
Update, 20. Januar 2025, 19 Uhr: Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat bekannt gegeben, dass sie wegen des Freispruches nicht in Revision gehen wird.
Das Urteil der Großen Strafkammer in Schweinfurt hat die Menschen in Münnerstadt mindestens überrascht. Die Opfer von Daniel N. (Name geändert) hingegen sind schockiert: Der 35-Jährige, der aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie über viele Monate hinweg Menschen in der Stadt beleidigt, bedroht, geschubst und geschlagen hat , wurde aus der Psychiatrie entlassen. Die Begründung des Gerichts: Die Straftaten waren nicht schwer genug, um ihn dauerhaft in der Psychiatrie unterzubringen. Daniel N. ist wieder zurück. Und die Polizei reagiert.
Polizeichef kann Sorge der Menschen nachvollziehen
Christian Pörtner , Chef der Bad Kissinger Polizeiinspektion, konstatiert: „Natürlich akzeptieren wir das Urteil. Wir sind ein Rechtsstaat und die zur Verfügung stehenden Gesetze hat die Strafkammer richtig ausgelegt. Die Schwere der Einzeltaten entsprechen nicht großen Verbrechen. Über das Strafrecht konnte er also nicht länger in der Forensik inhaftiert werden. Doch das ändert nichts an seiner Persönlichkeit. Wir können die Sorge der Menschen in Münnerstadt absolut nachvollziehen.“
In der Vergangenheit alle zwei Tage Einsatz in Münnerstadt
Sofort nach dem Freispruch am Freitag, 17. Januar 2025, wurden die Belegschaft in Bad Kissingen und die der angrenzenden Inspektionen Bad Neustadt, Bad Königshofen und die Verkehrspolizeiinspektion Schweinfurt-Werneck davon informiert und ein Lagebild angefertigt. Aus guten Gründen: „In der Vergangenheit waren wir stellenweise jeden zweiten Tag wegen des Mannes in Münnerstadt.“
Polizei wird „äußerst niederschwellig“ handeln
Gleich nach dem Urteil hat die Polizei auch Kontakt zu anderen Stellen aufgenommen: zur Stadt Münnerstadt, zum Landratsamt sowie zur Betreuungsstelle und der Staatsanwaltschaft, „wir haben uns erneut vernetzt“, so Pörtner. Mit der Staatsanwaltschaft ist die Polizei so verblieben, dass sie auch weiterhin „äußerst niederschwellig“ bei weiteren Straftaten den Mann erneut ins Bezirkskrankenhaus bringen wird – wie schon in der Vergangenheit.
Christian Pörtner erinnert im Gespräch daran, dass auch die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit hat, bei weiteren Vorfällen einen Antrag für eine Sicherungshaft zu stellen.
Die ersten 72 Stunden ohne Vorkommnisse
Ein Prioritätenmanagement habe dafür gesorgt, dass schon am Wochenende verstärkt Polizeikräfte in Münnerstadt unterwegs waren. Pörtner: „Von Freitag bis Montag früh, rund 72 Stunden, gab es keine Mitteilung aus der Bevölkerung, die einsatzrelevant war.“
Pörtner: „Ich appelliere an die Bevölkerung, dass uns Sicherheitsstörungen frühzeitig mitgeteilt werden. Sobald Übergriffe, Bedrohungen passieren oder er martialisch unterwegs ist – anrufen.“
Warnung vor Selbstjustiz
Er könne nachvollziehen, dass es für die Betroffenen schwierig ist, das Urteil nachzuvollziehen. Aber er warnt davor, „dass die Menschen das Gefühl haben, sie müssten sich jetzt selbst darum kümmern“. In sozialen Netzwerken werde der Freispruch bereits rege diskutiert – mitsamt Kommentaren, die auf Selbstjustiz hinweisen, die prognostizieren, „irgendwann erschlägt ihn mal jemand“.
Die Beamten und Beamtinnen haben eine große Erfahrung mit Daniel N.. Rastete er in der Vergangenheit aus, bedrohte, beleidigte oder schlug Menschen, fuhren ihn die Beamten oft sofort nach Werneck. „Wir sind da sehr niederschwellig vorgegangen“, sagt Christian Pörtner . Wenn der Patient dort wieder mit den richtigen Medikamenten eingestellt war, kam er zurück nach Münnerstadt. Und kurze Zeit später brach sich die Erkrankung wieder ihren Weg.
Ressourcen bei Polizei begrenzt
Christian Pörtner : „Wir waren da auch oft an einer Ressourcengrenze. Es gibt leider nicht unendlich verfügbare Fachkräfte, die man sich downloaden kann.“ Die Situation in Münnerstadt war fast schon grotesk: An einem Tag fuhren die Beamten den Betroffenen in die Klinik, wenige Tage später pöbelte er wieder Menschen an. „Die Unterbringung war für uns fast schon so etwas wie ein Tagesgeschäft zum Schutz der Bevölkerung. Aber oft wird wohl frühzeitig entlassen, weil Ressourcen auch dort endlich sind. Es gibt immer eine Art Triage aufgrund von Ressourcenproblemen.“
Betreuer hält ihn für „allgemeingefährlich“
Das bestätigte der derzeitige Betreuer von Daniel N. vor Gericht: „Daniel N. hätte nicht ständig wieder entlassen werden dürfen, meiner Meinung nach ist er allgemeingefährlich. Ich komme eben aus einer Psychiatrie, in der Patienten auf dem Gang liegen, weil alles voll ist.“
Unabhängig vom Fall Daniel N. sagt der Polizeichef Christian Pörtner : „Wir erleben eine Steigerung von Fällen, die durch psychisch Erkrankte ausgelöst werden. Der Umgang mit psychisch Kranken ist Tagesgeschäft geworden.“
Polizeichef fordert: „Wir brauchen Psychiatrie-Experten“
Damit meint er auch den 91-jährigen Demenzerkrankten im Altenheim , der nachts randaliert. „Wenn der Belegarzt den Mann nach gegen seinen Willen nach Werneck schicken will, dann müssen oft auch da auch zwei Polizisten mitfahren und die Maßnahmen rechtlich anordnen.“ Er fordert: „Wir brauchen in vielen Bereichen Psychiatrie-Experten, die 24 Stunden an sieben Tagen der Woche erreichbar sind, wenn nötig über Telemedizin. Wir müssen neu denken, das ist notwendig, denn die Thematik bringt uns gesellschaftlich und auch polizeilich an unsere Grenzen. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen im Landkreis und darüber hinaus funktioniert zum Glück reibungslos“, so Pörtner weiter.
Und? Ursachenforschung? Ist Bayern für viele Menschen vielleicht doch nicht das „Paradies“, von dem Söder schwärmt….
Erinnert sei bei der Gelegenheit auch einmal an Rainer Winkler, den „Drachenelord“ - und die Rolle, die gewisse „Hater“ und die oben genannten „sozialen Netzwerke“ dabei spielten, auch hier war die Polizei nur noch hilflos!
Auch bei Bedrohungen gegen (!) den Mann wird hoffentlich ermittelt?