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Bad Kissingen
Anselm Grün - ein Mönch über die Liebe und Herzschmerz
Der Benediktinerpater Anselm Grün will nicht den Moralapostel spielen. Im Interview spricht er über die Sehnsucht nach Liebe, Herzschmerz und ...
Foto: Vier-Türme-Verlag       -  Foto: Vier-Türme-Verlag
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Carmen Schmitt
 |  aktualisiert: 19.08.2022 13:30 Uhr
Anselm Grün wird am Freitag bei dem Kongress der Heiligenfeld Klinik in Bad Kissingen einen Vortrag halten. Der bekannte Benediktinerpater referiert über das Kernthema der Veranstaltung: Liebe. Über 1000 Menschen werden zu dem Kongress an diesem Wochenende in der Stadt erwartet. Wir haben Menschen aus dem Landkreis gefragt, was für sie Liebe bedeutet. Anselm Grün erklärt im Interview mit dieser Zeitung den Unterschied zwischen Liebe und Verliebtsein und was Menschen blüht, die nur am eigenen Lebenslauf feilen.

Wie viel kann ein Mönch über Liebe erzählen, der sich nicht auf eine partnerschaftliche Liebe einlassen darf?
Anselm Grün: Die Sehnsucht nach Liebe ist natürlich auch in einem Mönch da. Das kenne ich natürlich, und auch das Verliebtsein kenne ich. Jetzt im reiferen Alter bin ich mit einigen Frauen befreundet, mit denen ich mich gut unterhalten und austauschen kann, bei denen ich mich angenommen fühle. In Gesprächen mit Ehepaaren höre ich ganz viel über deren Erfahrungen mit der Liebe und kann es mir gut vorstellen, wie es ihnen in der Liebe ergeht.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Liebe?
(lacht) Ich war immer wieder mal verliebt, aber ich hatte nie eine Liebesbeziehung - ich bin ja Mönch. Ich habe Verliebtheit erfahren, klar. Im Studium oder schon in der Schule, aber das war mehr so ein Gefühl von Verliebtsein.

Liebeskummer, gebrochene Herzen und die Liebe des Lebens: Was ist der Unterschied zwischen verliebt sein und Liebe?
Verliebtsein ist ein starkes Gefühl. Mit dem Verliebtsein beginnt die Liebe, das braucht jede Liebe. Aber im Verliebtsein steckt viel Projektion: Man projiziert seine Sehnsüchte auf den anderen. Liebe ist das totale Akzeptieren des anderen so wie er in der Realität ist.

Funktioniert Liebe ohne Gott?
Die Liebe ist da, auch wenn einer nicht an Gott glaubt. Aber Gott ist eine Hilfe, damit wir nicht frustriert sind. Jeder Mensch möchte lieben und geliebt werden. Oft genug erfährt er Erfüllung, aber oft genug auch Enttäuschung. Wenn ich weiß, es gibt eine größere Liebe - die göttliche Liebe - die mir niemand nehmen kann, dann ist das auch eine Hilfe, mit den oft schmerzlichen Erfahrungen der Liebe im Alltag besser umzugehen.

Eine andere Form der Liebe ist die Selbstliebe: Wie viel davon ist gesund?
Die Selbstliebe ist wichtig. Jesus sagt auch: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.' Aber man muss unterscheiden zwischen einer egozentrischen Selbstliebe, die nur um sich kreist und einer guten Selbstfürsorge. Die ist Bedingung dafür, einen anderen lieben zu können. Es braucht immer ein gesundes Gleichgewicht zwischen Selbstliebe und Liebe zum anderen.

Was passiert mit einer Gesellschaft, in der sich Menschen immer mehr auf sich konzentrieren?
Es gibt Menschen, bei denen eine gesunde Selbstliebe wächst. Ich merke aber auch, dass es bei vielen Menschen umschlägt in Selbstoptimierung. Das ist keine Selbstliebe mehr, sondern nur noch ein egozentrisches Kreisen um sich selber. Die Solidarität, die Sorge für die anderen und das Mitgefühl nehmen ab. Das ist eine Gefahr. Es ist eine wichtige Erfahrung im Buddhismus, Mitgefühl mit anderen Menschen zu haben. Auch das ist eine Form von Liebe. Wenn Menschen sich nur noch um die eigenen Bedürfnisse kümmern, wird eine Gesellschaft kalt, hart und brutal.

Sind wir auf dem Weg dorthin?
Es gibt Tendenzen in unserer Gesellschaft, das kann man nicht leugnen. Aber es gibt auch viele, die aufgewacht sind und einen anderen Weg gehen. Ich habe die Hoffnung, dass die, die den bewussten Weg der Liebe gehen, die Gesellschaft davor bewahren, in diesen Egoismus abzudriften.

Als der Flüchtlingsstrom im Süden Deutschlands ankam, engagierten sich viele und halfen. Ein Trend?
Es war ein gutes Zeichen, dass viele Menschen auf einmal offen waren und Mitleid mit den Menschen hatten. Es gibt immer noch viele Menschen die sich selbstlos für die Flüchtlinge engagieren. Am Anfang war da vielleicht auch viel Euphorie. Wir wollten besser sein als die Ungarn, aber diese Euphorie muss dann in realistische Liebe umgewandelt werden.

Wie viel von dieser realistischen Liebe, Nächstenliebe, geht in der Flüchtlingshilfe von der katholischen Kirche aus?
Die Kirche hat sich sehr engagiert. Viele Katholiken haben sich engagiert und engagieren sich weiterhin. Die Kirche gibt ein gutes Beispiel auch gegenüber anderen Gruppen in der Gesellschaft, damit sie offen ist und Gastfreundschaft gewährt. Viele Ordensgemeinschaften sind mit gutem Beispiel vorangegangen. Wir haben im Kloster 38 Flüchtlinge, die fühlen sich sehr wohl bei uns.

Wo sehen Sie die Grenzen der Liebe? Wann wird es zu viel des Guten?
Die Liebe von Eltern zu Kindern ist ganz notwendig, aber es gibt auch eine vereinnahmende Liebe, die nicht mehr gesund ist für die Kinder. Oder eine Nächstenliebe, die zur Überfürsorge wird oder zur Bevormundung. Das ist nicht gut. Eine Liebe muss den anderen frei lassen.

Wie viel davon braucht eine Region wie der Landkreis Bad Kissingen?
Jede Gemeinde lebt vom Engagement der Menschen. Wenn wir die vielen Ehrenamtlichen nicht hätten, die sich für Kranke und Alte engagieren, wäre unsere Gesellschaft wesentlich kälter. In Dörfern, wo sich Menschen eine Wohnung kaufen, die gar kein Interesse an der Gemeinde haben, wird es anonym und kalt. Jede Gemeinde braucht die Liebe als Band, damit eine Kultur von Gemeinschaft entstehen kann.


Kongress über Liebe

Vortrag Pater Anselm Grün referiert morgen , 19. Mai, im Max-Littmann-Saal im Regentenbau. Beginn ist 9 Uhr. Das Thema lautet "Die Liebe als Macht".

Kongress Der Heiligenfelder Kongress widmet sich heuer dem Thema "Liebe". Er findet ab heute bis Sonntag in Bad Kissingen statt.

Info Weitere Informationen zum Kongress gibt es bei den Ansprechpartnern der Akademie Heiligenfeld telefonisch unter 0971/ 844 600 oder per E-Mail an Info@Akademie-Heiligenfeld.de und im Internet unter www.kongress-heiligenfeld.de .
 
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