Arnold Samuels ist gebürtiger Hammelburger und Enkel von Samuel Sichel, dem Namenspatron des Platzes am Parkdeck gegenüber des Friedhofs. Samuels lebte hier bis er und seine jüdische Familie 1937 vor den Gräueltaten der Nazis flüchten konnten. Seiner alten Heimatstadt stattet Samuels trotzdem alle paar Jahre einen Besuch ab – im Schlepptau zum wiederholten Male sein Neffe und dessen Tochter.
Der Alt-Hammelburger nahm auch auf Einladung des Arbeitskreises „Letzte Spuren bewahren“ an der Stadtratssitzung am Montag teil. Die Debatte zum neuen Mahnmal für die hiesige jüdische Gemeinde verfolgte er natürlich mit gespitzten Ohren. Wir verabredeten uns mit dem rüstigen Rentner in dessen Hotel und am Seelhausplatz, wo voraussichtlich der neue Findling platziert werden soll. Dort zeigt Samuels seinem Neffen das runde Fenster der alten Synagoge: „Im Fenster war ein Davidsternmosaik. Das haben die Nazis schnell entfernen lassen.“
Arnold Samuels: Ziemlich ungepflegt – außerdem kommt hier ja keiner vorbei. Zwei junge Frauen mit ihren Babys habe ich hier mal sitzen sehen – und ich war schon öfter hier. Am Marktplatz oder am Samuel-Sichel-Platz fände ich den Stein besser aufgehoben. Hier ist es ja, wie wenn man ein Buch kauft und es gleich ins Regal stellt. Solche Mahnmale muss man sehen können.
Samuels: Nein, davon weiß ich zumindest nichts. Ich hoffe nur, dass sie die Namen meiner Verwandten nicht vergessen. Schön wäre auch, wenn es nicht zehn Jahre dauern würde, dass ich mir das Monument vielleicht auch noch selbst anschauen kann.
Samuels: Die Leute dürfen nicht vergessen – das ist das Wichtigste. Geschichtsunterricht in den Schulen ist noch wichtiger als solche Denkmäler. Die Kinder müssen Bescheid wissen, was passiert ist. Ich persönlich habe mich auch immer dafür eingesetzt, habe viele Vorträge gehalten – hier im Hammelburger Gymnasium, wenn ich zu Besuch war. Oder in Schulen in meiner neuen Heimat, den USA.
Samuels: In Deutschland schon eher wie in Amerika. Hier wird mehr darüber geredet.
Samuels: Nein. Den Leuten wurde gesagt, wir kommen in Arbeitslager um fürs Vaterland zu arbeiten. Dass Menschen dort in Gaskammern gesteckt wurden, wussten sie meiner Meinung nicht. Das wussten nur die SS-Leute und die Hohen in der Partei. Das war genauso geheim wie das Basteln an der Atombombe.
Samuels: Ich stehe in E-Mail-Kontakt mit den Leuten vom Arbeitskreis „Letzte Spuren bewahren“, Dietmar Katzer und Michael Mence zum Beispiel. Einige bekommen zu Weihnachten Kuchen und eine Karte von mir geschickt. Über 20 Jahre lange Freundschaften bestehen da.
Samuels: Das kann man schon sagen. Er hat es aber auch verdient. Er war einer der bekanntesten Menschen Hammelburgs. Durch seine Getreidefirma kam er auch viel herum. Außerdem war er bei der Feuerwehr und hat die Armen unterstützt, wo er nur konnte. Ein guter Mann.
Samuels: Über Nacht war alles anders. 1933 war ich zehn – politisch habe ich natürlich noch nichts verstanden. Genauso wenig, dass ich nicht mehr mit meinen besten Freunden spielen durfte. Ich kann mich noch erinnern, wie wir vorher am Rathausbrunnen Räuber und Gendarme gespielt und mit Wasser rumgespritzt haben. Damals hat es niemanden interessiert, ob man Jude oder Christ ist.
Samuels: Ich müsste so 14 Jahre alt gewesen sein – also eigentlich an alles. Mein Vater ist schon 1936 in die USA. Ab da waren wir in Hamburg. Dort konnten wir ungestörter leben, die Nazis waren in Hamburg nicht so mächtig, und man konnte untertauchen. In Kleinstädten wie Hammelburg war es schlimmer, man konnte sich nicht verstecken.
Samuels: Einigermaßen schon. Meine Mutter hat auf dem Schiff dann auch mit mir und meinen Brüdern das erste Mal so richtig darüber gesprochen. Sie fühlte sich wohl endlich sicher und konnte uns alles erklären.
Samuels: Ich musste Englisch lernen und ging in New York zur Schule. 1943 ging ich zur US Army – freiwillig.
Samuels: Auch, aber vor allem wollte ich meiner neuen Heimat damit danken.
Samuels: Ich war unter anderem bei der Befreiung vom KZ Dachau im April 1945 dabei. Vorher war ich in Bad Brückenau. Als Hammelburg kapitulierte, bin ich schnell hergekommen. Dort sah ich am Marktplatz meinen besten Freund aus Kindertagen, Markus Hofstätter, auf seinem Motorrad. Wir lagen uns in den Armen und haben geweint. Mit ihm habe ich übrigens auch heute noch Kontakt.
Samuels: Das vielleicht nicht, aber es muss noch was da sein, sonst würde ich ja nicht so gerne immer wieder zurückkommen. Die Sprache erhalte ich mir mit ein Paar Freunden, die auch aus Deutschland stammen. Wir sitzen zusammen, sprechen Deutsch und trinken ein Paar Bier.
Samuels: Sie rauchen weniger (lacht). Zigarettenautomaten sieht man auch kaum noch. Das hat sich definitiv verändert.
Der allerbeste Platz für den Findling ist, nach meiner Meinung, auf dem Gelände um die Stadtpfarrkirche, in der Nachbarschaft des Gefallenen-Denkmals, der Ölbergkapelle, des Denkmals für Geistl.Rat Joh.Martin, auch von den jüdischen Mitbürgern hoch angesehener Mann, zur Zeit des Naziregimes Stadtpfarrer von Hammelburg. Er würde dafür sein. Auch wäre dieser Platz im Sinne von Franz Purucker gewesen, einem Hammelburger jüdischen Glaubens, konvertiert zum katholischen Glauben, zum Priester geweiht und am 13. Mai 1935 verstorben.
Die vielen Touristen in Hammelburg würden die Gedächtnisstätte an der Kirche nicht übersehen, am Seelhausplatz bestimmt!