Als Leo Erhard am 3. Dezember 1932 geboren wurde, stand Deutschland vor schweren Zeiten. Trotz Nazi-Herrschaft und Krieg, der auch in Rannungen seine schrecklichen Spuren hinterließ – eine schlechte Kindheit hatte er nicht. „Jeder hatte nicht viel, aber genug zu essen“, erinnert er sich im Gespräch mit der Main-Post. Denn auf dem Dorf ist es den Menschen damals noch verhältnismäßig gut gegangen.
Sattler, Polsterer und Tapezierer hat Leo Erhard nach der Schule gelernt und 1956 die Meisterprüfung in einem Beruf abgelegt, der sich heute Raumausstatter nennt. Damals war er schon zwei Jahre stolzer Besitzer eines Autos, einer DKW Meisterklasse. Den Luxus musste er sich leisten, weil bereits mit Mitte 20 ein Gelenkrheuma den Verzicht auf die geliebten Motorräder notwendig machte.
Obwohl Erhard schon vor 20 Jahren seinen eigenen Raumausstatterbetrieb aus gesundheitlichen Gründen wegen und den Beanspruchungen des Bürgermeisteramtes an seinen Sohn Heiko abgegeben hat, steht er noch täglich in der Werkstatt. Leo Erhards Spezialitäten sind die Lederarbeiten und das Restaurieren antiker Möbel. Das braucht sehr viel Zeit und Genauigkeit. Seinem Sohn komme er dabei nicht ins Gehege, wie er sagt. „Wenn ich eines gelernt habe, dann ist das, sich zurücknehmen.“ Diese Lebensweisheit gilt für ihn auch in punkto Kommunalpolitik, die Erhard in Rannungen von 1966 an 30 Jahre entscheidend geprägt hat. Zunächst als Gemeinderat, dann 1978 als 2. Bürgermeister und schließlich von 1979 bis 1996 als Bürgermeister. Dass er nicht noch eine Wahlperiode drangehängt hat, lag vor allem an den damals harten Auseinandersetzungen im Dorf um den Bau der Autobahn 71.
„Flexibel und sozial verträglich“, fasst Erhard sein Verständnis von der Amtsführung zusammen, will aber doch nicht zu sehr aus dem Nähkästchen plaudern. Auf seine Rannunger konnte er sich aber verlassen. Schon damals, als die Gemeinde ohne rechtsgültige Satzung einen zweiten Brunnen bohren ließ, weil der erste verlandet war und der Ort 1982 zeitweise aus Tankfahrzeugen mit Wasser versorgt werden musste. „Wenn einer nicht bezahlt und sich beschwert, ist alles hinfällig“, warnte ihn der damals zuständige Beamte der Rechtsaufsicht im Landratsamt. Auch für diesen Fall hatte Erhard Vorsorge getroffen. Ihren Beitrag geleistet haben aber alle, „weil das die Menschen wollten“, sagt er.
Viel Zeit hat Erhard in sein kommunal- und berufspolitisches Engagement und die Vereinstätigkeit investiert. Gedankt wurde es dem Rannunger Ehrenbürger durch hohe Auszeichnungen. Trotzdem: „zu viel Zeit“, merkt Erhard rückblickend kritisch an. Die Familie sei schon zu kurz gekommen, deshalb versuche er jetzt, das an den Enkeln (vier) ein wenig gutzumachen. Ohne seine Frau Irmgard, die er 1958 geheiratet hat, wäre das alles nicht möglich gewesen. „Sie war der Motor in der Firma.“