Klemens Ludwig studierte Theologie und beschäftigt sich seit 1988 mit der Astrologie. Sein Schwerpunkt ist die Rolle der Astrologie in Kultur und Gesellschaft. Der Autor und Publizist ist Träger des Journalistenpreises Astrologie und Vorsitzender des Deutschen Astrologen-Verbands (DAV). Anlässlich des DAV-Fachkongresses vom 28. bis 30. September in Bad Kissingen sprachen wir mit dem 62-Jährigen über die Stellung der Astrologie gestern und heute und fragten ihn, warum die meisten Menschen Horoskope lieben.
Main-Post: Früher galt die gesamte Astronomie-Astrologie als Wissenschaft und war einer Elite vorbehalten. Heute scheint sich jeder damit auszukennen. Wie schätzen Sie persönlich das ein?
Klemens Ludwig: Was die Leute kennen, sind die Zeitungshoroskope, die sich allein nach dem sogenannten Sternzeichen, also dem Stand der Sonne, richten. Das aber ist reine Unterhaltung und hat mit seriöser Astrologie nichts zu tun. Schon deshalb nicht, weil die Menschheit nicht in zwölf Schubladen passt. Ein echtes Horoskop, auf der Basis von Geburtstag, -zeit und –ort ist eine höchst individuelle Angelegenheit. Dies in seiner Tiefe zu deuten, erfordert eine fundierte Ausbildung, Intuition und Erfahrung.
Prominente Beispiele
In der Antike gab es Staatspolitiker, die astrologischen Deutungen oft große Bedeutung beigemessen haben und sich in ihrem Verhalten oft danach richteten. Heute würde man über solche Politiker lachen. Was ist da passiert?
Ludwig: Oh, es gibt diese Politiker auch heute, aber sie haben Recht, die öffentliche Meinung würde ein Bekenntnis zur Astrologie verlachen. Deshalb ist das häufig erst nach dem Tode bekannt geworden. Der französische Präsident François Mitterand oder US-Präsident Ronald Reagan sind prominente Beispiele dafür. Tatsächlich haben sich die Wege von Astronomie, der Sternenbeobachtung, und Astrologie, der Sternendeutung, mit Beginn der Neuzeit getrennt. Seitdem ist das Ansehen der Astrologie ständig gesunken, weil sie von der akademischen Wissenschaft häufig mit fragwürdigen Argumenten verächtlich gemacht wird. Ich nenne in dem Zusammenhang als Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit nur den einflussreichen Philosophen Theodor W. Adorno. Er hat eine Schmähschrift gegen die Astrologie verfasst, die vor allem eines dokumentiert: dass er keine Ahnung von ihr hatte. Es gab in den letzten 100 Jahren aber durchaus Versuche, die Astrologie zu rehabilitieren, etwa durch C. G. Jung. Inzwischen wird es wieder leichter, sich zur Astrologie zu bekennen. Wir im Astrologenverband arbeiten daran, dass auch Prominente wieder dazu stehen können, ohne ausgelacht zu werden.
Für viele Menschen ist die Deutung des Sternzeichen-Einflusses in Form von Horoskopen heute lebenswichtig. Kann Astrologie denn Lebenshilfe bieten?
Ludwig: Auf jeden Fall, aber nur auf der Basis eines individuellen Horoskops. Ich möchte dazu aus einer E-Mail zitieren, die mir erst kürzlich eine Klientin nach einer Beratung schrieb: „Ich bin immer noch ein bisschen sprachlos, wie Sie meine Persönlichkeit und Ereignisse in meinem bisherigen Leben anhand der Sterne ablesen können. Am meisten hat mir ehrlich gesagt geholfen, dass ich mich so verstanden gefühlt habe, bin ich doch selbst und erst recht meine Mitmenschen manchmal verwirrt und überfordert von mir“.
Für Gefahren sensibel machen
Wie man feststellen kann, wird die Beschäftigung mit dem, was in den Sternen steht, gelegentlich auch Sucht. Wo ist Ihrer Ansicht nach die Grenze?
Ludwig: Wenn ich keinen Schritt mehr aus dem Haus gehe oder keine Entscheidung mehr fälle, ohne in die Sterne zu schauen, dann stimmt etwas nicht, denn ich stehle mich aus der Verantwortung. Süchte und Missbrauch gibt es leider überall. Wir als Verband versuchen, bezüglich der Gefahren zu sensibilisieren, denn wir möchten einen aufgeklärten, verantwortungsvollen Umgang mit unserem wunderbaren Fach.
Viele Leute sagen, dass sie Horoskope nicht interessieren. Andererseits weisen sie aber dann gelegentlich darauf hin, dass sie beispielsweise als Skorpion nun mal gern im Streit den Stachel ausfahren oder als Steinbock eben ein bisschen starrköpfig sind. Spricht daraus nicht auch eine Sehnsucht nach Identifikation?
Ludwig: In der Tat, Identifikation – oder kritischer ausgedrückt – klare Zuordnungen machen das Leben einfacher, zumindest auf den ersten Blick. In einer komplizierten Welt ist das gewiss eine Verlockung. Wenn das mit einem Augenzwinkern geschieht, kann das entspannend und humorvoll sein, und die Astrologie bietet dafür genug Stoff. Wenn es aber allzu ernst gemeint ist, erhebe ich persönlich dann Einspruch – allein schon deshalb, weil niemand nur Skorpion oder nur Steinbock ist.
Und wie steht's um die Landtagswahl in Bayern?
Und jetzt die Scherzfrage: Was können internationale Astrologen bezüglich der bayerischen Landtagswahl im Oktober aus den Sternen lesen?
Ludwig: Da muss ich erst mal schmunzeln. (überlegt) Der Kosmos mit all seinen Sternen wirkt ziemlich unüberschaubar und chaotisch, seine inneren Gesetzmäßigkeiten sind kompliziert und schwer zu verstehen. Genau so wird auch der nächste Bayerische Landtag sein.