins gelobt Land gehoppt ist. Man muss halt behalten, was da ist.
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  • Funkenstern
    @christel2
    Ihre Sichtweise der Dinge durch die rosarote Gutmenschenbrille ist hinlänglich bekannt.
    Tut aber nichts zur Sache, wir haben klare Asylregeln und die treffen für Wirtschaftsflüchtlinge nun mal nicht zu, egal wie sie es gerne auslegen würden.
    Zum Seitenhieb, dass man behalten muss, was schon da ist, könnte man das Blatt auch zurückspielen. Ich bin nicht hierhergehoppt, ich wurde hier geboren. Ebenfalls habe ich schon im Ausland gearbeitet, jeweils mit den notwendigen Papieren. Auch habe ich mir überlegt, dort länger zu bleiben, mich jedoch aufgrund der Umstände, die daraus resultierten, anders entscheiden müssen. Es ging nicht. Genauso trifft es hier nun einige "Integrierte", die in purer Hoffnung auf das aussichtslose Asylverfahren hier angefangen haben, sich zu verwurzeln. Macht man dies richtig, ist es auch möglich. Macht man es falsch, ist die Konsequenz die, die man hier antrifft. Den Unterschied zwischen Zeitung und Presse allgemein soll ein anderer erklären.
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  • Funkenstern
    Ich verstehe nicht, was dieses Anliegen in der Zeitung bewirken soll. Mitleid? Nein, das sind Wirtschaftsflüchtlinge, deren Asylverfahren klar geregelt ist. Sie hätten einfach nur als "Gastarbeiter" mit den entsprechenden Papieren einreisen sollen, da wäre das Ganze nach dem zeitlichen Ablauf relativ entspannt machbar gewesen. Asyl ist was anderes, als mit heimatverbundenem Geheuchele in ein wirtschaftlich besseres Land ausreisen zu wollen. Integration hin oder her, hier wurde nur die falsche Vorgehensweise gewählt. Nur ins gelobte Land hoppen zu wollen, ist halt manchmal auch zu kurz gedacht. Ihre Leistung in allen Ehren, die Kompetenz auch, aber jeder muss die richtigen Kanäle wählen. Da hilft auch Zeitung, Presse und die ortspolitiker nichts.
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