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HAMMELBURG
Asylbewerberheim: „Ängste abbauen“
Von unserem Redaktionsmitglied WOLFGANG DÜNNEBIER
 |  aktualisiert: 18.01.2013 12:04 Uhr

Teils heftige Diskussionen prägten das Bürgergespräch zur Einrichtung eines Asylbewerberwohnheimes im Ofenthaler Weg. Rund 100 Teilnehmer zeigten am Dienstagabend Interesse.

Scharfe Kritik an der Unterbringung von 80 Asylbewerbern im Schwesternwohnheim und in Worte gefasste Ängste prägten die ersten Beiträge. Im weiteren Verlauf aber überwogen jene Stimmen, die aufforderten, ehrenamtlich Zerstreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Nichts sei schlimmer für Menschen, als zur Untätigkeit verdammt zu sein. „Das ist eine echte Herausforderung“, fasste Bürgermeister Ernst Stross zusammen. „Wir können etwas schaffen, auf das wir nach drei Jahren stolz sein können“, umriss er „die große Umstellung“.

Mit Zahlen untermauerte Hans-Georg Rüth, Abteilungsdirektor der Regierung von Unterfranken, den steigenden Bedarf an Quartieren auch in Unterfranken. Rüth warb darum, Berührungsängste abzulegen und Wege zu suchen, mit den neuen Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Positive Beispiele gebe es in Gemünden, Gräfendorf und Münnerstadt. Auch mit Hilfe von Ein-Euro-Jobs gelinge es, die Betroffenen einzubinden. In dem Haus werde es einen Verwalter und eine Sozialberatung geben.

Zweifel an der befristeten Unterbringung von drei Jahren äußerte Peter Klaje. Er fürchtet Unfrieden in dem bisher ruhigen Wohngebiet sowie Besuch von rechtsextremen Störern. Er warf der Carl-von-Heß'schen-Stiftung vor, sich wegen einer finanziellen Schieflage von der Schaffung betreuten Wohnens im ehemaligen Schwesternwohnheim verabschiedet zu haben.

Dagegen verwahrte sich Landrat Thomas Bold. Die Stiftung engagiere sich aktuell mit 17 Millionen Euro beim Neubau des Hauses Waldenfels in Bad Brückenau. Ein zusätzliches Bauprojekt in Hammelburg sei nicht zu schultern. Man halte aber daran fest. Alternative zur Unterbringung von Asylbewerbern wäre ein Leerstand gewesen, bei ungeklärter Unterbringungsfrage im Landkreis. Die Nutzungsdauer sei vertraglich auf drei Jahre festgelegt.

„Haarsträubende Informationspolitik“ bescheinigte Hartwig Gerhard den Behörden. Das Bürgergespräch hätte früher stattfinden müssen. Losgelöst vom Ausländerthema käme es zu Problemen, wenn 80 junge Männer in dem Gebäude untergebracht werden. „Was kann Hammelburg bieten, damit die nicht auf dumme Gedanken kommen?“, so Gerhard. Es müssten bessere Vorschläge kommen, als sich hilflos an die Bevölkerung zu wenden.

Dritte Bürgermeisterin Elisabeth Wende wollte wissen, ob es nicht mit der Unterbringung von 60 oder 40 Asylbewerbern auf einem Fleck getan sei. Dann komme man nicht auf die Zahl von Quartieren im Landkreis, so Regierungsdirektor Rüth. Bei Unterbringung in Wohnungen und Pensionen drohe Vereinsamung.

Es kämen auch Familien mit verschüchterten Kindern, so Monika Horcher. „Es ist Christenpflicht, zu helfen“, betonte sie. Hammelburg sei besser geeignet für eine zeitweise Integration als anonyme Großstädte, findet Beate Ritter-Schilling. Durch bessere Essensauswahl von Listen und beschleunigte Verfahren seien frühere Konfliktpotenziale der Asylpolitik entschärft.

Eine Mutter artikulierte Angst, ihre Mädchen auf dem Schulweg an dem Heim vorbeizuschicken. Ingrid Klauer verwahrte sich dagegen, Asylbewerber von vorneherein zu kriminalisieren. „Das können wir schaffen“, sagte sie zur Schaffung von Betreuungsangeboten.

Es sei wichtig, auch die Ängste zu formulieren, gestand Pfarrer Christian Müssig zu. Er traut Hammelburg große Integrationsfähigkeit zu. Von Bedeutung sei es, Fachleute zur Traumabewältigung ins Boot zu nehmen.

Ursula Müller-Ahammer verwies auf den Freundeskreis Asyl, der sich vor 20 Jahren erfolgreich um ein Dutzend Asylbewerber kümmerte. „Das war eine gute Übung, jetzt haben wir eine andere Aufgabe“, räumte sie ein „bisschen Herzklopfen“ ein. Menschen aus anderen Kulturen seien eine Bereicherung.

Für das Durchbrechen von Klischees warb Christian Fenn, unmittelbarer Nachbar des Wohnheims, der beruflich wie familiär schon oft bei Asylanten war. Seine Botschaft: „Nichts ist so schlimm, wie man denkt oder hört.“ Ihre Erfahrungen schilderte eine Gräfendorferin: Nachdem sich die Bevölkerung um Integration von Asylbewerbern bemüht habe, seien dort Freundschaften entstanden, die zum Teil schon 20 Jahre andauern.

„Manches wird sich relativieren“, hielt sie den Kritikern entgegen. „Sorgen sind verständlich, Angst braucht man nicht zu haben“, fasste Bürgermeister Ernst Stross zusammen. Garantien gebe es im ganzen Leben nicht.

Jetzt sind alle aufgerufen, sich einzubringen. Am 30. Januar wird es eine Zusammenkunft geben, bei der Stross mit Verbänden, Vereinen und weiteren Interessenten Bereitschaft zur Mitwirkung ausloten will.

 
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  • .. die Landflucht der Asylbewerberwohnheime macht durchaus Sinn. Man kann die Asylbewerber und die Anwohner besser kontrollieren als in einer Großstadt. Die Anwohner werden sich so wie all die anderen Heimnachbarn an die Flüchtlinge gewöhnen müssen. Manches wird, wie immer, aus dem Ruder laufen, und manches wird sich relativieren ....
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