„Fragt uns aus, wir sind die Letzten“, so war der Vortrag überschrieben, für den der Frauenring Bad Kissingen den Holocaust-Überlebenden Arno Lustiger gewonnen hatte. Das war 2008, und die mit 100 Interessenten gut besuchte Veranstaltung war Höhepunkt im Jahresprogramm dieser Organisation. Jetzt kann man den renommierten Historiker nicht mehr fragen: Der Professor aus Frankfurt mit zeitweiligem Zweitwohnsitz in Bad Kissingen ist am Dienstag gestorben – wenige Tage nach seinem 88. Geburtstag.
Lustiger, der 2005 im Bundestag eine bewegende Gedenkrede zur 60. Wiederkehr der Befreiung von Auschwitz hielt und drei Jahre später auch bei den jüdischen Kulturtagen in Bad Kissingen sprach, war Zeitzeuge der schrecklichsten Epoche deutscher Geschichte: Der in Polen geborene Jude hatte die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Langenstein überlebt und mehrere Todesmärsche überstanden. Nur die Flucht rettete den damals 21-Jährigen vor der Hinrichtung.
Nach dem Krieg blieb er in Deutschland, wurde Textilunternehmer – und schwieg 40 Jahre lang über seine schrecklichen Erlebnisse. Erst 1985 machte Lustiger sein Schicksal öffentlich und begann mit eigenen historischen Forschungen, der Aufarbeitung der eigenen und der jüdischen Geschichte. Forschen und Schreiben wurde zum Lebensinhalt, der mit Professur und vielen Auszeichnungen gewürdigt wurde.
Lustiger war Cousin des 2007 verstorbenen Kardinals von Paris, Jean-Marie Lustiger, die wichtigste Position in Frankreichs Klerus. Der Zufall wollte es, dass er selbst starb an jenem Tag, als in Bad Kissingen zum fünften Mal Stolpersteine verlegt wurden, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.